Bündnis 90/Die Grünen
Bundesvorstand
Antje Radcke, Sprecherin

E-Mail: buero.radcke@gruene.de
Internet: www.gruene.de

25. März 1999


Liebe Freundinnen und Freunde,

dies ist ein schwarzer Tag in meinem politischen Leben - ich bin sicher, daß es vielen von Euch ebenso ergeht. Wir, die wir uns immer vehement für eine zivile, friedliche Weltordnung eingesetzt haben, stehen nun vor dem Scherbenhaufen einer jahrzehntelang verfehlten Balkanpolitik. Ausgerechnet in der Situation, in der Grüne mitregieren, kommt es zum Krieg in Europa - zum ersten Mal seit dem Ende des 2. Weltkrieges ist Deutschland aktiv und ohne ein UN-Mandat an einem Angriffskrieg beteiligt. Die Frage, ob wir als Grüne diesen Krieg in der Regierung hätten verhindern können, treibt viele von uns um. Die politischen Weichenstellungen fanden aber bereits vor vielen Jahren statt - die Anerkennungspolitik des ehemaligen Außenministers Genscher war nur eine davon.

Nach dem Massaker von Racak gab es eine entscheidende Zäsur: Die USA beabsichtigte, sofort zu bombardieren; gerade Joschka Fischer setzte sich erfolgreich dafür ein, in einen Verhandlungsprozeß einzutreten. Auch wenn die Verhandlungen gescheitert sind: Ich finde es auch im Nachhinein richtig,
diesen Weg gegangen zu sein.

Die Verhandlungen standen von Beginn an unter einem "schlechten Stern": Die USA wollten die Verhandlungen zwischen NATO und Jugoslawien - dieses hätte aber ein Einbinden von Rußland von vornherein ausgeschlossen. Es war jedoch dringend notwendig, Rußland mit einzubeziehen. Deshalb mußte die Kontaktgruppe die Verhandlungen führen. Die USA waren dazu nur unter der Bedingung bereit, daß die Option auf Luftschläge der NATO aufrechterhalten wird.

Wir Grünen haben unsere Forderung nach Ausbau der Instrumente ziviler Konfliktprävention, nach einer politischen und finanziellen Stärkung der UNO, inklusive eigenständiger Einheiten zur Überwachung von Sanktionen, zur Konfliktmoderation und zur Durchführung friedenserhaltender Einsätze nach Kapitel VI UN-Charta nicht aufgegeben. Die Versäumnisse der Vergangenheit
haben dazu geführt, daß der internationalen Staatengemeinschaft kein wirksames Instrument zur Verfügung steht. Wir können uns der aktuellen Verantwortung für den Frieden in Europa aber nicht entziehen.

Niemand weiß zur Zeit., wie dieser Krieg ausgehen wird, es besteht eine reale Gefahr der weiteren Eskalation. Ich weiß aber, daß ich weiterhin dafür kämpfen werde, daß so etwas nie wieder passieren kann. Ich habe meinen Traum von einer friedlichen Welt nicht aufgegeben - dafür bin ich bei den Grünen eingetreten, dafür werde ich auch bei den Grünen bleiben.

Ich bitte Euch inständig, mit mir und allen anderen, die das gleiche Ziel haben, weiterzukämpfen -viele Menschen warten darauf, daß wir Grünen mit all unseren Verbündeten in der Friedensbewegung weiter an der Verwirklichung unseres Traums arbeiten.

Mit solidarischen Grüßen
Antje Radcke
Sprecherin