Bruessel, 22. April 1999
Fuer einen dauerhaften Frieden
Die vergangenen vier Wochen haben uns in die schwierige Situation gebracht,
dass wir zwei unserer wichtigsten Ziele nicht mehr gleichzeitig erreichen koennen:
Kriege zu verhindern und die verbrecherische Politik von Milosevic auf dem Kosovo
zu bekaempfen. Das buerdet uns die Verantwortung auf, zwischen unseren Prinzipien
zu gewichten und
weitreichende Enscheidungen zu treffen.
Der Konflikt in Jugoslawien ist kein Buergerkrieg, in dem unterschiedliche
Bevoelkerungsgruppen hasserfuellt aufeinander einschlagen. Die Triebkraft des
Konflikts ist eine Clique, die fuer ihren Machterhalt ruecksichtslos
Konflikte provoziert. Als Folge ist es auf dem Balkan in den vergangenen 10
Jahren zu vier Kriegen gekommen, die ueber 200000 Tote gefordert haben.
Wer vor diesem Hintergrund Verhandlungen und Kompromisse um jeden Preis fordert, der muss eine Alternative vorschlagen, die die Rueckkehr der Fluechtlinge ermoeglicht. Ansonsten billigt er die Verbrechen Milosevics.
Die Versaeumnisse der Vergangenheit
Fuer uns ist die jetzige Situation auch das Ergebnis von Versaeumnissen des
Westens in der Vergangenheit. Viel zu spaet und viel zu zaghaft hat der Westen
die Opposition in Jugoslawien wahrgenommen und unterstuetzt. Es ist
viel gewonnen, wenn wir erkennen, dass der Aufbau von Demokratie ein langfristiges
Projekt ist, und das vereinte Europa sich in dieser Richtung noch viel staerker
als bisher engagieren muss.
Muessen wir aber jetzt, wo Vertreibung und Morden stattfinden, zusehen, weil
wir in der Vergangenheit Fehler gemacht haben? Auf dem Balkan stehen wir leider
vor der Situation, dass ein verbrecherisches Regime Vertrauen
und Achtung der Menschen untereinander systematisch zerstoert hat und weiterhin
sein Unwesen treibt.
Die Notwendigkeit eines Eingriffs ist fuer uns unbestritten
Wir glauben, dass die Militaeraktion der NATO ein notwendiges und daher legitimes Mittel zur Bekaempfung der verbrecherischen Politik von Milosevic ist. Die Tatsache, dass die UN kein klares Mandat fuer ein Einschreiten gegen die Verbrechen von Milosevic gegeben hat, zeigt uns, wie dringlich Reformen des Voelkerrechts und der Vereinten Nationen sind.
Die Situation auf dem Balkan verlangt ein langfristiges Engagement des vereinten
Europas. Wenn die europaeische Integration weiterhin als Friedenswerk glaubhaft
sein soll, dann muss die EU in der Lage sein, in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft
- die Teil Europas ist! - die Basis fuer einen tragfaehigen Frieden zu legen.
Europa darf sich dabei aber
nicht auf die militaerische Absicherung des Friedens beschraenken, sondern muss
den Staaten auf dem Balkan auch eine glaubhafte, wenn auch nicht kurzfristige,
Perspektive fuer eine Integration in die EU bieten.
Eine tragfaehige Friedensloesung ist nur mit einer internationalen Friedenstruppe moeglich
Bosnien hat gezeigt, dass nur Truppen mit ausreichender Bewaffnung und einer klaren Fuehrungsstruktur in der Lage sind, die sichere Rueckkehr der Fluechtlinge zu garantieren. Niemand kann eine Schutztruppe wollen, die wie in Srebrenicza dem Morden zusehen muss, weil sie nicht die Mittel in der Hand hat, es zu verhindern. Eine solche Friedenstruppe braucht aber die Zustimmung Russlands und ein Mandat der UN.
Waffenstillstandsangebote von Milosevic, die eine solche Truppe nicht in Aussicht stellen, koennen wir deshalb nur als Manoever interpretieren, die das Ziel haben, die Geschlossenheit der westlichen Allianz zu unterminieren.
Welche Optionen hat die deutsche Politik?
Als Regierungspartei muessen die Gruenen nicht nur Prinzipien formulieren, sondern auch die Entscheidungen der Regierung mittragen. Damit ist man auch fuer die Folgen eines Nichthandelns verantwortlich. Es ist aber unsere Chance, mit Joschka Fischer als Aussenminister deutsche Aussenpolitik zu gestalten und gruene Akzente zu setzen. Wenn wir zu einer Loesung in diesem Konflikt kommen wollen, dann wird das nur innerhalb des Nato- Buendnisses sein. In der jetzigen Situation wuerde ein Ausscheren aus dem Buendnis der deutschen Aussenpolitik nur jeder Moeglichkeit fuer Initiativen rauben.
Als Gruene koennen wir uns weiter dafuer einsetzen, dass Russland an einer
Friedensloesung beteiligt wird, nicht aus Sorge vor einer gekraenkten Nation,
sondern weil wir wollen, dass Russland in Europa eine positive Rolle spielen
kann. Die verhaltene Zustimmung Jelzins zu einer Friedenstruppe auf dem Kosovo
ist deshalb ein gutes Zeichen.
Wir setzten uns weiter dafuer ein, dass bei UN, OSZE und EU Strukturen geschaffen
werden, die zivile Konfliktloesung ermoeglichen, und nicht auf ein militaerisches
Eingreifen angewiesen sind.
Am Ende des Krieges muss eine Balkankonferenz stehen, die unter Einschluss von Griechenland und der Tuerkei verbindliche Garantien fuer Minderheiten - auch der Kurden - zum Ziel hat.