Militärischer Teil des Rambouillet-Abkommens
für de Kosovo
was Sie eigentlich nicht wissen sollen!
"Monatelang haben der EU-Sonderbeauftragte Petritsch und sein amerikanischer
Kollege Hill in intensiver Reisediplomatie mit den beiden Konfliktparteien Gespräche
geführt und den Boden für ein faires Abkommen bereitet. In Rambouillet
und Paris ist mehrere Wochen lang hartnäckig verhandelt worden. Zu dem
dort vorgelegten Abkommen, das die Menschenrechte der albanischen Bevölkerungsmehrheit
im Kosovo, aber auch die territoriale Integrität Jugoslawiens gewährleistet,
gibt es keine Alternative.
Ihm hätten alle Parteien zustimmen müssen. ...
Die Vertreter der Kosovo-Albaner haben dem Abkommen von Rambouillet schließlich
zugestimmt. Einzig die Belgrader
Delegation hat durch ihre Obstruktionspolitik alle Vermittlungsversuche scheitern
lassen."
Bundeskanzler Gerhard Schröder zum Abschluß des EU-Gipfels in Berlin
und zum Nato-Einsatz in Jugoslawien gemäß einer
Presseerklärung der Bundesregierung vom 26. März 1998.
Die Weigerung der jugoslawischen Regierung unter ihrem Präsidenten Slobodan
Milosevic, dem sogenannten Rambouillet-
Abkommen in der Fassung vom 23. Februar 1999, gelegentlich auch als Friedensabkommen
von Rambouillet bezeichnet,
zuzustimmen, dient neben dem Schutz der albanischen Bevölkerung als Begründung
für die NATO-Offensive auf
Jugoslawien, die am 24. März begann.
Daher ist es verwunderlich, wie wenig über den Inhalt des "Interim
Agreement for Peace and Self-Government in Kosovo" an die
Öffentlichkeit gelangt ist. Die genauere Durchsicht des Abkommens läßt
allerdings klar werden, warum die Regierung der
Bundesrepublik Jugoslawien oder der Republik Serbien das Abkommen gar nicht
unterzeichnen konnte. Da die Details des
Vertragsvorschlags in den öffentlichen Medien wie von der deutschen Bundesregierung
unterschlagen werden, wird
nachfolgend der Versuch unternommen, die Struktur des Dokuments zu beschreiben
sowie die wesentlichen
Knackpunkte, die sich mit militärischen Dinge befassen.
Was wird in dem Abkommen geregelt?
Das Vertragswerk ist in einen Vorspann, acht Kapitel und zwei Anhänge
untergliedert. Jedes Kapitel umfaßt zwischen zwei und
sechzehn Artikel, die Anhänge haben acht bzw. 25 Artikel. Der Vorspann
befaßt sich mit den Vertragsprinzipien und
vertrauensbildenden Maßnahmen.
Kapitel 1 legt die Verfassung des Kosovo fest.
Kapitel 2 beschreibt die Organe der inneren Sicherheit (Polizei, Justiz, Grenzschutz).
Kapitel 3 beschreibt die Durchführung von Wahlen.
Kapitel 4 hat die Wirtschaft zum Inhalt, die den Regeln des freien Marktes folgen
soll, den Wiederaufbau des Landes und die wirtschaftlichen Entwicklung.
Kapitel 5 präzisiert Maßnahmen für die Umsetzung des Abkommens
und die dafür zu schaffenden Organe.
Kapitel 6 führt einen Ombudsmann ein und beschreibt seine Aufgaben und
Rechte.
Kapitel 7 erläutert die militärische Seite der Vertragsimplementierung,
insbesondere die Entmilitarisierung des Kosovo. Anhang A legt die Militär-
und Polizeibezirke im Kosovo fest.
Anhang B definiert den Status der internationalen Streitkräfte (KFOR, Kosovo
Forces), die im Kosovo eingesetzt werden sollen.
Das Schlußkapitel 8 enthält abschließende Vertragsregelungen
und sieht Platz für die Unterschriften der jugoslawischen Bundesregierung,
der serbischen Regierung und eines Vertreters der albanischen Verhandlungsdelegation
vor.
Welche militärischen Bestimmungen sieht das Abkommen vor?
(Kapitel 7 und Anhang B)
+ Als erstes fällt auf, daß für die Vereinten Nationen und
den Sicherheitsrat in diesem Abkommen kein Platz ist. Zwar wird
der Sicherheitsrat in Kap. 7-I/1a eingeladen, den Vertrag gutzuheißen.
Im gleichen Abschnitt wird aber der NATO
zugestanden, eine Streitkraft aufzubauen und zu führen, die bei der Durchsetzung
der Vertragsbestimmmungen hilft. Dieser
Streitkraft können gemäß Kap. 7-I/1b Truppen-, Luftwaffen- und
Marineeinheiten aus NATO-Ländern wie aus Nicht-NATO-Ländern angehören.
Mit welchen "Gästen" die jugoslawische Regierung im Rahmen der
KFOR (Kosovo Forces) also rechnen müßte, wird nicht präzisiert.
Auch über den Umfang der KFOR-Truppen wird keine Aussage gemacht.
+ Die KFOR erhält nach Kapitel 7-I/2b das Recht, jegliche Infrastruktur
und Dienstleistungen, die für die Durchführung der
Mission erforderlich sind, kostenlos in Anspruch zu nehmen.
+ Die drei Artikel von Kap. 7-IV geben präzise Termine und Schritte zum
vollständigen Rückzug der jugoslawischen Armee
aus dem Kosovo und zu ihrer Entwaffnung vor. Innerhalb eines halben Jahres nach
Inkrafttreten des Vertrages sollen die
jugoslawischen Streitkräfte sich komplett aus dem Kosovo zurückgezogen
und sämtliche Waffen abgezogen haben. Die
Grenzschutztruppe darf maximal 1.500 Mann stark sein, über eine eventuell
weitere Reduzierung entscheidet allein der
Kommandeur der KFOR. Die jugoslawische Luftwaffe muß nicht nur sämtliche
Flugzeuge, Radaranlagen und
Abwehrstellungen aus dem Kosovo abziehen, sondern überdies einen 25 km
breiten Streifen auf serbischem Gebiet
komplett räumen.
+ Mit anderen Streitkräften (other forces) und ihrer Entwaffnung beschäftigt
sich Kap. 7-V. Dabei wird die UCK, die
Befreiungsarmee des Kosovo, namentlich nicht erwähnt. Zwar werden hier
die militärische Entwaffnung und der
Bewegungsspielraum der anderen Streikräfte geregelt, die Details bleiben
allerdings Absprachen mit dem Kommandeur
der KFOR nach Unterzeichnung des Abkommens überlassen. Nicht geregelt wird
auch die Frage der sogenannten
Kleinwaffen (Pistolen und Gewehre) - das bedeutet, bewaffneten Übergriffen
von albanischen und serbischen
Zivilisten wird nicht wirksam vorgebeugt.
+ Kap. 7-VIII legt fest, daß die KFOR bei ihrer Missionserfüllung
keinerlei Einschränkungen unterliegt. Welche Maßnahmen sie
für die Durchführung ihrer Aufgaben für erforderlich hält,
legt sie selbst bzw. ihr Kommandeur fest. Diesem kommt auch das
Recht zur Interpretation der Vertragsbestimmungen zu. Obendrein wird dem Nordatlantikrat
zugestanden, einseitig die
Pflichten und Verantwortlichkeiten der KFOR zu ergänzen. Die KFOR kontrolliert
den gesamten Verkehr im Kosovo sowie den
Luftraum bis 25 km in serbisches Gebiet hinein, kann sich selbst aber ungehindert
auf dem Lande, in der Luft und auf dem
Wasser bewegen. Außerdem ist die KFOR nicht für Schäden haftbar,
die sie verursacht.
+ Noch viel weiterreichend sind die Einschränkungen der staatlichen Souveränität
Serbiens gemäß Anhang B des
Abkommens: Die Angehörigen der NATO-Truppen unterliegen bei der Ein- und
Ausreise nach Jugoslawien d.h. auch
Serbien keinerlei Paß- und Visavorschriften (Art. 3). Sie verpflichten
sich zwar, die regionalen Gesetze zu beachten,
genießen aber straf-, zivil- und verwaltungsrechtlich unter allen Umständen
vollkommene Immunität (Straffreiheit) (Art. 6).
+ Außerdem können sich die NATO-Soldaten im gesamten Hoheitsgebiet
des Bundesrepublik Jugoslawien - d.h. im
Kosovo wie in Montenegro, in der Vojvodina und im Sanjak wie in allen Teilen
Serbiens mitsamt ihrer Ausrüstung vollständig und ohne Einschränkungen
frei bewegen (Art. 8) Dabei haben ihnen die jugoslawischen Behörden jede
gewünschte Unterstützung zu gewähren, dürfen für die
Bereitstellung der Infrasturktur und Dienste aber keine Gebühren oder Zölle
erheben (Art. 10). Dementsprechend fallen für die KFOR auch keine Straßennutzungs-,
Start- und Landegebühren oder andere
Unkosten an. Für Schäden, die NATO-Truppen verursachen, ist die NATO
nicht haftbar (Art. 17).
+ Selbst jugoslawische Bürger, die die NATO in ihre Dienste nimmt, genießen Immunität für jegliche Handlungen, die sie im Auftrag der NATO durchführen (Art. 20). Andererseits erhält die NATO das Recht, jugoslawische Staatsbürger festzunehmen und den Strafverfolgungsbehörden zu übergeben (Art. 21).
Die Konsequenz? Ein Krieg und ein Ende ist nicht abzusehen.
Die jugoslawische Verhandlungsdelegation zeigte sich bereit, großen Teilen
des Vertragsentwurfs zuzustimmen. Die umfassende
Einschränkung der staatlichen Souveränität Jugoslawiens und die
Stationierung von NATO-Truppen auf ihrem Hoheitsgebiet wollte sie aber nicht
zulassen.
Unter dem Deckmantel der NATO-Angriffe können Milosevic und seine Sicherheitskräfte
ihre menschenverachtende Politik weiterhin verfolgen. Fordern Sie von der deutschen
Regierung die Rückkehr zu politischen Verhandlungen.
Telefon Bundeskanzleramt (0228) 56-0, Fax 56-23 57.
Fordern Sie die Bundesregierung auf, Ihnen eine deutsche Fassung
des Abkommens zukommen zu lassen! Rufen Sie im
Bundespresseamt an: Telefon (0228) 208-0, Fax 208-25 55
Viele (unzensierte) Informationen gibt es im Internet, daher nachfolgend einige Tips:
Artikel der Transnational Foundation for Peace and Future
Research zum Rambouillet-Abkommen,
http://www.transnational.org/pressinf/
insbesondere die Dateien pf55.html bis pf58.html
Text des Interim Agreement for Peace and Self-Government in Kosovo unter dem
URL
http://members.tripod.com/foreignaffairs/armillotta/kos_kla4.html
Internetseite der deutschen Friedensbewegung mit vielen Links unter
http://www.friedenskooperative.de/themen/inter-00.htm
Massenhaft Links zum Thema finden sich unter
http://staff-www.uni-marburg.de/~rillingr/serbien.htm
+++++ Eine Information des Darmstädter Friedensforum
E-mail: regina.hagen@jugendstil.da.shuttle.de
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13. April 1999