Erklärung des Bielefelder Kreisverbandes von Bündnis 90/Die Grünen
(beschlossen auf der Mitliederversammlung am 16.4.1999):

Den NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien sofort beenden!
Den Weg für eine friedliche und langfristige Lösung des Kosovo-Konflikts offenhalten!"

Am 24.3.99 hat die NATO Luftangriffe gegen die BR Jugoslawien und damit einen Angriffskrieg gegen einen souveränen Staat begonnen. Dabei ist auch nach mittlerweile zwei Wochen Bombardierung nicht erkennbar, wie das selbstformulierte Ziel der NATO, eine humanitäre Katastrophe im Kosovo ab-zuwenden, auch nur im Ansatz erreicht werden kann. Hunderttausende sind auf der Flucht, die Hinweise auf Massaker im Kosovo verdichten sich.

Wenn man sich nur auf die humanitäre Rechtfertigung der NATO bezieht: Es war vorhersehbar, daß mit Abzug der OSZE-Beobachter und Beginn des Bombardements Milosevic seine Schergen gegen die albanische Bevölkerung steigern würde - so wie es eingetreten ist. Dieses hätten die westlichen Staaten einkalkulieren müssen. Vor dieser Entwicklung konnte nur die
Augen verschließen, wer an die chirurgische Kraft des Militärs glaubt. Wenn jedoch offensichtlich die militärischen Mittel den Zweck nicht erfüllen, wenn sie statt dessen die Situation im Kosovo eskalieren, wenn sie Milosovic erst ermöglichen, seinen 'ethnischen Säuberung' noch brutaler und konsequenter durchzuführen, dann muß die NATO gestoppt werden!

Die NATO trägt nicht nur eine Mitverantwortung für die Eskalation im Kosovo, sondern auch eine Mitschuld bei der Destabilisierung der Nachbarstaaten und der ganzen Region (z.B Makedonien und Montenegro) und dass die demokratische Opposition in Serbien auf "Linie" gebracht bzw. ausgeschaltet wird. Durch ihren Angriffskrieg hat sie nicht nur geltendes Völkerrecht gebrochen, sondern auch sich angemaßt, das Definitionsrecht zu besitzen, was eine 'humanitäre Katastrophe' ist und was nicht. (Was ist mit den humanitären Katastrophen im Sudan, Ost-Timor, Palästina, Mauretanien, Mexiko, Burundi und in der Türkei? Wird die NATO auch hier eingreifen?) Auch wenn wir die serbische Unterdrückungspolitik gegen die
Kosovo-Albaner schärfstens verurteilen, teilen wir dennoch keineswegs die Position, daß es ausschließlich in der Hand der jugoslawischen Regierung liegt, den NATO- Angriffskrieg zu beenden. Die NATO selbst, und mit ihr die deutsche Bundesregierung, trägt die Verantwortung für die Eskalation und kann ihre Kriegsaktivitäten jederzeit selbst beenden.
Nicht zuletzt an ihrem Beharren auf der Stationierung von NATO-Truppen im Kosovo ist der Konfliktlösungsversuch von Rambouillet gescheitert.

Alle politischen Funktionsträger, die in den letzten Monaten diese Politik unterstützt haben, tragen dafür Mitverantwortung.
Wir mißbilligen, daß unsere GRÜNEN Regierungsmitglieder und die Mehrheit der GRÜNEN MdBs durch ihre Zustimmung zur Kosovo-Politik der NATO im Bundestag die politische Grundlage für die deutsche Beteiligung geschaffen bzw. bekräftigt haben. Wir unterstützen die sechs GRÜNEN MdBs, die ihre Zustimmung durchgehend verweigert, und damit der Kriegslogik eine Absage erteilt haben.

Wir fordern alle Konfliktparteien im Kosovo, Serben, Kosovaren und die NATO, auf, ab sofort alle bewaffneten Auseinandersetzungen einzustellen. Wir fordern, daß unter neutraler Vermittlung ein Friedensabkommen ausgehandelt wird.
Dieses sollte durch friedenserhaltende Einheiten der zuständigen internationalen Organisationen, OSZE bzw. UNO, mandatiert nach Kapitel VI der UN-Charta überwacht werden, um so den vielen Flüchtlingen die Rückkehr in ihre Dörfer zu ermöglichen. An solchen internationalen Einheiten soll sich Deutschland in angemessener Form beteiligen. Wir sehen keine Alternative zu einer friedlichen Lösung, die die Interessen aller Konfliktparteien ausbalanciert.

Der Friedensprozeß muß mit einer wirtschaftlicher Unterstützung für den Balkan einhergehen. Es ist sinnvoll, eine Form von 'Marshall-Plan' aufzustellen und der gesamten Region einen wirtschaftlichen Sonderstatus in der EU anzubieten. Hier ist der politische Wille und die Entschlossenheit der reichen westlichen Industriestaaten gefragt. Der Kosovo-Konflikt ist eng verknüpft mit der Formulierung der neuen NATO-Strategie, in der die NATO-Selbstmandatierung für Militäreinsätze über das Völkerrecht und damit faktisch das Gewalt-monopol der UNO außer Kraft gesetzt werden soll.

Wir fordern, daß sich die deutsche Regierung auf dem NATO-Gipfel im April bei der Entscheidung über die neue NATO-Strategie entsprechend des Koalitionsvertrages der Selbstmandatierung der NATO für Einsätze jeder Art einen Riegel vorschiebt.

Wir fordern die GRÜNEN Regierungsmitglieder und MdBs auf, ihre Unterstützung der abenteuerlichen NATO-Politik zu beenden, auf die Beschlußlage der GRÜNEN Partei zurückzukehren und ihren Einfluß zu benutzen, den Angriffskrieg gegen Jugoslawien sofort zu beenden. Wir unterstützen jede diplomatische Initiative, die zu einer Beendigung des Kampfhandlungen führen kann, insofern auch die Initiative von Joschka Fischer.

Wir fordern ein sofortiges Ende der NATO-Luftangriffe, die Beendigung aller Kampfhandlungen und die Rückkehr zu Verhandlungen mit Hilfe einer internationalen Vermittlungsinitiative. Wir rufen alle Mitglieder der GRÜNEN auf, deutlich zu machen, daß der politische Kurs der rotgrünen Bundesregierung von einem relevanten Teil der GRÜNEN Partei nicht mitgetragen wird.