Volker Hartenstein
(Umwelt- und energiepolitischer Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bayerischen Landtag)




Redebeitrag im bayerischen Landtag | Pressemitteilung | offener Brief






Plenarsitzung 20.04.99, Regierungserklärung zum Krieg auf dem Balkan

Redebeitrag: Volker Hartenstein (Umwelt- und energiepolitischer Sprecher
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bayerischen Landtag)

Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Redebeitrag spiegelt nicht die Mehrheitsposition der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wider!

Anrede

Seit nunmehr fast vier Wochen versuchen Mitgliedsstaaten der Nato - darunter die Bundesrepublik Deutschland - mit Luftangriffen auf Ziele in Serbien, Kosovo und Montenegro der grausamen ethnischen Säuberungspolitik des Diktators
Slobodan Milosevic ein Ende zu bereiten. Wie selbst für jeden kritischen Laien vorab erwartbar, ohne die versprochenen Wirkungen.

Im Gegenteil: Unterdrückung, Vergewaltigung, Vertreibung, Morde und auch unbeabsichtigte Tötungen haben im selben Zeitraum in einem Maße zugenommen, das m.E. von niemandem verantwortet werden kann. Und eine schnelle militärische Lösung ist auch weiterhin nicht in Sicht. Doch selbst hinter der Hoffnung, Milosevic durch monatelange Bombardements oder den Einsatz von
Bodentruppen in die Knie zu zwingen, stehen viele Fragezeichen. Wenn das überhaupt gelingen kann, um welchen Preis wohl, muß man fragen.

• Zum Preis des Todes, der Verletzung und psychischen Beschädigung Tausender unschuldiger Menschen auf allen Seiten,
• zum Preis des unendlich tiefen Hasses zwischen den Menschen der verschiedenen Völker,
• zum Preis der völligen Zerstörung weiter Landstriche auf dem Balkan.

Nein, meine Damen und Herren, der platzgreifenden Eigendynamik des entfachten Krieges muß Einhalt geboten werden, jetzt und nicht erst in einigen Tagen, Wochen oder Monaten, aus humanitären Gründen, um über die internationalen
Hilfsdienste den geschundenen Menschen auf dem Balkan primär schnellstmögliche Betreuung zuteil werden lassen zu können.

Jede weitere Stunde dieses sinnlosen Krieges verschärft das Morden und Flüchtlingselend, jede weitere Stunde dieses sinnlosen Krieges trägt nur dazu bei, dass das Ziel eines dauerhaften friedvollen Zusammenlebens der betroffenen Völker in immer weitere Ferne rückt. Wer das nicht will, wer ferner auch das serbische Volk von den fürchterlichen Erlebnissen eines Dauerbombardements befreien möchte, muß jetzt den ersten Schritt in Richtung Wiederaufnahme von Verhandlungen gehen. Der
Schlüssel hierfür liegt in einer sofortigen, bedingungslosen Einstellung aller Luftschläge gegen militärische und Infrastrukturziele auf dem gesamten Balkan.

Ich weiß, dass die kriegsführenden Mitglieder des Natopaktes befürchten, einen Bedeutungsverlust hinnehmen zu müssen. Doch was bedeutet das schon, wenn die Alternative nur heißen kann, Leben tausendfach dem Tod preis zu geben.

Ich möchte Sie deshalb bitten, Ihren Einfluß auf allen politischen Ebenen für das schnellstmögliche Erreichen folgender Ziele geltend zu machen:

• (Sofortige) Einstellung aller Luftangriffe seitens der Nato;
• Verzicht auf den Einsatz von Bodentruppen
• Aufnahme von Verhandlungen zwischen den Vereinten Nationen und der serbischen Regierung mit dem primären Ziel des sofortigen Rückzugs der mordenden paramilitärischen und militärischen Einheiten aus dem Kosovo;
• Unterstützung durch die OSZE und andere weltweit anerkannte Vermittler
• Aufnahme von Verhandlungen zwischen den Internationalen Hilfsdiensten und der serbischen Regierung über die Sicherstellung der Ernährung und medizinischen Versorgung der notleidenden Bevölkerung im Kosovo und in Rest-Jugoslawien
• Aufnahme von Verhandlungen zwischen den Vereinten Nationen und der UCK mit dem Ziel der (sofortigen) Beendigung aller Kampfhandlungen
• Rückzug aller militärischen und paramilitärischen Streitkräfte Serbiens aus Kosovo
• Durchführung umfassender humanitärer Hilfsmaßnahmen auf dem Balkan
• Erarbeitung eines Kosovo-Friedensplanes durch die Vereinten Nationen während einer sofort einzuberufenden Konferenz; Verabschiedung einer entsprechenden Resolution
• Vorübergehende Stationierung von UN-Truppen in Kosovo aus Ländern, die nicht militärisch in den Krieg involviert sind - unter besonderer Beteiligung Rußlands
• Einleitung der Flüchtlingsrückkehr nach Kosovo;
• Beginn des Wiederaufbaus mit internationaler Hilfe
• Einsetzung einer europäischen Dauerkonferenz „Sicherheit und Zusammenarbeit auf dem Balkan"
• Ablösung des UN-Truppenkontingents durch neu zu bildende UN-Friedensbrigaden
• Erarbeitung von Waffenrückkaufprogrammen
• Bildung von Pakten der Gewaltfreiheit auf lokalen Ebenen

Die Menschen auf dem Balkan haben ein Recht auf Frieden!

20. April 1999 gez. Volker Hartenstein



P R E S S E M I T T E I L U N G
Mit der Bitte um Veröffentlichung

Krieg auf dem Balkan
MdL Volker Hartenstein:
Verantwortliche Politiker und Militärs haben versagt!

München/Würzburg (06.4.99). Als „für die Betroffenen unerträglich" bezeichnet der unterfränkische Landtagsabgeordnete Volker Hartenstein (Ochsenfurt) die Entwicklung des Krieges auf dem Balkan. „Wozu die serbische Führung mit
ihren Vasallen fähig ist, wissen wir spätestens seit dem Krieg in Bosnien, zu massenhafter Vertreibung und entsetzlichen Morden an unschuldigen Menschen. Wozu führende Politiker der USA und der Europäischen Union sowie Militärs der Nato fähig sind, wissen wir spätestens seit 14 Tagen, zu krassen Fehleinschätzungen und -entscheidungen mit verheerenden Folgen.

Für den Landtagsabgeordneten steht fest: „Die Frage darf jetzt nicht lauten, wer in diesem sinnlosen Krieg mit welchem Schritt sein Gesicht verlieren würde, die entscheidende Frage muß vielmehr die sein, wie die Kampfhandlungen beendet und
das unsägliche Leid gelindert werden können." Nur ein sofortiger Waffenstillstand und die nachfolgende Aufnahme von Verhandlungen können nach Hartensteins Auffassung noch zielführend sein. Den Vereinten Nationen und der
russischen Regierung, die sich noch immer ernsthaft um die Erhaltung desWeltfriedens bemüht, sollten dabei führende Vermittlerrollen zukommen.

Der Politiker hält nicht mit weiterer Kritik zurück: „Die rot-grüne Regierungskoalition in Bonn hat sich in einer schweren Stunde als Mitläufer, statt als kritisches, umsichtiges Natomitglied erwiesen. So wurden mit der Beteiligung am Krieg gegen Serbien der Bruch des Völkerrechts und eine Verletzung des Grundgesetzes aus sogenannten „humanitären Gründen" billigend in Kauf genommen." Eine „humanitas" in Form von Raketen jedoch, könne es - so Volker Hartenstein - wie das fürchterliche Geschehen auf dem Balkan zeige, niemals geben."

gez. Volker Hartenstein









Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
im Bundestag
Fax:0228/1646552

Bitte an alle Mitglieder verteilen!


29. März
1999
Offener Brief
Krieg auf dem Balkan

Liebe Freundinnen und Freunde,

in tiefer Sorge erlaube ich mir, einen eindringlichen Appell an diejenigen von Euch zu richten, die die militärischen Einsätze in Jugoslawien bislang unterstützt haben:

Laßt ab von dem Irrweg, die Probleme auf dem Balkan mit Waffengewalt lösen zu wollen. Kehrt zurück zu den Idealen grüner Politik, setzt Euch mit allen zur Verfügung stehenden politischen Mitteln dafür ein, dass das grausame Töten unschuldiger Menschen (auf allen Seiten) sofort ein Ende findet. Nur Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien - auch wenn sie noch so
schwierig erscheinen mögen - beinhalten den Funken einer Hoffnung auf eine dauerhaft friedliche Lösung.

Der Angriff der Nato auf Jugoslawien

• verstößt in eklatanter Weise gegen geltendes Völkerrecht,
• beschleunigt und verstärkt das furchtbare Morden im Kosovo,
• nimmt viele unschuldige Tote in Restjugoslawien in Kauf,
• läßt in weiten Bereichen der ärmsten Länder Europas verbrannte Erde zurück und
• beschwört die Gefahr eines Dritten Weltkrieges mit verheerenden Folgen für Gesamteuropa herauf.

Ich bitte Euch inständig, Eure Position zu überprüfen. Einen Irrtum einzugestehen und Korrekturen vorzunehmen, ist nicht verwerflich, sondern zeugt eher von Größe. Wer denn anders als die Grünen sollten in dieser Stunde Mahner sein?

Meine weitere Mitgliedschaft (seit 1980) in BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mache ich von Eurer Haltung abhängig. Sollte der aus meiner Sicht fatale Kurs beibehalten werden, sehe ich für mich keine andere Möglichkeit mehr, als die Partei zu verlassen.

In der Hoffnung auf eine Wende zum Frieden hin

grüße ich Euch herzlich

Volker Hartenstein
Umwelt- und energiepolitischer Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN im
Bayerischen Landtag
Stv. Vorsitzender der Ausschusses für Landesentwicklung und Umweltfragen

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Volker Hartenstein
Umwelt- und energiepolitischer Sprecher der Fraktion BUENDNIS 90/DIE
GRUENEN im
Bayerischen Landtag
Stv. Vorsitzender des Ausschusses fuer Landesentwicklung und Umweltfragen
Rosshirtstr. 11, 97199 Ochsenfurt, Tel.: 09331/2825, Fax: ~/803189
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Maximilianeum, 81627 Muenchen, Tel.: 089/4126-2414, Fax: ~/1494 Volker.Hartenstein@bayern-landtag.de
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