Werner Pfennig (Ehemaliges Mitglied des Geschäftsführenden Hauptvorstandes der IG Medien)


Stoppt den Krieg! - Helfen statt Bomben!:
Redebeitrag zur Großdemonstration am 8. Mai 1999 in Berlin


Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und Kollegen!

Frieden ist, so sagt ein Gedicht, wenn den Kindern bei dem Wort Feind nichts mehr einfällt.

Von diesem Ziel des Friedens ist die Menschheit weit entfernt. Deutschland muß mit friedlichen Mitteln dazu beitragen, eine gerechte Weltordnung zu schaffen. Frieden und Abrüstung, Einhaltung von Menschenrechten, ökologische Verantwortlichkeit und soziale Gerechtigkeit sind dabei Gestaltungsprinzipien.

Meistens geht es in Kriegen um Rohstoffe und Wirtschaftsinteressen. Hinter dem Krieg im Kosovo steht u.a. der ungelöste Ost-West-Konflikt. Die Nato will sich als einzige Ordnungsmacht an der UN vorbei etablieren.

Mit dem Angriffskrieg in Jugoslawien wird ein Muster erprobt, nach dem die USA die Nato auch einsetzen könnte, um den Kampf gegen Rußland um "überlebenswichtige Rohstoffe im Kaukasus" auszufechten, wie eine Studie der Universität der Bundeswehr in Hamburg belegt. Darüber liest, sieht und hört man allerdings in unseren Medien wenig. Im Gegenteil: Es gibt eine fast einmütige Kriegsbejahung der Boulevard- und bürgerlichen Presse, der privaten und öffentlichen Kanäle.

Diejenigen, die den Krieg führen, versuchen, die Medien zum Instrument ihrer Kriegsstrategie zu machen. Die westlichen Medien, wollen durch Zensur und Propaganda das Bild eines "sauberen" Krieges erzeugen, in Jugoslawien wird Zensur ausgeübt, werden Journalisten ausgewiesen und der bekannteste unabhängige Sender B 92 geschlossen.

Wir protestieren gegen Zensur, wer auch immer sie ausübt! Wir wehren uns dagegen, daß Medien zur Waffe werden, hier hätte man aus dem Golf-Krieg lernen müssen!


Freundinnen und Freunde,

es ist erschreckend, mit welcher Gefühllosigkeit sich viele Politiker, aber auch viele Leitartikler in den vergangenen Wochen über den als humanitäre Aktion getarnten Krieg im Kosovo äußern. Was bringt eigentlich Chefredakteure in warmen Redaktionsstuben dazu, noch mehr Natobomben auf Jugoslawien zu fordern?! Was bringt Chefredakteure großer Tageszeitungen dazu, jeden Artikel über Veranstaltungen der Friedensbewegung zu zensieren und im Zweifelsfall zu unterdrücken? Wie soll sich die Bevölkerung ein einigermaßen objektives Bild über diesen Krieg machen?

Scheinheiligkeit und Heuchelei, die zur Rechtfertigung der Natobomben dienen sollen, sind doch kaum zu überbieten. Fischer, Schröder und Scharping führen ebenso wie die Nato bei der Rechtfertigung der Luftangriffe immer moralische
Gründe an: Aber nicht nur Politik ohne Moral, sondern auch Moral ohne Politik ist fatal in ihren Folgen - wie wir es jetzt schon seit mehr als fünf Wochen erleben müssen.

Die IG Medien fordert die Journalisten auf, sich der Kriegssprache zur verweigern. Wir verurteilen die Bluttaten und Menschenrechtsverletzungen, die von Milosevic zu verantworten sind, auf s Schärfste. Wir wenden uns gegen alle nationalistischen Kräfte, egal, ob in Serbien, Kosovo, Kroatien, Bosmen, Albanien oder anderswo. Wir unterstützen alle friedliebenden Kräfte auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien.

Aber - und das müssen die Medien herausstellen: Militärische Angriffe lösen den Konflikt nicht, sondern verschärfen ihn und vergrößern das Elend. Vor allem Zivilisten sind Opfer der Kriegshandlungen. Oder dient es der Humanität, wenn man Splitterbomben auf die Zivilbevölkerung abwirft? Wo bleiben die kritischen Berichte einer freien Presse darüber? (von Ausnahmen abgesehen).

Mit den Angriffen der Nato haben sich die Bedrohungen der Menschen in Jugoslawien, die Greuel und Gewalttaten im Kosovo noch verschärft und ausgeweitet, die Flüchtlingsströme zugenommen. Alle postulierten Ziele wurden verfehlt! Die Beteiligung der BRD an diesem Krieg ist grundgesetz- und völkerrechtswidrig. Menschenrechte und Völkerrecht sind für uns zwei Seiten derselben Medaille!

Wir wenden uns gegen jede Art kriegsfördernder oder gar kriegsverherrlichender Berichterstattung in Funk, Fernsehen, Zeitungen, Zeitschriften und anderen Medien. Wir appellieren an alle an der Kriegsberichterstattung beteiligten Kolleginnen und Kollegen: Lassen Sie sich nicht für Interessen der am Konflikt Beteiligten einspannen oder mißbrauchen. Weder für die Nato noch für Jugoslawien.

Die Verantwortlichen in Funk und Fernsehsendem fordern wir auf, Krieg nicht als Quotenbringer zu behandeln. Profit aus dem Krieg zu ziehen, ist verwerflich, weil es die Opfer entwürdigt und mißbraucht! Die gewerkschaftlich organisierten Journalisten protestieren gegen eine Berichterstattung, die den Krieg als unvermeidlich darstellt, die Kampfhandlungen als eine Art gigantisches Sportereignis begreift (deutsche Tornados in der Pol-Position), die Leistungen der Mititärtechnologie rühmt und die Leiden und den Tod der Opfer verschweigt. Wo bleiben z.B. die Menschenrechte der Serben in der allgemeinen Berichterstattung?

Freundinnen und Freunde,

man gewinnt den Eindruck, die Redaktionen schicken Reporter an die Front, werten das Serbische Fernsehen aus und besuchen die Nato-Pressekonferenzen. Das scheint im wesentlichen alles zu sein. Darüber hinaus wundert man sich,
daß die Kriegsparteien Informationen zurückhalten und Fernsehbilder zensieren. Aber das war bisher in jedem Krieg so, das sollte man gelernt haben. Wichtig ist die Kooperation unter Journalisten über Kulturen und Grenzen hinweg, so kann man die Vertuschungsstrategien der Militärs gemeinsam viel besser aufdecken.

Kriege beginnen in den Köpfen, deshalb muß auch in den Köpfen Vorsorge für den Frieden getroffen werden, Wir fordern die in den Krieg im Kosovo involvierten Bundeswehrsoldaten auf, den grundgesetzwidrigen Einsatz zu verweigern! In § 11 Soldatengesetz heißt es: Jeder Soldat, der einen rechtswidrigen Befehl ausführt, macht sich strafbar, er kann sich vor einem
Strafgericht nicht auf Befehlsnotstand berufen." Das wird von den Medien nicht berichtet.

Dagegen befragt z.B. ein Reporter deutsche Soldaten: Sie haben Angst, zugleich sind sie tapfer. Ein anderer Reporter befragt Frauen der Piloten zuhause: Sie haben Angst, zugleich sind sie tapfer. Was von den Fernsehjournalisten nicht gesagt wird: Dieser Krieg dient Macht- und Wirtschaftsinteressen.

Daß Politiker nicht alles sagen, weiß man. Aber man muß wissen, was es bedeutet, wenn im Fernsehen der erste Angriffskrieg seit Existenz der Bundeswehr ausschließlich moralisch gerechtfertigt wird. Und man sollte meinen, daß Journalisten ein Interesse daran hätten, dies zu erklären. Was von Fernsehjournalisten nicht gesagt wird: Der Krieg ist den kommerziellen Fernsehkanälen willkommen, er bringt höhere Einschaltquoten und damit höhere Werbespotpreise.

Die Sender zeigen Flüchtlinge auf Lastwagen. Weinende Mütter drücken ihre Babys an die Brust. Es werden viele anrührende Bilder gezeigt. Ein Kosovo-Albaner schreit in die Kamera, man müsse alle Serben umbringen. Das sind schreckliche Bilder - aber Aufgabe von Journalisten sollte es sein, auch über Hintergründe aufzuklären. Was von den Politikern nicht gesagt wird: Die von der Nato unterstützte Armee der Kosovo-Albaner unternimmt ebenso nationalistische Säuberungen gegen die Serben. Auch bei den Kosovo-Albanern gibt es militärische Mörderbanden, sie träumen von einem
Nationalstaat Groß-Albanien. Statt dessen sagt Außenminister Fischer, aus ethisch-moralischen Gründen könne man nicht anders als bombardieren. Er sagt das mit gebrochener Stimme, fast weinend.

Kommerzielle Fernsehsender und Politiker - wie Kriegsminister Scharping - setzen aus unterschiedlichen Gründen auf die Macht der Bilder. Scharping ist jetzt erwischt worden, daß er alte Bilder verwandt hat. Dazu schreibt General a.D. Schmückle: "Das Fernsehen spielt eine neue Rolle. Es kann durch die Macht seiner Bilder sogar Kriege auslösen."

Aber er schreibt auch-. _Das Fernsehen kann einen Krieg aber auch beenden. In Somalia genügte ein abgeschossener amerikanischer Pilot, der an einen Jeep gebunden durch die Straßen Mogadischus geschleift wurde. Dieses Bild
ertrug die amerikanische Öffentlichkeit nicht. Der Krieg war aus."

Freundinnen und Freunde,

die IG Medien protestiert auch gegen die Bombardierungen der Senderanlagen 'in Serbien. Wer Bomben auf Sender wirft, darf nicht annehmen, daß die Informationen, die jetzt verbreitet werden, von der Bevölkerung ernst genommen werden. Für den Zweck, Meinungsvielfalt wieder herzustellen, sind diese Bomben bestimmt nicht geeignet. Und einmal mehr werden dadurch auch Medienbeschäftigte in Lebensgefahr gebracht und umgebracht. "Hände weg von den Medien" gilt auch für die Nato.

Zur Ehrenrettung von Journalisten muß man sagen, daß viele für ihre Versuche, objektiv über kriegerische Ereignisse in der Welt zu berichten, ins Gefängnis kamen, zur Zeit weltweit mindestens 120.

24 Journalisten wurden im letzten Jahr als Vergeltung für Ihre Berichterstattung ermordet. Die *Türkei hielt zum fünftenmal hintereinander den Negativrekord mit 27 Journalisten im Gefängnis. Die meisten hatten über den Kurdenkonflikt berichtet. 4000 Dörfer hat das türkische Militär zerstört, wo ist da die Stimme der U-NO, die Stimme der Nato, die Stimme der
deutschen Regierung?!


Freundinnen und Freunde,

wir wollen nicht, daß die Menschenrechte dem CNN-Prinzip ausgeliefert werden. In den vergangenen Jahren wurden weltweit über Medien personallsierte Feindbilder aufgebaut. Menschenrechtsverletzungen wurden auf eine neue Weise instrumentalisiert. Die Kriegs- und Katastrophenorientierung von CNN und anderen Medien schafft das öffentliche Klima zum Einsatz kriegerischer Mittel. Und das hat leider Schule gemacht. Wir fordern für die Berichterstattung über den Krieg:

o daß die Medien zum Forum einer breiten und vielfältigen öffentlichen Diskussion werden, und nicht länger versuchen, die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren;

o daß die Gründe und Konsequenzen der derzeitigen Pressezensur von den Redakteuren in die Berichterstattung einbezogen und kritisch reflektirt werden;

o daß der journalistische Sprachgebrauch sich nicht an den Vorgaben der Politiker und Militärs orientiert, sondern an der Maxime einer sachlichen und auf den Menschen bezogenen Berichterstattung;

o daß die Medien ihre Beteiligung am Aufbau ideologischer, religiöser oder nationaler Feindbilder einstellen und anstatt der Militärmaschinerie die menschlichen Leiden auf allen Seiten ins Zentrum ihrer Berichterstattung rücken;

o daß sie eine selbstkritische und offene Analyse der Berichterstattung mit den Lesern, Hörern und auch untereinander beginnen.

Wir Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter treten ein für eine Gesellschaft ohne soziale Ungerechtigkeiten, ohne Massenarbeitslosigkeit und ohne Krieg. In Jugoslawien sind durch die Bombardierung zu einer Million Arbeitslosen
noch 500.000 weitere Arbeitslose dazugekommen, deren Büros und Fabriken zerbombt wurden. Auch das wird zu wenig berichtet.Im DGB-Grundsatzprogramm steht-. "Soziale, ökonomische und ökologische Konflikte müssen auf zivilem Wege ohne militärische Gewalt gelöst werden." Dort steht nicht, "der DGB respektiert den Einsatz von Nato-Streitkräften...", wie es in einem DGB-Bundesvorstandsbeschluß heißt. Ich schlage dem DGB vor, ein deutliches Zeichen zu setzen und die Mitglieder aller Gewerkschaften zu zehn Mahnminuten für den Frieden und gegen den Krieg aufzurufen!

Der Hauptvorstand der IG Medien fordert die sofortige Einstellung der Nato-Luftangriffe und eine Rückkehr zur Politik! Nur gewaltfreie Lösungen garantieren auf Dauer Frieden. Wir fordern das sofortige Ende von Verfolgung und Vertreibung der Menschen im Kosovo und genau so viel Geld zum Aufbau von Jugoslawien, wie für diesen Krieg aufzubringen ist. Wir fordern eine Konfliktregulierung unter Einbeziehung Rußlands unter Regie der Vereinten Nationen.

Wir haben die Aufgabe, unseren Kindern eine lebenswerte Welt überhaupt die Welt zu hinterlassen.

Der türkische Freiheitsdichter Nazim Hikmet sagte es so:Laßt uns den Kindern den Erdball schenken wie einen runden Apfel oder ein warmes Brot.

Den ganzen Erdball sollen sie haben, daß sie kennenlernen, was Freundschaft ist.

Sie werden unsterbliche Bäume darauf pflanzen.


Nie wieder Krieg!