Uli Cremer
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Vorlage für das Treffen des Fachbereichs Außenpolitik
von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN am 17.4.99


Kritik am Fischer-Plan

Der von Außenminister Fischer vorgelegte Friedensplan ist kaum geeignet, den Krieg zu beenden, nicht nur weil er weder von den USA noch Rußland oder China unterstützt wird. Verglichen mit dem Vertragsentwurf von Rambouillet enthält der Plan im Grunde nichts Neues, die NATO-Position ändert sich nur marginal.

Kritisch an dem Fischer-Plan sind folgende Punkte:

1) Die UNO wird nicht wirklich als politisch handelnde Instanz angesehen und ins Spiel gebracht, sondern sie soll lediglich das Legimationsmäntelchen für ohnehin von der NATO vorgesehene Schritte und Aktivitäten liefern. Politische Haupt-Akteurin soll nunmehr die G-8 sein, die in ihrer Zusammensetzung keine wirklich neutrale Vermittlerin sein kann. Zu dominant sind in ihr mehrere am Konflikt beteiligte NATO-Mächte: die USA, D, GB und F. Nur Rußland, Kanada, Japan und vielleicht noch Italien wären zu einer neutralen Vermittlung in der Lage, weil sie in den Krieg bisher nicht direkt verwickelt sind.

2) Es wird ein UN-Mandat nach Kapitel VII der UN-Charta, also ein Kampfeinsatz, Friedenserzwingung ins Auge gefaßt. Zur Überwachung des Waffenstillstands bzw. eines Friedensprozesses wäre jedoch ein Einsatz nach Kapitel VI der UN-Charta sinnvoll, also einer, der mit Zustimmung aller Konfliktparteien erfolgt. Er könnte für alle Seiten akzeptabel sein. Friedenserzwingung ist aus militärischer Sicht immer dann nötig, wenn man den politischen Willen einer Seite brechen will, z.B. weil man eine Konfliktlösung auf Kosten einer Seite anstrebt und nicht die unterschiedlichen Interessen in einer Lösung ausbalanciert.

3) Die geplante Überwachungstruppe soll nur ein neues Label erhalten, denn in der Substanz bleibt sie eine NATO-Besatzungstruppe, der sich weitere Staaten anschließen können. In der Frage des Oberbefehls bleibt der Fischer-Plan vage, offensichtlich soll der Befehl bei der NATO und nicht bei der UNO angesiedelt sein. Darum handelt es sich um alten Wein in neuen Schläuchen. Zumindest die NATO-Staaten, die seit mehreren Wochen Krieg gegen Jugoslawien führen, scheiden für die Beteiligung an der Überwachung eines Friedensabkommens aus, da sie dem Gebot der Neutralität nicht entsprechen.

4) Die Parteilichkeit des Plans spiegelt sich auch darin wider, daß die beiden Bürgerkriegsparteien ungleich behandelt werden sollen:
- Die UCK soll lediglich die Feindseligkeiten einstellen.
- Die jugoslawischen Truppen sollen sich jedoch nicht nur in die Kasernen, sondern aus dem Konfliktgebiet zurückziehen.

5) Von eigenen Beiträgen der NATO bzw. Deutschlands zur Deeskalation des Konflikts ist gar keine Rede: NATO-Flugzeuge sollen nicht zurückverlegt werden. Die bereits in der Region stationierten NATO-Bodentruppen sollen nicht abgezogen, sondern offenbar sogar als "bewegliche Vorauskräfte" in den Kosovo verlegt werden. Die Bombenangriffe sollen nicht generell beendet, sondern nur unterbrochen werden. Das ist nicht mehr als von Serben vor dem serbisch-orthodoxen Osterfest praktiziert wurde: damals wurde die systematische Vertreibung der Kosovo-Albaner "unterbrochen".

6) Im Grunde lenkt der Plan einmal mehr von der eigenen Verantwortung der NATO für den Krieg und davon ab, daß die NATO den Krieg jederzeit selbst beenden kann, indem sie von dem politischen Ziel der bedingungslosen Kapitulation Jugoslawien ab- und ihre Militärflugzeuge einfach nicht mehr aufsteigen läßt. Nicht nur Belgrad kann den Konflikt beenden. Mit der Bibel könnte man die Bundesregierung fragen: "Was siehst Du aber den Splitter in Deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in Deinem Auge?" (Matthäus 7, 3)

7) Die Konstrukteure des Plans wollen nicht wahrhaben, daß Deutschland in dem Konflikt kriegführende Partei ist und darum als Vermittlerin z.Z. nicht in Frage kommt. Die Situation ändert sich qualitativ erst dann, wenn Deutschland einseitig aus der Kriegslogik aussteigt und die Beteiligung am NATO-Krieg suspendiert. Solange Deutschland selbst Krieg führt, kann es nicht glaubwürdig vermitteln. Es ist anzunehmen, daß das Scheitern des Planes wie üblich Jugoslawien in die Schuhe geschoben wird, und es ist zu befürchten, daß die gesamte politische Initiative am Ende dazu dient, die Akzeptanz für den Einsatz von Bodentruppen zu erhöhen, nach dem Motto "Wir haben alles versucht, nun müssen leider Truppen geschickt werden". So sieht man es auch in manchen deutschen Redaktionsstuben: "Der Plan, der jetzt auf allen internationalen Foren behandelt wird, als enthalte er grundlegend Neues, überrascht weder durch den Zeitpunkt seiner Entstehung, noch durch seine Herkunft. Nach mehreren Wochen des politisch ergebnislosen Bombardements Belgrads und der damit verbundenen Abkühlung des Verhältnisses zu Moskau blieb dem Westen gar nichts anderes übrig, als noch einmal eine diplomatische Großoffensive zu eröffnen, um zu bekunden, daß man Rußland nicht völlig ignoriere und den Konflikt mit Serbien auf ‚friedliche' Weise lösen wollen. Ohne den Nachweis, wie sehr sich der Westen den Frieden wünsche und den Krieg verabscheue, wäre die militärische Eskalation, die kaum mehr zu vermeiden ist, wenn Milosevic weiter auf Zerstörung und Selbstzerstörung setzt, nicht möglich." (FAZ 15.4.99)

Deswegen wird der Plan Deutschland nicht zur Friedensmacht machen und den Krieg nicht beenden helfen. Die Fortsetzung des Krieges wird aber die humanitäre Katastrophe vergrößern. Denn die Versorgung der Flüchtlinge im Kosovo ist praktisch unmöglich. Es ist zu befürchten, daß die systematische Vertreibung der kosovoalbanischen Bevölkerung durch Serben weiter geht und die Flüchtlinge nicht zurückkehren können. Die Mitverantwortung für diese absehbare Situation kann man der NATO und der deutschen Bundesregierung leider nicht abnehmen.


Hamburg, den 16.04.99