21.4.1999
Liebe Antje Radtke,
liebe Kerstin Müller,
lieber Rezzo Schlauch,
im Radio haben wir soeben gehört, daß die FDP Bundestagsfraktion
vom Bundeskanzler die Entlassung von Gila Altmann als parlamentarische Staatssekretärin
fordern will. Darüber soll es eine namentliche Abstimmung im Bundestag
geben. Wir gehen davon aus, daß Ihr wie wir der Ansicht seid, daß
dieser Antrag von den Grünen im Bundestag einmütig zurückgewiesen
werden muß. Ihr werdet aber sicher auch verstehen, daß wir nach
den Ereignissen der letzten Wochen Zweifel daran haben, ob all das, was wir
bislang in unserer Partei für selbstverständlich hielten, tatsächlich
so selbstverständlich ist. Deshalb schreiben wir Euch und wollen Euch auf
folgendes hinweisen:
In dem Programm zur Bundestagswahl 1998 heißt es: "Kampfeinsätze
lehnen wir ab"
In dem Koalitionsvertrag heißt es sinngemäß, deutsche Außenpolitik
sei Friedenspolitik und der Einsatz der Bundeswehr komme nur in Übereinstimmung
mit der Charta der Vereinten Nationen in Frage, auf dem Parteitag in Erfurt
wurde einem Einsatz der Bundeswehr nach Unterzeichnung eines Friedensabkommens
durch die Konfliktparteien zugestimmt.
Gila Altmann hat - im Unterschied zu Euch - nichts anderes gemacht, als an diesen Positionen festzuhalten, den Positionen, für die wir Wahlkampf gemacht haben und für die ihr gewählt wurdet. Die Haltung von Gila Altmann hat deshalb unsere volle Sympathie. Wir danken ihr deshalb für die Unterstützung der grünen Anti-Kriegs-Initiative. Dieser Schritt war mutig, mutiger jedenfalls als manch anderes, was wir in letzter Zeit aus Bonn hören mußten.
Ihr habe selbst mehrfach in der Öffentlichkeit erklärt, wie zerrissen unsere Partei in der Frage der NATO Angriffe auf Jugoslawien ist; wie zerrissen jede/r Einzelne von uns ist. Gilas Stellungnahme hat dies nachdrücklich bestätigt. Wir vermögen nicht zu erkennen, daß es innerhalb einer Bundesregierung nicht auch unterschiedliche Auffassungen geben kann. Die FDP-Minister haben dieses Recht in den vergangenen Jahren oft genug für sich in Anspruch genommen. Es ist deshalb in besonderem Maße absurd, wenn diese Damen und Herren heute die Äußerungen von Gila Altmann zum Anlaß nehmen ihren Rücktritt zu fordern. Ausnahmsweise können wir deshalb den Mitgliedern der Bundesregierung empfehlen, sich insoweit das Verhalten der Minister Kinkel und Co. zum Vorbild zu nehmen und den eigenen Standpunkt offensiv in der Öffentlichkeit zu vertreten.
Es wäre verhängnisvoll, wenn der Vorstoß der FDP innerhalb der grünen Bundestagsfraktion irgendein positives Echo fände. Es entstünde der Eindruck, die Grünen gingen dazu über sich selbst zu zerfleischen.
Deshalb wollen wir Euch eindringlich bitten, dafür Sorge zu tragen, daß sämtliche Mitglieder unserer Bundestagsfraktion anwesend sind und diesen Antrag ablehnen.
Mit freundlichen Grüßen
für den Kreisvorstand
Wilhelm Achelpöhler
P.S.: Wir haben in dem Beschluß unserer Mitgliederversammlung vom 16.4. erklärt, auch diejenigen, die die NATO-Luftangriffe mit tragen verdienten unseren Respekt, es sei nicht unsere Intention grüne Regierungsmitglieder zu diskreditieren. Es wäre tragisch, wenn die Bundestagsfraktion dies jetzt übernehmen würde.
Wilhelm Achelpöhler
Staufenstraße 39
48145 Münster