GRÜNE Anti-Kriegs-Initiative
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Uli Cremer - e-mail: UliCremer@aol.com


Dienstag, 11. Mai 1999


Liebe Freundinnen und Freunde, liebe UnterstützerInnen,

als InitiatorInnen der GRÜNEN Anti-Kriegs-Inititative möchten wir uns für die Unterstützung in den letzten Wochen bedanken: Insgesamt haben sich 1130 Einzelpersonen sowie eine Reihe von Kreis- und Ortsverbände der Initiative
angeschlossen.

Vor uns liegt die Sonder-BDK, die nicht zuletzt durch diese Initiative bewirkt wurde. Angesichts mancher Anträge auf der BDK sei daran erinnert: Sie wurde nicht einberufen, um die falsche Regierungslinie durch die GRÜNEN Delegierten absegnen zu lassen, wie es z.B. mit dem Antrag des Bundesvorstandes versucht wird.

Wie sich sicherlich bereits herumgesprochen hat, ist es der beim Babelsberger Kreis-Treffen eingesetzten 8er Redaktionsgruppe bis zum Redaktionsschluß nicht gelungen, sich auf einen gemeinsamen Text zu verständigen. Trotz
konkreter und begründeter Änderungs- und Ergänzungsvorschläge, die an vielen Punkten bereits ein Entgegenkommen darstellten, fanden sich wesentliche Punkte in den entscheidenden Passagen des vorgelegten "Ergebnisses" nur
unzureichend wieder.

Ausgehend vom Norddeutschen Linken-Treffen am 2.5.99 ist bereits letzte Woche der Antrag 42 (Bachmann u.a.) eingereicht worden, der die Ideen der Anti-Kriegs-Initiative aufgreift und deswegen von uns beiden unterstützt wird.

Gleichzeitig wird es einen Antrag von Claudia Roth und Christian Ströbele geben, der ebenfalls eine sofortige Beendigung der NATO-Luftangriffe fordert und sich damit von der Regierungslinie bzw. der Bundesvorstandslinie absetzt. Dennoch vermissen wir in diesem Antrag einige für uns wichtige Punkte und haben ihn deswegen nicht mit unterzeichnet. Aus unserer Sicht hat der Antrag folgende Schwächen:

 
1.

Der Tenor des Antrags begründet eine sofortige und einseitige Beendigung der NATO-Luftangriffe nur unzureichend. Obwohl spätestens mit dem Kriegsverlauf der letzten Wochen einer/einem jeder/n ZweiflerIn deutlich geworden sein müßte, daß militärische Mittel die ethnischen Konflikte nur verschärft, dem Terror-Regime Milosevics in die Hände gespielt und keinerlei Beitrag zu einer Beendigung der Auseinandersetzungen geleistet haben, wird ein "weiter wie bisher" - nach einem Stop der Luftangriffe - nicht definitiv ausgeschlossen. Ein Satz, der verbindlich regelt, daß nach einem Stop/einer Beendigung der Bombardements alle weiteren Maßnahmen strikt an ein UNO-Mandat zu binden sind, wurde nicht aufgenommen. Im schlimmsten Fall hätte die NATO im weiteren Prozeß weiterhin das Definitionsmonopol über Krieg und Frieden.

 

2.

Das Brechen des Völkerrechts und die Marginalisierung der UN durch die NATO-Staaten sind keine Kavaliersdelikte. Die neue NATO-Strategie der vorbehaltenen Selbstmandatierung hat mit dem Krieg gegen Jugoslawien einen Präzedenzfall geschaffen, der schwerwiegende Folgen für die Zivilisierung internationaler Politik haben wird. Der "out-of-area" Einsatz der NATO begründet auch ein neues "Recht des Stärkeren". Die Folge wird keine Weiterentwicklung kollektiver Konfliktregulierungs-instrumente im Sinne einer sinnvollen "Weltinnenpolitik" der UNO sein. Es besteht die begründete Gefahr
erneuter Blockbildung und Aufrüstung. Denn kein Nicht-NATO-Staat der Welt kann mehr sicher sein, daß das Völkerrecht eingehalten und zumindest eine Interessensabwägung im Rahmen der Vereinten Nationen stattgefunden hat.
Deshalb ist eine Kritik an der NATO-Strategie und Praxis dringend notwendig, verbunden mit einem klaren Handlungsauftrag an die rot-grüne Bundesregierung, dieser neuen Strategie ihre Unterstützung zu verweigern. Wir dürfen nicht vergessen, daß das NATO-Strategiedokument auch durch die Zustimmung der Bundesregierung, also auch des GRÜNEN Regierungspersonals, zustandekam. Hier greift der Antrag eindeutig zu kurz. Der NATO-Angriffskrieg muß an
irgendeiner Stelle auch einmal als solcher benannt werden.

 

3.

Die Überwachung eines Waffenstillstands wird nicht ausdrücklich an ein Kapitel VI-Mandat (=friedenserhaltender UN-Blauhelm-Einsatz mit Zustimmung der Kriegsparteien) gebunden. Die Formulierung ("mit einem Mandat der Vereinten Nationen") ist unpräzise. In unserem BT-Wahlprogramm ist jedoch klar geregelt, daß wir Friedenserzwingung ablehnen.

4.

Daß die NATO auch im Kosovo-Konflikt nicht der neutrale und humanitäre Friedensengel ist, wurde auch in den Verhandlungen in Rambouillet deutlich. So sind die Verhandlungen nicht ausschließlich an einer sturen Haltung
Milosevics gescheitert, wie der Antrag nahelegt. Das Scheitern einer diplomatischen und damit friedlichen Lösung in Rambouillet ist auch ein Ergebnis der ultimativen Forderung der westlichen Staaten, NATO-geführte militärische Kräfte zur Überwachung des Abkommens im Kosovo zu stationieren. Bei Überwachung eines Friedensabkommens bzw. der Rückkehr der Vertriebenen und Flüchtlinge durch internationale Truppen darf keinesfalls die NATO die zentrale Rolle spielen und nach Lage der Dinge scheidet auch die Beteiligung von Truppen der am Krieg beteiligten Konfliktparteien aus.

5.

Schließlich kann es nicht darum gehen - gerade auch in Zeiten einer Grünen Regierungsbeteiligung - die Kritikfähigkeit am Handeln der eigenen Leute und am Handeln der Bundesregierung zu verlieren. Partei-, Regierungs-, Bündnistreue oder gar "Gesichtswahrung" über die schnelle und deutliche Korrektur einer als falsch erkannten Politik zu stellen, ist nicht Ausdruck,
sondern der Abschied von verantwortlichem Handeln. Ein Antrag sollte weniger Mühe auf Verständnis für manche GRÜNE PolitikerInnen verwenden, die - aus welchen Gründen auch immer - den NATO-Krieg anfangs unterstützt haben, als vielmehr den Fehler, einen NATO-Angriffskrieg zu beginnen, auch so benennen. Kritik am Verhalten der GRÜNEN Regierungsmitglieder und der Mehrheit der MdBs ist notwendig. Deswegen kam es schließlich zu dieser BDK!

 

6.

Wir können nicht mittragen, daß ausgerechnet der Neuaufguß von Rambouillet, die Kosovo-Initiative von Fischer als Friedensinitiative begrüßt wird. Denn:
- Der Plan rückt keineswegs die UNO als Konfliktvermittlungsinstanz ins Zentrum, sondern die Rolle der UNO beschränkt sich darauf, Aktivitäten, die die NATO ohnehin vorhat, mit einer Legitimation zu versehen. Es geht also um die Instrumentalisierung der UNO.
- Der Plan sieht ein Kapitel VII Mandat für den Truppeneinsatz im Kosovo vor, die Zustimmung der beiden lokalen Konfliktparteien ist also nicht zwingend.
- Als Truppen sind nach wie vor NATO-Einheiten ergänzt um Truppen anderer Länder vorgesehen, sonst wäre die Erwähnung "no double key" (einheitlicher Befehlsstrang) unnötig. Es ist bekannt, daß die USA der UNO keine Truppen unterstellt, also soll es sich wohl um einen NATO-Kommandostrang handeln. NATO-Truppen aus den USA, F, GB und D sind jedoch in dem Konflikt Kriegspartei und taugen nicht als neutrale Überwachungskräfte. Neu ist nur das Label: Jetzt kann auch UNO statt NATO auf den Helmen stehen.
- Der Plan übersieht, daß D als Kriegsteilnehmer keine neutrale Vermittlungsrolle spielen kann. Solange man selbst mitschießt, ist Zurückhaltung bei der Vermittlung angezeigt.

 

7. Die Unterbrechung der Luftangriffe in Form einer Feuerpause (für die im Fischerplan auch noch die serbische Seite eine einseitige Vorleistung bringen soll) ist zu kurz gesprungen, da die Wiederaufnahme der völkerrechtswidrigen NATO-Bombenangriffe möglich bleibt, die - wie von den BefürworterInnen dieser Position selbst zugegeben - die offiziell verkündeten Ziele nicht erreicht, sondern die Probleme im Kosovo verschärft haben. Warum soll ein untaugliches Instrument später gegebenenfalls wieder benutzt werden?

 

Mit friedlichen Grüßen

Ilka & Uli.


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http:\\www.basisgruen.de, http://www.ftz.org/cl-hh/k.karch/grueneaki oder
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