Liebe GrünAktive,
in unserer Auseinandersetzung über den Krieg gegen Serbien/Jugoslawien spielen bisher die Menschenrechte, die es zu schützen gilt, eine herausragende Rolle. Grüne mit einem eher bellizistischen Ansatz untermauern ihre Position in ähnlicher Weise mit ihrem Eintreten für die Menschenrechte wie Grüne, die einen eher pazifistischen Ansatz für sich in Anspruch nehmen. Gemeinsam ist beiden, ass die jeweils andere Position als un- oder nur bedingt tauglich angesehen wird, das hehre (gemeinsame) Ziel zu erreichen.
Nicht fremd ist beiden Positionen das Grauen und Entsetzen über das personifizierte
Böse (Milosevic), dem es gilt, das Handwerk zu legen, eben wegen der Menschenrechtsverletzungen,
der Vertreibung aus Kosov@, der Ermordungen,
Vergewaltigungen. Auch die auf Versammlungen bekundete Zerrissenheit (mensch
macht es sich nicht leicht) wird ernsthaft vorgetragen. JedeR einzelnen glaube
ich diese Betroffenheit und diese Zerrissenheit. Nur - als Grund für den
Krieg
gegen Serbien/Jugoslawien können die Menschenrechte nicht herangezogen
werden. Zu viele Zweifel und Fragen drängen sich auf, um Menschenrechten
in diesem Krieg eine tiefgreifendere Bedeutung zuzuweisen als die einer medialen
Kriegsoberfläche.
- Für den Hauptakteur des Luftkrieges (USA) gegen Serbien/Jugoslawien haben Menschenrechte noch nie eine dominierende Rolle in der Außenpolitik gespielt (Chile, Grenada, Kuba, der Umgang mit den sogen. Bananenrepubliken etc.). Menschenrechte als relevante oder gar dominante Größe der Außenpolitik würde eine Kehrtwende um 180 Grad bedeuten - über Nacht.
- Bei dem genannten und jedem anderen der (luft-)kriegsführenden Staaten spielen Menschenrechte eine herausragende Rolle, soweit sie nicht mit anderen Interessen - z. B. der nach wirtschaftlicher Prosperität - konkurrieren.
- Militärische Aktionen müssten wenigstens mittelbar als auf das vorgegebene Ziel gerichtet erkennbar sein. Das ist weder im Ganzen noch beim Betrachten einzelner Aktionen möglich. Was bezweckt z. B. das Zerbomben der Infrastruktur an der ungarischen Grenze, 400 km von Kosov@ weg?
- Sollte vielleicht Russland gezeigt werden, 'wo der Hammer hängt'? Zumindest
begann der Krieg einige Tage vor den für Russland wichtigen Verhandlungen
über milliardenschwere Kredite. Da mussten Jelzin & Co kleine Brötchen
backen.
Inzwischen funktioniert Russland ganz gut, dackelt nach Jugoslawien, hört
sich von NATO-Staatschefs wiederholt ein 'Haste fein gemacht, aber 'nen bisschen
wenig war's schon' - und sitzt am Katzentisch des Westens.
Menschenrechte sind bei dieser 'Humanitären Intervention' nur die schillernde Verkaufsverpackung der Kriegsverkäufer. Ein Krieg will schließlich nicht nur geführt werden, er will auch gemocht werden von der Bevölkerung der kriegsführenden Staaten.
Wenn wir weiter über den Krieg debattieren, müssen wir den Inhalt zum Thema machen und uns nicht über die Facetten der Verpackung unterhalten.
Georg Clasbrummel (KV Lippe) 25 April 1999