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Die Nato oder wir!
Keine Rückkehr zum politischen Tagesgeschäft!

Aufruf der Grünen Anti-Kriegs-Initiative Hessen

Hessische Grüne, die der Beteiligung Deutschlands an der NATO-Kriegsführung auf dem Balkan kritisch gegenüberstehen, erklären: Wir können im Europawahlkampf nicht mehr glaubwürdig um Stimmen für Bündnis 90 / DIE GRÜNEN werben. Solange dieser Krieg dauert, wird es mit uns keine Rückkehr zum politischen Tagesgeschäft geben!

1. Der totalitäre Nationalismus des Milosevic-Regimes und sein Vertreibungskrieg ge-gen die albanische Bevölkerungsmehrheit des Kosovo stellen die derzeit ernsteste Be-drohung für eine gesamteuropäische zivile und stabile Friedensordnung und damit für ein Europa des Friedens, der Solidarität und der nachhaltigen Entwicklung dar - also für die Ziele des Europa-wahl-programms von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN. Wir stehen für Widerstand gegen dieses Re-gime durch wirtschaftlichen Boykott und politische Äch-tung, durch Stärkung der demokratischen und bürgerrechtlichen Opposition in Serbien und allen Nachfolgerepubliken des ehemaligen Jugoslawiens, durch Stationierung einer UN-mandatierten internationalen Friedenstruppe im Kosovo, durch eine gleichberech-tigte politische und wirtschaftliche Kooperation aller Balkan-repu-bliken und massive Wiederaufbauhilfe der Europäischen Union.

2. Der derzeitige Luftkrieg der NATO gegen Jugoslawien und die Vorbereitungen zu ei-ner In-tervention von NATO-Bodentruppen setzen die albanische Bevölkerung des Ko-sovo unge-schützt der Vertreibung durch die Soldateska Milosevics aus, stabilisieren das autoritär-nationalistische Regime, lähmen die Oppositions-kräfte der serbischen Ge-sellschaft und tref-fen immer mehr zivile Opfer auf allen Seiten. Zu den politischen "Be-gleitschäden" des unerklärten Kriegs gehören die Verletzung des internationalen Völ-kerrechts und deutschen Rechts, die Aushöhlung des angestrebten UN-Gewaltmonopols und die Blockade der von uns geforderten UNO-Reform sowie die Schwächung europäischer Systeme kollektiver Sicher-heit, vor allem der OSZE. Der Kriegsverlauf widerlegt die Behauptung der beteiligten Regie-rungen, eine an den Men-schenrechten orientierte Lösung des Kosovo-Konflikts könne mit kriegerischen Mitteln erreicht werden. Auch der Krieg, den die Bundesrepublik im Rahmen der NATO auf dem Balkan führt, läßt eine gesamteuropäische zivile und stabile Friedensord-nung in weite Ferne rücken. Er ist mit dem Buchstaben und dem Geist des bündnisgrünen Eu-ropawahlprogramms unvereinbar.

3. Daß sich Gerhard Schröder und Joschka Fischer im Oktober 1998 für eine Beteili-gung Deutsch-lands an Kriegshandlungen gegen Jugoslawien entschieden und 54 Jahre nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht wieder deutsche Soldaten ohne UN-Mandat in Kriegshandlungen auf dem Balkan geführt haben, markiert eine historische Zäsur für die Ber-liner Republik wie für Bündnis 90 / DIE GRÜNEN. Die grünen Regierungsmitglieder und die Mehrheit der Bundestagsfraktion haben an einem Wende-punkt deutscher Geschichte das Ziel einer eigenständigen und zivilen deutschen Außenpolitik auf dem Altar der NATO-Bündni-streue und militärischer Eskalationslogik geopfert. Das in 18 Jahren gewachsene Ver-trauen in Bündnis 90 / DIE GRÜNEN als friedenspolitisches Bollwerk gegen eine Remilita-risierung deutscher Politik wurde in den vergangenen acht Wochen zerstört und kann viel-leicht nie wieder zurückgewonnen werden.

4. Der Mehrheitsbeschluß der Bielefelder BDK vom 13. Mai 1999 versucht den Kriegs-kurs der rot-grünen Bundesregierung nachträglich zu legitimieren und gleichzeitig den allseits wach-senden Zweifeln an der von den USA diktierten NATO-Kriegsführung Aus-druck zu ver-lei-hen. Zwei von fünf Delegierten haben darauf beharrt, daß die Forderung nach einer be-fristeten Feuerpause aus friedenspolitischer Sicht unge-nügend ist. Nach unserem Verständnis läßt die Bielefelder BDK den Regierungsmitgliedern und der Bundestagsfraktion von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN nach der Beschlußlage und angesichts des knappen Abstimmungsergebnisses keineswegs freie Hand. Das Regierungshandeln nach der BDK macht jedoch deutlich, daß die Bielefelder Beschlüsse sowohl vom Koaliti-onspartner als auch vom grünen Außenminister genau so verstanden werden, und daß diese Regierung keine ernsthafte Schritte zur geforderten Unter-brechung der Angriffe unternehmen will. Da die Bundestagsfraktion sich offenbar nicht an den Auftrag der BDK gebunden fühlt, diese Forderung im Deutschen Bundestag und gegenüber dem Koalitionspartner mit Nachdruck zu vertreten, haben auch die Gegner der NATO-Kriegspolitik jedes Recht, innerhalb und außerhalb der Partei mit Nachdruck für ein Ende der perspektivlosen Doppelstrategie von Krieg und Diplomatie einzutreten.

5. Für viele von uns ist die weitere Mitarbeit bei den Grünen unter diesen Bedingungen unmög-lich geworden. Seit Beginn dieses Krieges und verstärkt in den Tagen nach Bie-lefeld verlas-sen uns Mit-streiterinnen und Mitstreiter, die mit ihrer Arbeit, ihren Überzeu-gungen und ihrer moralischen Kraft einen guten Teil der Identität unserer Partei verkör-pern. Ohne sie droht diese Partei zu einem opportunistischen, regierungsfrommen und leblosen Wahlverein zu werden, dem mit dem Wunsch nach gesellschaftlicher Verände-rung auch die Kraft dazu ab-handen gekommen ist.

6. Weder wollen wir diese Entwicklungen kampflos hinnehmen, noch können wir zum poli-ti-schen Alltagsgeschäft zurückkehren, während Deutschland die alte Sekundärtu-gend der Bündnistreue demonstriert und in diesen Krieg verwickelt bleibt.
Bis die NATO ihre konfliktverschärfenden Kampfhandlungen gegen Jugoslawien ein-stellt oder die Bundesregierung wenigstens ihre Beteiligung daran beendet, sehen wir uns außer-stande, im Europawahlkampf glaubwürdig um Stimmen für Bündnis 90 / DIE GRÜNEN zu werben. Bis die NATO-Luftangriffe beendet werden, setzen wir daher un-sere Mitarbeit bei Bündnis 90 / DIE GRÜNEN aus. Vielmehr wollen wir unsere politische Arbeit dar-auf ausrichten, gleichermaßen mit Kräften innerhalb und außerhalb der Partei Widerstand gegen den Kriegskurs der Bundesregierung zu organisieren und zivile und humanitäre Inter-ventionen zugunsten der Kriegsopfer, allen voran der Vertriebenen aus dem Kosovo, zu un-terstützen. Von der Bereitschaft der grünen Regierungsmitglieder, der grünen Bundes-tagsfraktion und des Bundesvorstands, in den nächsten Wochen der Logik des Krieges eine Absage zu erteilen, machen wir es abhängig, ob wir künftig innerhalb oder außerhalb der Partei unseren politischen Ort haben.

7. Im einzelnen bedeutet die Aussetzung unserer Mitarbeit bei Bündnis 90 / DIE GRÜNEN:
· Wir werden keine Veranstaltungen organisieren, keine Plakate kleben und keine In-forma-tionsstände besetzen, die nicht eindeutig gegen die Kriegspolitik der Bundesre-gierung ste-hen oder wenigstens für eine Feuerpause eintreten.
· Wir werden unsere organisatorische Arbeit in den Orts- und Kreisverbänden, in den Landes-arbeitsgemeinschaften und im Landesverband unterbrechen, soweit sie nicht dem Wider-stand gegen die Kriegspolitik und konkreter Hilfe für deren Opfer dient.
· Wir werden die Zahlung unserer Mitgliedsbeiträge und sonstigen Abführungen aus-setzen und entsprechend den örtli-chen Gegebenheiten eigenverantwortlich für diese Ziele umwidmen.

Gemeinsam mit anderen, die innerhalb und außerhalb von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN in Opposition zur Kriegspolitik der Bundesregierung stehen, wollen wir uns in den näch-sten Wochen über ein bundesweit koordiniertes Vorgehen beraten.

Wir fordern alle Basismitglieder, FunktionsträgerInnen, Abgeordnete und alle Orts-, Kreisverbände und Fraktionen dazu auf, diesen Aufruf durch ihr Handeln und ihr öffentliches Bekenntnis zu unterstützen.


Erstunterzeichnerinnen und Erstunterzeichner:

Peter Bartelheimer, KV Frankfurt; Nadia vom Scheidt, Bundesparteiratsmitglied, KV Gießen; Jens Scheller, Kreistagsfraktionssprecher, KV Hochtaunus; Wolfgang Strengmann, KV Frankfurt; Maja Werner, Stadträtin, Griesheim, (KV Darmstadt-Dieburg); Nathalie Hahn, Asta-Vorsitzende Uni Frankfurt; Kurt Kreß; Niklas Hartmann; Matthias Naumann; Helmut Seuf-fert, Ortsbeiratsmitglied; Sonja Zeller (alle KV Frankfurt); Rainer Epp; Walter Hastler; Ute Rebold, Stadtverordnete, Fulda; Günther Seegel, Fraktionssprecher Hünfeld (alle KV Fulda); Karin Fischer, Kreistagsabgeordnete (KV Groß-Gerau); Tom Kronenberg, Stadtvorstandsmit-glied Gießen; Alexander Renner; Sigrid Schieber, Stadtvorstandsmitglied Gießen (alle KV Gießen); Uschi Wichmann, Parteiratsmitglied (KV Hersfeld-Rothenburg); Harald Böttger, 1. Stadtrat, Steinbach/Ts; Sabine Häuser-Eltgen, Kreistagsabgeordnete; Andrea Kleemann, Kreistagsabgeordnete; Heike Knodt-Hassanien, Kreistagsfraktionssprecherin; Heinrich Kö-ding, Kreistagsabgeordneter; Markus Mezger, Kreistagsabgeordneter ;Sonja Paulsen, Kreis-tagsabgeordnete ; Käthe Springer, stv. Kreistagsvorsitzende (alle KV Hochtaunus); Ingrid Beck-Jung, Kreistagsabgeordnete; Dr. Judith Eidt-Werner, Stadtverordnete, Limburg; Ralf Hannebohm; Senta Seip; Leo Vanecek, Stadtverordneter, Limburg; Ulrich Maria Werner, Stadtrat, Limburg; Marie-Louise Winter (alle KV Limburg-Weilburg); Jochen Dohn, Kreisvor-standsmitglied; Peter Koch (alle KV Main-Kinzig); Andreas Keller (KV Marburg-Biedenkopf); Angelika Kern (KV Offenbach-Land); Cornelia Bothe, Parteiratsmitglied (KV Vogelsberg); Gertrud Amrein, Kreistagsabgeordnete; Gerhard Salz, Stadtverordneter, Florstadt (alle KV Wetterau).
Ehemalige Mitglieder: Horst Andes, stv. Stadtverordnetenvorsteher, Maintal; Carsten See-feldt, Bad Vilbel.
Jenseits der Landesgrenzen: Daniela Böhle, KV Bonn; Heiko Glawe, KV Salzgitter/KV Mar-burg; Krystyna Grendus, KV Hardt; Ralf Henze, KV Rendsburg-Eckernförde; Sascha Vallen, (KV Mönchengladbach).

Weitere Unterstützung wenn möglich an:
Jens.Scheller@em.uni-frankfurt.de; strengmann@wiwi.uni-frankfurt.de oder per Fax (06172/969642) an Jens Scheller, Saalburgstr. 13, 61350 Bad Homburg