ZURÜCK ZUR POLITIK !
Im Kosovo führt das Milosevic-Regime einen Vernichtungs- und Vertreibungskrieg
gegen die große albanische Mehrheit, in dem sich alle nationalistischen
Greuel und humanitären Katastrophen des bosnischen Sezessionskriegs wiederholen.
Bündnis 90 / DIE GRÜNEN eint der Abscheu vor der hunderttausendfachen
Verletzung von Menschenrechten, vor allem seitens
des serbischen Nationalismus, und der Wille, diese Gewaltakte zu beenden. Uns
eint auch der Einsatz dafür, Deutschland zu einem offenen Land für
Flüchtlinge aus der Region zu machen.
Nach dem Scheitern der Verhandlungen über den Vertragsentwurf von Rambouillet
hat die Mehrheit unserer Bundestagsfraktion vor dem Hintergrund der Erfahrungen
mit dem Regime Milosevic und den aktuellen Entwicklungen im
Kosovo Ende März keine Alternative zu einem militärischen Vorgehen
mehr gesehen und dieses mitgetragen oder toleriert. Nach der fast einmonatigen
Bombardierung fällt die Zwischenbilanz verheerend aus:
· Die humanitäre Katastrophe konnte nicht verhindert werden. Der
serbische Vertreibungsterror nahm unvorstellbare Ausmaße an.
· Milosevic konnte nicht zur Unterzeichnung des Rambouillet-Friedensabkommens
gezwungen werden. Dieses ist ganz
offensichtlich obsolet geworden.
· Die innenpolitische Stellung des Regimes Milosevic wurde bislang durch
den Krieg gestärkt. Nicht klar ist bisher, inwieweit seine militärische
Macht geschwächt wurde.
· Mazedonien und Montenegro werden politisch zunehmend destabilisiert.
· Die Beziehungen zu Rußland befinden sich in einer tiefen Krise.
· UNO und OSZE werden weiter politisch marginalisiert.
· Das völkerrechtliche Legitimationsdefizit der Luftangriffe droht
dauerhaft das System internatio-naler Organisationen und die völkerrechtliche
Ordnung zu gefährden.
· Die Begrenzung der Luftangriffe auf ausschließlich militärische
Ziele erweist sich in der Realität als undurchführbar. Die Schäden
und Opfer der Luftangriffe werden "immer ziviler".
· Viele Anzeichen deuten darauf hin, daß angesichts der kritischen
Zwischenbilanz die Unterstüt-zung für das militärische Eingreifen
in Teilen der Bevölkerung schwindet.
· Die Antwort der Nato auf diese Entwicklung scheint allein in der Intensivierung
der Luftangriffe zu bestehen. Die Dementis eines angeblich unausweichlichen
Einsatzes von Bodentruppen haben in diesen Tagen an Überzeugungskraft verloren.
Am Ende dieser Sackgasse militärischer Eskalation droht nur die Alternative
von Sieg oder Kapitulation zu stehen, das heißt der umfassende Bodenkrieg.
Wir verfolgen mit großer Sorge die Diskussion um einen Einsatz von Bodentruppen und fordern die Bundesregierung und die sie tragende Bundestagsmehrheit auf, dem Einsatz von Bodentrup-pen ohne Mandat des UN Sicherheitsrates auf keinen Fall zuzustimmen.
Wir begrüßen ausdrücklich die Bemühungen der Bundesregierung um eine Balkan-Konferenz. Die notwendige Beschäftigung mit einem Stabilitätskonzept für Südosteuropa darf nicht davon ablenken, daß die kriegerischen Auseinandersetzungen unverzüglich eingestellt werden müssen. Deshalb erscheinen uns folgende Elemente für das weitere Vorgehen notwendig:
1. Oberstes politisches Ziel allen Handelns bleibt es, die ethnischen "Säuberungen"
zu stoppen, humanitäre Hilfe im Kosovo und die Rückkehr der Flüchtlinge
zu ermöglichen. Unabdingbare Voraussetzung ist dafür ein Waffenstillstand.
Die laufenden Bemühungen um eine internationale Vermittlung für einen
Waffenstillstand sind zu intensivieren - ob durch VertreterInnen internationaler
Organisationen wie der UNO oder der OSZE; z.B. Kofi Annan, oder durch beiderseits
anerkannte, unabhängige Persönlichkeiten wie z.B. Mandela oder Peres
- und durch die Nato zu unterstützen. Ein sofortiger, durch internationale
Truppen überprüfbarer Waffenstillstand ist anzustreben. Der Einstieg
in Verhandlungen über einen
derartigen Waffenstillstand muß durch die befristete einseitige Einstellung
der Bombardements ermöglicht werden. Auf diese Weise wird der serbischen
Bevölkerung die Bereitschaft zum Waffenstillstand signalisiert. Während
dieser Waffenpause könnten die Waffenstillstandsverhandlungen durchgeführt
werden. Die Bedingungen für einen Waffenstillstand und für ein
Friedensabkommen müssen getrennt werden, damit nicht - wie bisher - ein
möglicher Waffenstillstand durch die Uneinigkeit über ein Friedensabkommen
blockiert wird. Voraussetzung für einen Waffenstillstand ist deshalb -
gemäß internationalen Gepflogenheiten - das überprüfbare
Ende aller militärischen Auseinandersetzungen und von Vertreibung und Mord
im Kosovo.
Eine Überwachung des Waffenstillstands erfolgt durch eine internationale
Friedenstruppe unter dem Mandat der UNO/OSZE, wenn nötig ohne Beteiligung
der an dem Konflikt beteiligten Parteien.
2. Eine umgehend einzuberufende Friedenskonferenz für den Balkan muß
sich unter dem Dach von UNO und/oder OSZE zunächst um eine Lösung
für den Kosovo und Jugoslawien bemühen. Sodann sind die Verhandlungen
über eine umfassende
Friedensstruktur für den Balkan aufzunehmen. Die Nato als Kriegspartei
kann keine Konfliktmoderationsrolle mehr spielen. Am geeignesten erscheint uns
als Rahmen für die Konferenz die OSZE, da sie einerseits alle Beteiligten
umfaßt (auch Rußland und die USA), jedoch außerregionale Interessenseinflüsse
(z.B. China) minimiert. Für eine dauerhafte Befriedung
des Balkans muß sich die internationale Gemeinschaft vor allem mit vier
Problemkreisen beschäftigen:
· Versorgung und Rückführung der Flüchtlinge
· Erarbeitung einer politische Lösung für den Kosovo zumindest
als Interimsregelung
· Schaffung einer Friedensordnung auf dem Balkan mit der Perspektive
einer Einbindung in die Europäische Union
· Entwicklung eines ökonomischen und politischen Wiederaufbauprogramms
(finanzielle Unterstützung, Hilfe zum Aufbau demokratischer Strukturen
und Stärkung der Zivilgesellschaft, Förderung der regionalen Zusammenarbeit
etc.) auch für die Bundesrepublik Jugoslawien
Die Entwicklung in den letzten Wochen gebietet ein intensives Nachdenken nicht etwa nur über die Grenzen gewaltfreier Konfliktintervention, sondern auch über Folgen und Wirkungen militärischen Krisenreaktion. Wir halten angesichts des Krieges auf dem Balkan die Durchführung des geplanten Gipfeltreffens der Nato in Washington zur Feier des 50-jährigen Jubiläums und zur Beratung über ein neues strategisches Konzept für nicht angemessen. Wir bitten die Bundesregierung deshalb mit Nachdruck, sich für eine Verschiebung des Nato-Gipfels auszusprechen.
Der Verlauf des Kosovo-Konfliktes und das - wieder einmal - zu späte Eingreifen
der internationa-len Gemeinschaft sowie die Erfahrungen mit der OSZE-Mission
machen deutlich: Die von der rot-grünen Koalition vereinbarte Förderung
der Instrumente der Krisenprävention und zivilen Konfliktbearbeitung muß
erheblich intensiviert werden, damit wir nicht
immer wieder auf die schiefe Ebene einer militärischen "Krisenreaktion"
geraten. Nächste Schritte könnten z.B. sein:
· Kontinuierliche Beobachtung möglicher Krisenregionen, frühzeitiger
Beginn friedensfördernder Bemühungen bzw. Maßnahmen
· Schaffung eines Katalogs positiver und negativer Sanktionen zur Durchsetzung
von Menschen-rechten sowie die Errichtung eines Sanktionshilfefonds
· Internationale Kooperation bei der Ausbildung von Friedensfachkräften
· Stärkung der Kompetenzen und Fähigkeiten von UNO und OSZE
zur Krisenprävention.
Buendnis 90/Die Gruenen
KV Hochtaunus
Korfstr. 13
61440 Oberursel
Tel 06171/623880
Fax 06171/623885
http://www.hochtaunus.net/gruene