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Grüne Verbände
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16.04.99

Offener Brief zum Kosovo-Krieg

Liebe Grüne Mitglieder,
eine Gruppe Wiesbadener Grüne hat den anhängenden Offenen Brief an die Grünen Mandatsträger im Bund formuliert.

Wir haben in diversen Publikationen gelesen, daß Ihr wie wir gegen diesen Nato-Einsatz seid, bzw. eine Vorverlegung der BDK fordert, was uns auf eine kritische Haltung schließen läßt. Deshalb sprechen wir Euch auch an - aus organisatorischen und finanziellen Gründen nicht in einem persönlichen Anschreiben, sondern auf diesem Weg per email.

Wir bitten Euch sehr darum, in Euren Organisationen um Unterstützung für diesen offenen Brief zu werben und uns diese Unterstützung dann auch mitzuteilen.

Wie werden diesen Offenen Brief jetzt schon nach Bonn schicken, werden aber auch in regelmäßigen Abständen den jeweils aktuellen Stand weiterleiten, um unseren Forderungen Nachdruck zu verschaffen.
Dieser Brief und seine Unterstützung wird auch in den Medien publik gemacht - also je mehr sich anschließen, desto besser!

Nur breiter und massiver Widerstand wird helfen. Wir danken Euch für Eure Unterstützung.
Die Koordination läuft unter der angegebenen Adresse. Für Anregungen und Diskussionen stehen selbstverständlich alle gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Ursula Zehfuß
Anlagen


Offener Brief an: Joschka Fischer, Andrea Fischer, Jürgen Trittin,
Fraktion der Grünen im Bundestag - Grüner Bundesvorstand z. K.

Wir - Hessische Grüne Mitglieder gegen den Krieg - sind über die Katastrophe im Kosovo entsetzt.
Wir verkennen nicht das ethische Dilemma (und befinden uns selbst darin):

Einerseits zuzusehen wie weiter gemordet und vertrieben wird und andererseits der militärischen Intervention, bei der wir selbst zur Gewalt greifen!
Legalität - Legitimität - politischer Nutzen
Ihr habt dem Angriff der Nato auf ein Land zugestimmt, das die Nato nicht angegriffen hat.
Ihr habt den Verzicht auf ein UN-Mandat akzeptiert.
Ihr habt damit gegen bisher geltendes Völkerrecht verstoßen!
Die Legitimität des westlichen Handelns begründete sich bis dato auf den internationalen Regelungsanspruch der UNO; diesen beansprucht jetzt die Nato für sich.
Der politische Nutzen?
Womit begründet die Nato ihre Intervention?

1) Aufrechterhaltung ihrer Glaubwürdigkeit
2) Militärische Entmachtung Serbiens
3) Vermeidung einer humanitären Katastrophe

Sind Bomben dazu geeignet, diese Glaubwürdigkeit aufrechtzuerhalten?
Sind sie geeignet, Milosevic zur Annahme des Friedensplans von Rambouillet zu zwingen?
Die humanitäre Katastrophe ist dadurch nicht vermieden worden, der gewünschte Erfolg bleibt aus, das Massaker im Kosovo geht trotz der Bombardierung weiter!
Zusätzlich droht die Destabilisierung Mazedoniens, Albaniens und Montenegros durch die vielen Flüchtlinge; dieser Krieg könnte schon dadurch räumlich eskalieren.
Offensichtlich kann man Milosevic, - auch mit Bomben nicht - zwingen, gegen seine Interessen, Vertreibung und Massaker zu stoppen! Massaker und Vertreibung lassen sich auch mit "Kleinwaffen" (Gewehr, Messer, Keule) durchführen.

Ergibt sich daraus nicht zwingend der massive Kampfeinsatz mit Bodentruppen?
Die Vorbereitung würde Wochen dauern, derweil das blutige Geschäft des Milosevic längst erledigt sein könnte.
Die Kosten wären sehr hoch, eine Garantie für den Erfolg gibt es nicht. Auch westlichen Ländern fehlt bislang der Wille zum Einsatz.

Es wurde und wird von Euch nicht zu Ende gedacht, wie diese Dynamik der Kriegshandlungen unterbunden werden soll und kann.

Entschlossenheitsdilemma

Die aggressive Politik Milosevics dient einzig und allein seiner innenpolitischen Machtsicherung. Er ist zum Äußersten entschlossen - "Ich bin bereit über Leichen zu gehen "(Ludger Volmer: Krieg in Jugoslawien - Hintergründe einer grünen Entscheidung, 3. Absatz, Stand 26.3.99) - diese Macht zu erhalten.
Wollt Ihr mit gleicher Entschlossenheit dagegen halten?
Wenn ja hieße das die Vernichtung Serbiens - mit dem Preis einer unkalkulierbaren Eskalation dieses Krieges, der sich wie ein Flächenbrand ausbreiten könnte.
Könnt Ihr das mit Eurem Gewissen, vereinbaren?
Unsere Antwort darauf lautet: NEIN!

Ihr habt als gewählte Volksvertreter Verantwortung auch für uns und das in Eurem Amtseid auch geschworen.
Damit steht der kurzfristige Gewinner in diesem "Entschlossenheitsdilemma" von vorn-herein fest. Das ist, so bitter es auch ist, nur einer, nämlich Milosevic - und das weiß er auch - und weil er es weiß verhält er sich auch so!

Schlußfolgerung:

Unsere Mittel können nur politische sein!!!
Diese werden erst mittel- bis langfristig erfolgreich sein.
Kurzfristig gibt es nur die Möglichkeit die Not der Bevölkerung zu lindern.

Wir fordern deshalb:
Sofortiger Stopp der Kampfhandlungen
Ersetzen der EFOR-Soldaten in Mazedonien durch zivile Katastrophenhelfer so bald als möglich
Erwirkung eines Internationalen Haftbefehls gegen Milosevic wegen Völkermord
Festnahme und Überstellung an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag
Hilfe für die Flüchtlinge
- Humanitäre Soforthilfe
- Aufnahme von Flüchtlingen durch die EU- und NATO-Staaten
- Evakuierung

Da trotz der Bombardierung weiterhin massakriert wird, muß der Druck auf Restjugoslawien verstärkt werden, z. B. mit folgenden Maßnahmen:
- Verhängung einer strikten Blockade (keine zivile Luftfahrt, Schließung der Häfen, Kontrolle der Donau), die von allen Anrainerstaaten getragen werden muß
Parallel dazu müssen auf allen verfügbaren diplomatischen Kanälen Verhandlungen mit allen Konfliktparteien aufgenommen werden. Das Ziel muß sein das Kosten - Nutzen - Kalkül so zu beeinflussen, daß sich ein Waffenstillstand oder Frieden "rechnet". Dies kann beispielsweise finanzielle und logistische Hilfe für den friedlichen demokratischen Aufbau (ähnlich dem Marshallplan) sein.

Wir fordern alle Grünen Verbände, AGs etc. auf, sich diesem offenen Brief anzuschließen!

Thomas Ahlmeyer, Elisabeth Aporta, Karl Braun, Helga Brenneis, Christoph Deuter, Joan Dumitru, Martina Feldmayer, Norbert Fladung, Thorsten Fleckenstein, Axel Hagenmüller, Thomas Hofmann, Gabriele Holzmann, Erich Jasch, Erika Jülicher, Wilfried Jülicher, Hayri Kanat-Boehler, Marianne Laqueur, Gerhard Lebherz, Marianne Müller-Rohde-Widmer, Tilly-Charlotte Reinhardt, Doris Rolka-Hoffmann, Reiner Sauer, Peter Schleider, Michael Schmidt, Frank Schreiber, Ekkehard Schuller, Christine Schwab, Hans-Ulrich Tronecker, Bernd Wenger, Ursula Zehfuß
Wir schließen uns an: Fraktion der Grünen im Frankfurter Westen (OBR 6)