Wolfgang Hoeschele
Assistant Professor of Geography
Division of Social Science
Truman State University
Missouri, USA
Der Krieg im Kosovo war verloren, bevor der erste Bomber der NATO vom Boden
abhob. Die Strategie war von vorneherein falsch. Kein weiterer Gewaltansatz
kann etwas daran aendern. Deshalb, und nicht aus Gruenden des
Pazifismus befuerworte ich einen sofortigen Abzug der NATO-Streitkraefte aus
dem Kosovo.
Die Falschheit der Strategie. Milosevic liess sich nicht von Bombendrohungen
beeindrucken - genausowenig wie Saddam Hussein. Das hat seine Gruende: mit Bombardierung
allein laesst sich ein Territorium nicht einnehmen. Bombardierungen koennen
keine Menschenrechtsverletzungen verhindern. Und Milosevic, als Machtpolitiker,
versteht die Schwachpunkte der NATO genau, als da sind, Angst vor dem Verlust
eigener Soldaten (im Krieg ist das eine grosse Schwaeche), und uebermaessiges
Vertrauen auf Hochtechnologie (die wie jede Technologie nur fuer bestimmte Zwecke
geeignet ist). Sich auf
Bombendrohungen zu verlassen, war daher falsch. Entweder man lehnt den Krieg
ab - dann soll man die Drohungen bleiben lassen. Oder aber man akzeptiert den
Krieg - dann soll man Drohungen aussprechen, die wirklich bedrohlich sind, und
die notwendigen Truppen dazu mobilisieren. Dazwischen geht nicht. Das ist, was
wir jetzt vor uns sehen. Wir sehen den schrecklichen Menschenrechtsverletzungen
der serbischen Fuehrung zu (denn die Bomben veraendern daran nichts), und setzen
dann unsere Bomben obendrauf. Groessere menschliche Idiotie kann es ja wohl
kaum geben. Ein verspaeteter Einsatz von Bodentruppen wird daran auch nichts
mehr aendern, denn dadurch wird niemand vom Tode auferweckt, und zerstoerte
Existenzen werden nicht wiederaufgerichtet.
Der kontinuierliche Einsatz der NATO im Kosovo setzt mit jedem Tag mehr aufs Spiel, wie z.B. die Stabilitaet Mazedoniens und Montenegros. Wenn dort Umstuerze passieren, geht das mindestens so sehr auf das Konto der NATO wie auf das des Milosevic. Deshalb: um noch groesseres Unheil zu verhueten, sollten die Bombardierungen sofort eingestellt werden.
Lehren fuer Diktatoren
Zukuenftige Diktatoren, die gegen NATO und USA feindlich gesinnt sind, koennen
aus den Kriegen im Kosovo und im Irak sehr nuetzliche Lehren ziehen. Wir sollten
diese Lehren kennen. Also z.B.:Militaerische Verwundbarkeit reduzieren
Die NATO kann ihre Einsaetze in anderen Laendern, die kein fremdes Territorium
angegriffen haben, nur mit Hinweis auf die humanitaere Lage begruenden. Dies
bedeutet aber auch, dass die NATO sich an humanitaere Vorlagen halten muss,
und es also nach Moeglichkeit vermeiden muss, zivile Ziele zu treffen. Die beste
defensive Strategie besteht folglich darin,
militaerische Ziele durch Naehe zu zivilen Zielen zu schuetzen. Dazu gehoeren
gemischt zivile und militaerische Einrichtungen (etwa im Falle von Buerozentralen),
militaerische Einrichtungen in der Naehe von Wohngebieten, Krankenhaeusern und
dergleichen, und militaerische Einrichtungen, die moeglichst aehnlich aussehen
wie in der Naehe gelegene zivile Einrichtungen.
Die ausschliessliche Nutzung von Marschflugkoerpern und hochtechnologischen
Bombern seitens der NATO fuehrt zu einer besonderen Achillesferse: Kampfeinsaetze
bei Nebel oder unter Wolkendecke werden sehr schwierig. Militaerische Ziele
koennten infolgedessen mit Absicht in besonders nebelreiche Gegenden verlegt
werden, und maximale Provokation auf
die regnerischste Jahreszeit verlegt werden. Wenn Diktatoren solche Regeln beachten,
koennen sie aus diesem Krieg
genau lernen, wie sie der NATO erfolgreich auf der Nase herumtanzen koennen.
Dieser Krieg hat deshalb, genau wie der Krieg gegen Saddam, keinerlei abschreckende
Wirkung gegenueber zukuenftigen Diktatoren. Desweiteren ist es natuerlich zu
beruecksichtigen, dass viele Diktatoren und Menschenrechtsverletzer international
unbeachtet bleiben - solange sie sich gegenueber den USA loyal verhalten. Die
Liste ist lang - zu lang um sie hier aufzufuehren, inklusive einiger netter
Herren, die
friedlich in ihren Betten verstarben, und mancher, die nach unheimlichen Opfern
aus der Macht vertrieben wurden. Man siehe sich nur an, was gerade in Ost Timor
vor sich geht. Eine weitere Lehre fuer Diktatoren ist also, dass sie alle Menschenrechte
unbehindert verletzen koennen, solange sie das Recht der Konzerne aus den Industrielaendern
nicht antasten, moeglichst
grosse Profite aus dem Lande zu ziehen.
Foerdert dieser Einsatz der NATO also die Beachtung der Menschenrechte? Nein.
Was nun?
Im aktuellen Konflikt gibt es leider keinen Rat, als sich sofort aus den Kampfhandlungen
herauszuziehen, und sich dann auf langwierige Verhandlungen einzulassen. Man
denke in Jahrzehnten. Unterdessen sollten die albanischen Fluechtlinge in den
NATO-Staaten aufgenommen werden. Die Hoffnung auf eine schnelle Beendigung des
Konflikts kann man fahren lassen -
wie im Falle Palaestinas, Nordirlands, und diverser anderer schwelender Konflikte.
Der Schaden ist schon angerichtet worden, durch Milosevic und NATO zusammen.
Als laengerfristige Politik, empfiehlt sich eine zweigleisige Politik: 1.
Demokratische Laender tatkraeftig unterstuetzen, durch konstruktivere Aktivitaeten
als "Strukturanpassung." Jedes Land, von Grossbrittanien bis Suedkorea,
hat seine Industrie nur mit massiver politischer Unterstuetzung aufbauen koennen,
sowie unter Verletzung der meisten Freihandelsmaximen. Das sollte endlich anerkannt
werden. Von daher muss es den sich industrialisierenden Laendern erlaubt werden,
ihre Maerkte einigermassen zu schuetzen, und so ihre Industrie aufzubauen. Die
Industrielaender muessen auch bereit sein, etwas hoehere Preise fuer diverse
Produkte zu bezahlen (z.B., Textilien, Holz), wenn diese von ansteandig entlohnten
Arbeitern produziert werden, ohne Rohstoffe unverantwortlich zu dezimieren.
Nur so koennen Laender in Asien, Lateinamerika oder Afrika konkurrieren, und
dabei gleichzeitig freie Gewerkschaften erlauben, Regenwaelder nachhaltig nutzen,
usw. Ich muss zugeben, dies ist eine utopische Vorgabe. Nur sollten die Gruenen
absolut klar machen, dass alles, was dieser Vorgabe nicht
entspricht, purer Hohn ist.
2. Auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam machen, woimmer sie passieren.
Mit Sanktionen kann man jedoch auf diese Menschenrechtsverletzungen wenig Einfluss
nehmen - wie der Fall Iraks taeglich vorfuehrt. Aber wenigstens braucht man
sie nicht noch zu unterstuetzen! Dass heisst z.B., Waffenlieferungen an die
betreffenden Laender absolut zu stoppen (von Pistolen angefangen), Handelsbeziehungen
nicht zu foerdern (die Unternehmen
sollen alleine agieren, ohne Unterstuetzung etwa der Bundesregierung), Entwicklungshilfe
nur an spezielle Projekte zu senden, die offensichtlich den Menschen helfen,
und nicht zweckgebundene finanzielle Unterstuetzung einzustellen. Die aktiver
betriebene Handels- und Entwicklungspolitik kann dann auf solche Laender gebuendelt
werden, die mehr oder weniger
demokratisch regiert werden und wo massive Verletzungen der Menschenrechte selten
oder gar nicht passieren. Solche Laender gibt es unter den weniger industrialisierten
Laendern der Welt genug. Ich nenne z.B. Indien, dass eine erfolgreichere Entwicklung
der Demokratie erlebt hat, als die Industrielaender Deutschland oder Italien
(denn hat Indien einen Weltkrieg
angezettelt und Voelkermord betrieben?).
Diese beiden Vorgaben wuerden, wenn sie entgegen aller Tendenzen eingesetzt wuerden, keine revolutionaere Umwandlung der Welt herbeifuehren. Eine solche waere nach tausenden Jahren des Krieges und anderen Elends, dass Menschen anderen Menschen zufuegen, auch kaum zu erwarten. Solange es Menschen gibt, wird es auch Verbrechen aller Art geben. Aber zumindestens sollten wir so wenig wie moeglich zu dem ganzen Elend und Verbrechen beitragen, und uns offen eingestehen, wenn unsere Taten das Elend vergroessern, statt es zu verkleinern. Das ist doch hoffentlich ein Primat gruener Politik?
Also waer mein Rat an die Gruenen: die Fehler der NATO-Strategie eingestehen, selbst wenn das den Bruch der Koalition mit der SPD bedeutet. Dann kann man an Loesungen arbeiten, immer im Bewusstsein, dass es eine Sisyphusarbeit ist, die nie im Leben ein Ende nehmen wird. Nur wenn man trotz dieses Bewusstseins weitermachen kann, besteht ein Fuenkchen Hoffnung auf Erfolg.
Wolfgang Hoeschele
Assistant Professor of Geography
Division of Social Science
Truman State University
Missouri, USA
Leider vergroessert die NATO im Moment das Elend