Neue Grüne Partei
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Belgrad, 2. April 1999

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Herrn

Joschka Fischer

Außenminister der Bundesrepublik Deutschland



Sehr geehrter Herr Fischer,
die Zeit erlaubt es mir nicht, mit Ihnen ein Gespräch über die Ursachen des Schicksals der Menschen in Kosovo und Metochien zu beginnen, denn dazu müßten wir äußerst lange über die unehrenhaftesten Mechanismen der Zerschlagung Jugoslawiens reden, die fortgesetzt wird mit den gleichen Schablonen und den gleichen Mitwirkenden, den gleichen Ideologien und der gleichen, nicht wohlmeinenden Diplomatie, deren Ignoranz schon ein Verbrechen an sich geworden ist.

Ich fürchte, daß wir uns jetzt mit den Folgen der Unfähigkeit der politischen Akteure in der Welt und in unserem Land konfrontiert sehen - einer Unfähigkeit, die einem Verbrechen gleichkommt -, der Krise auf den Gebieten des ehemaligen Jugoslawien verantwortlich und rechtschaffen zu begegnen.

Wir fordern von Ihnen, sofort und bedingungslos den NATO-Wahnsinn zu stoppen und uns zu ermöglichen, mit den Albanern von Kosovo und Metochien, mit denen wir seit Jahrhunderten zusammenleben, zu verhandeln. Sie drängen sowohl die Albaner als auch uns in die totale Katastrophe und verhindern, daß wir uns wie Menschen begegnen und über das Schicksal unseres Landes und unserer Kinder auseinandersetzen können. Wir fordern ein dringendes Treffen mit Ihnen.

Zum Leid aller friedliebenden und wohlmeinenden Menschen in unserem Land, aber auch in der Welt, haben Sie sich in das diplomatische Team des Westens nicht als Vertreter eines avantgardistischen, nach vorne gerichteten Projekts eingereiht, das mit größten Recht und allen zivilisatorischen Möglich
keiten den Frieden für Serben und Albaner hätte bringen können. Warum das so ist, wäre auch ein Gegenstand langer Diskussionen, für die wir jetzt keine Zeit haben. Ich möchte Ihnen nur folgendes sagen: Sie haben den grausamen Sarkasmus zugelassen, daß die Aktion, die die Lebensgrundlagen eines Staates und seiner zahlreichen nationalen Gemeinschaften zerstört, "Edler Engel" genannt wird, obwohl sie für 10 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Jugoslawien die Tür zur Hölle geöffnet hat. Zu den Bürgerinnen und Bürgern zählen wir selbstverständlich auch die Albaner, Angehörige eine

Wir melden uns aus Belgrad, dessen Stadtrand von der NATO bombardiert wird, obwohl sich dort zahlreiche chemische Anlagen mit äußerst gefährlichen Technologien befinden, darüber hinaus Treibstoff- und Chemielager sowie ein Atomkraftwerk. Allein die Bombardierungen Pancevos, wo ein riesiger petrochemischer Komplex untergebracht ist, die Bombardierungen Baricas, wo sich eine risikoreiche BOPAL-Technologie zur Herstellung chemischer Verbindungen befindet, sowie die Bombardierungen von Vinca mit seinem Atomkraftwerk und einem ungeheuer unsicheren Atommüll-Lager haben die reale Möglichkeit einer völligen Vernichtung der gesamten Bevölkerung Belgrads und seiner Umgebung eröffnet. Eine ähnliche Situation herrscht auch in anderen Städten, wo Ziele ausgewählt wurden, die mit Technologien verbunden sind, deren Zerstörung bereits jetzt eine ökologische Katastrophe ungeheurer Ausmaße zur Folge

Das flächendeckende NATO-Bombardement von Truppen, militärischen Einrichtungen und schweren Waffen in ganz Serbien, aber auch und vor allem im Kosovo wird mit Hilfe von verbotenen panzerbrechenden Geschossen durchgeführt, die abgereichertes Uran enthalten, das zu einer radioaktiven Verseuchung ganzer Landstriche führt und damit des dortigen Lebens, einschließlich Flora und Fauna. Das bedeutet eine fundamentale Bedrohung aller in Jugoslawien lebenden Menschen und Nationen.

Ungeachtet der Tatsache, daß die NATO-Bombardierung bereits mehr als eintausend Zivilisten, darunter auch serbische Flüchtlinge aus der kroatischen Krajina, das Leben gekostet und mindestens noch einmal so viel Verletzte gefordert hat, soll nun das Zentrum Belgrads, genauer: verschiedene Regierungsgebäude, der Generalstab der jugoslawischen Armee und das Innenministerium bombardiert werden. Was zurückgehalten wird, ist die Information, daß sich all diese Gebäude buchstäblich an den größten Krankenhauskomplex in Belgrad anlehnen: die Kinderklinik, das psychiatrische Krankenhaus, die Frauenklinik, die ontologische Klinik, zwei chirurgische Kliniken, das klinische Notfallzentrum, in dem sich jetzt schon zahlreiche Opfer des NATO-Bombardements befinden etc. Die erweiterte Liste der Ziele ist faktisch Teil einer umfangreichen und systematischen Zerstörung unserer kulturellen und historis

Im Kosovo befinden sich Hunderte von jahrhundertealten Denkmälern der geistigen Kultur des serbischen Volkes, ungschätzbare Werte des Weltkulturguts, die einer realen Zerstörungsgefahr ausgesetzt sind oder schon in Mitleidenschaft gezogen wurden. Hier befinden sich auch wertvolle Moscheen noch aus der Zeit, als die Osmanen den Balkan eroberten.

Die zerstörerischen Geschosse sind auch auf Richtstätten des Zweiten Weltkriegs gefallen, so in Belgrad (Jajnica), wo 80.000 Serben, Juden und Roma von den Deutschen hingerichtet wurden, und in Kragujevac (Sumarica), wo mehrere tausend Serben erschossen wurden, darunter die Buben des Gymnasiums von Kragujevac, des ersten serbischen Gymnasiums überhaupt. Auf der in Novi Sad zerstörten zivilen Brücke über die Donau wurde 1941 von den Nazis ein Massaker an Juden verübt, weshalb die Serben diese Brücke zu einem historischen Denkmal erhoben haben.

Bombardiert wurden auch Objekte, die sich unmittelbar neben der Neuropsychiatrischen Universitätsklinik befinden, in der traumatisierte Opfer aus den Kriegen in Kroatien und Bosnien-Herzegowina untergebracht sind, desweiteren Objekte neben Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern und denkmalgeschützten Gebäuden. Eine nur oberflächliche Einsicht in die Ausmaße der Bombardierungen und die Auswahl der Ziele zeigt, daß ihre Absicht nicht das Beenden des Leids oder der Versuch, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern, ist, sondern die totale Vernichtung aller geistigen, ökonomischen und elementaren ökologischen Existenzgrundlagen nicht nur des serbischen Volkes, sondern auch aller anderen nationalen Gemeinschaften, die in unserem Land leben.

Welche Ausmaße der ökonomischen Verarmung der Bevölkerung erwartet werden, verdeutlicht auch der Umstand, daß sich Arbeiter aus mehreren Fabriken dazu entschlossen habe, ihre Fabrikanlagen als lebende Schutzschilde mit ihrer physischen Anwesenheit zu beschützen. Sie waren schon durch die Sanktionen an den Rand des wirtschaftlichen Elends gebracht worden. Die Zerstörung der Maschinen in den Fabriken würde buchstäblich ihr physisches Ende bedeuten.

Gar nicht zu sprechen davon, daß die NATO-Intervention die Voraussetzungen für eine langanhaltende, gewalttätige Abrechnung zwischen Serben und Albanern schafft, die nie wieder Frieden bringen und dazu führen wird, daß Kosovo und Metochien aus Serbien ausgegliedert werden, auch wenn sie sein kulturelles und geistiges Fundament darstellen.

Und ebenfalls nicht zu sprechen von den Medienlügen, die der Eskalation des Krieges dienen und die es der Weltöffentlichkeit unmöglich machen, zu begreifen, daß die Serben eine europäische Nation mit großen Werten sind und das Recht haben, mit ihren Vorstellungen gehört zu werden, so wie alle and
eren ex-jugoslawischen Nationen, denen man sehr aufmerksam zugehört hat.


Ich fürchte, daß diese Angaben nicht ausreichen, von ihnen mit vollem Recht nicht nur eine unwiderrufliche Beendigung der NATO-Angriffe, sondern auch ihre Abdankung von der internationalen politischen Szene zu fordern.

Aber wir haben das volle moralische und politische Recht, eine solche Forderung an Sie zu stellen.
Jeder halbwegs ehrliche Beobachter der Gegebenheiten im ehemaligen Jugoslawien wird ohne Zögern zugeben, daß der Konflikt in Kosovo und Metochien, den Sie mit Ihren Aktionen als Aggression der Republik Serbien und der Bundesrepublik Jugoslawien auf die albanische Minderheit verhindern wollen, ein klassisches Werk eben der NATO-Mitgliedsstaaten ist. Der Konflikt in Kosovo und Metochien spielte sich ab und spielt sich ab als nicht erklärter Krieg gegen unser Land, nicht seitens der Albaner, sondern von seiten der politischen Administrationen einiger Staaten der Allianz, die uns bombardiert.

In den Staaten, die die Angriffe anführen, wird inzwischen das strategische Interesse, nach Kosovo und Metochien eindringen und den Süden Serbiens und der Bundesrepublik Jugoslawiens besetzen zu wollen, gar nicht mehr verhehlt. Diese Staaten entlarven selbst ihre äußerst unzulässigen Methoden, Ko
nflikte niederer Intensität zu schüren, die dann moralisch und politisch aggressive Aktionen außerhalb des UN-Systems und der bestehenden internationalen Ordnung legitimieren können.

Als Angehörige einer Schwesterpartei haben wir Sie mit einer Vielzahl von ganz konkreten Einsichten und Argumenten mehrfach darauf hingewiesen, daß der Krieg in Jugoslawien nach einem ganz präzisen Szenario geführt wird, das zum großen Teil auch in den Institutionen Ihres Staates geschrieben wurde und von Kreisen gesteuert wird, die zu Ihren stärksten politischen Gegners gehören. Schon der Zerfall Jugoslawiens war ihre moralische, politische, rechtliche und geistige Katastrophe, die jetzt auch die Ihre geworden ist. Dazu haben Sie kein Recht, denn Sie repräsentieren die internationale Be
wegung der Grünen, die Sie jetzt so wertlos gemacht haben.

Unsere Mitglieder haben schon 1990 alle grünen Parteien weltweit, also auch Ihre, dazu eingeladen, an einer Zusammenkunft zum Thema "NATIONALISMUS, ÖKOLOGIE, ZUKUNFT" teilzunehmen. Wir wollten unserer Öffentlichkeit neue Wege eröffnen und sie dazu ermutigen, in den empfindlichen Zeiten der Transition jene zu wählen, die einen zivilisatorischen Fortschritt versprechen. Dabei haben wir Sie in der Einladung, die wir gemeinsam mit den Grünen Bosnien-Herzegowinas verfaßten, vor den gefährlichen Wegen des Nationalismus in Jugoslawien gewarnt und Sie gebeten, Jugoslawien die Wege ziviler Gesellschaften vorzustellen.

Unsere Einladung wurde von keiner grünen Partei angenommen, also auch von Ihrer nicht, obwohl hinter unserer Einladung konsequent das Friedensprogramm der internationalen Grünenbewegung stand. Sie haben schon damals die Chance versäumt, unserer Öffentlichkeit die alternativen Werte der internationalen Grünenbewegung vorzustellen und unser politisches Feld mit Anreizen zu bereichern, die - wenigstens damals - die neue Vision einer gerechteren Welt mit einer Chance, zu überleben, bedeutet haben.

Wir haben 1991 die letzte Begegnung der Grünen aus dem ehemaligen Jugoslawien in Bonn initiiert und dabei darauf hingewiesen, daß die europäischen und insbesondere die deutschen Grünen in die Politik, die Jugoslawien in blutige Teilungen und unangemssene Allianzen trieb, wichtige Korrektive hineintragen und auf die friedfertigen Potentiale einer multikulturellen Gesellschaft, wie sie das ehemalige Jugoslawien gewesen ist, verweisen sollten. Sie haben auf dieser Zusammenkunft die sezessionistischen Forderungen der offiziellen Strukturen Sloweniens und Kroatiens unterstützt, obwohl Sie die Vertreter der Grünen Kroatiens gewarnt haben, damit den Neofaschismus zu unterstützen.

Die Zerschlagung Jugoslawiens ist leider ein blutiger Makel auf dem Antlitz Ihrer Grünen geblieben, denn Sie wollten unsere ernsten Warnungen nicht hören, daß Sie sich mit Ihrer Parteiname für die sezessionistischen Ziele, die sich auf revanchistische Positionen des Faschismus im Zeiten Weltkrieg
gründeten, zu Opfern der wundersamsten Manipulationen und Bündnisse bei der Zerschlagung einer multiethnischen Gemeinschaft machten.

Angehörige unserer Partei haben 1992 zusammen mit Vertretern der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament die erste Friedens-Karawane ins Kosovo organisiert. Wir hegten den aufrichtigen Wunsch, die Möglichkeit eines Dialogs und des Zusammenlebens als einzige Voraussetzungen für den Frieden zu demonstrieren. Die europäischen Grünen entsandten damals ihre Delegation, aber ihre Tendenz, allein die Sichtweise der albanischen Seite zu übernehmen und die Schwierigkeiten zu ignorieren, denen die Serben in Kosovo und Metochien begegneten, war offensichtlich. Statt auf die Möglichkeit eines friedfertigen Dialogs zu reagieren, haben sich die Grünen aus Deutschland auf unwürdige Intrigen eingelassen und die Organisatoren der Friedenskarawane desavouiert, nur weil diese darauf bestanden, beide Seiten zu hören. Sie haben uns nicht dabei geholfen, diesen Dialog im Interesse aller nationalen Geme
Bald darauf haben die Grünen im Europäischen Parlament initiiert, daß der Sacharow-Friedenspreis an Adem Demaci vergeben wird, einen der militantesten Führer der albanischen politischen Szene in Kosovo und Metochien, und haben unter dem Druck der Manipulationen die Kontakte mit uns völlig marginalisiert, auch wenn wir von ganzem Herzen eine friedliche Lösung aller Unstimmigkeiten sowie einen gemeinsamen Staat wollten, der sich auf Prinzipien der Gleichberechtigung und Selbstverwaltung aller Bürger und nationalen Gemeinschaften gründet.


Unsere Mitglieder si nd auch Mitglieder des internationalen ökologischen Netzes INES, die die angesehensten Wissenschaftler versammelt sowie zahlreiche ökologische Institute und Friedensorganisationen. Wir haben im Rahmen dieser Initiative unsere Friedensposition deutlich dokumentiert.
Als aktive Mitglieder der "Deutsch-serbisch-kroatisch-muslimischen Friedensrunde" in München, die von der Stadt München für ihre Aktivitäten ausgezeichnet wurde, haben wir unsere Möglichkeiten der Planung einer gemeinsamen Zukunft ohne Rücksicht auf die nationale und religiöse Zugehörigkeit klar
beschrieben. Wir waren und sind der Ansicht, daß unterschiedliche Religionen und Kulturen nicht die Ursache des Konflikts sein können, sondern daß dies vielmehr die internationale Wirtschaftsordnung ist. Sie gründet sich auf die Ungleichheit der Chancen aller Menschen, aller Nationen und aller Staaten, auf die Zerstörung der Natur und aller menschlichen freiheitlichen und geistigen Brennpunkte.

Eine ähnliche Position haben wir auch in der Friedensbewegung der Muslime und Serben im südserbischen Sandzschak vertreten. Wir konnten die dortigen Muslime und Serben mit internationalen Friedensorganisationen verbinden, unterstützten beide nationalen Gemeinschaften mit humanitärer Hilfe, halfen ihnen, Friedensstrategien zu entwickeln und kämpften dabei zum x-ten Mal gegen böswillige Interpretationen jener, die solche Initiativen störten. Die Unterzeichnerin dieser Zeilen erhielt für ihre Friedensarbeit den "Oktoberpreis" der Stadt Tutin im Sandzschak, einer Stadt, die zu 98 Prozent von Muslimen bewohnt wird. Obwohl wir Ihre Vertreter mit unserer Arbeit vertraut gemacht haben, erhielten wir aus den Reihen Ihrer Partei keinerlei Resonanz darauf.

Unsere Parteimitglieder haben Sie und Ihre Partei als eine internationale Avantgarde und ihren Regierungseintritt als einen wirklichen zivilisatorischen Fortschritt betrachtet. Für kurze Zeit glaubten wir, daß es endlich ein Ende haben würde mit der Art und Weise, wie Ihr Land unsere Probleme bis
lang gelöst hat, und daß eben Sie auch uns helfen würden, all jene Ideale der internationalen Grünenbewegung zu verwirklichen: die Identifizierung der wirklichen Krisenzentren, Pazifismus, Entmilitarisierung der Politik, gesellschaftliche Transparenz politischer Ziele und Entscheidungsmechanismen auf der Grundlage freiheitlicher und humanistischer Prinzipien. Diese Einsichten in die Ideale verdankten wir nicht zuletzt Petra Kelly und Gerd Bastian, aber auch dem Umstand, daß die Unterzeichnerin dieser Zeilen Mitglied der Anti-AKW-Bewegung in Deutschland war und alle Appelle gegen Atomwaffen u

Das alles gibt und das Recht, offen und deutlich zu sagen: Heute sind wir Zeugen einer schrecklichen Wahrheit - Sie haben als Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, eines Landes, das durch Sie der Welt zeigen sollte, daß die Avantgarde eine politische Realität ist, das Ansehen der Grünen in der Welt verspielt; Sie haben den Zielen all jener Strukturen gedient, auf deren Kritik die internationale Grünenbewegung gewachsen ist und Sie ins Parlament kamen.

Ihre Zustimmung zur militärischen Intervention der NATO, die ein mächtiges Instrument jenes Establishments ist, das diesen Planeten an den Rand der Katastrophe gebracht hat, kennzeichnet das Ende des utopischen Potentials Ihrer Partei und hat sie auf einen kleinen politischen Kommissar reduziert, der grüne Stempel moralischer Annehmbarkeit von Aktionen verteilt.

Ich möchte Sie daran erinnern, daß die Experten, die die neue Politik der USA und Ihres Landes planen, hartnäckig die These vertreten haben, daß die Friedensbewegung und die Grünen in Deutschland das Haupthindernis für die stärkere Einbindung Deutschlands in die NATO-Strukturen darstellen. Bekannt ist Ihnen sicher auch die Strategie, die angewandt wurde, um das Friedensbewußtsein der deutschen Bundesbürger als ein wahrhaftiges Fundament für Reformen in Europa zu schwächen. Gerade Ihnen mußte man alle Argumente gegen militärische Interventionen aus der Hand schlagen. Und das ist gelungen.
Sie, Herr Fischer, verteidigen die Lügen einer mächtigen Propagandamaschinerie, die nach dem Kalten Krieg neue Aufgaben für die gleichen Machtzentren gefunden hat, die Ihre wichtigsten politischen Gegner gewesen sind. Sie beschäftigen sich zutiefst moralisch mit den Folgen unserer Krise und unseres

Deshalb haben Sie aufgrund Ihres veränderten politischen Standpunktes kein Recht, im Namen der Grünen am Mechanismus der Gewalt teilzunehmen, der nicht nur diejenigen zu Opfern macht, die den Bombardierungen ausgesetzt sind, sondern auch die Albaner im Kosovo, deren politische Vertreter die NATO gerufen haben und die eben deshalb zu großen Opfern werden.

Es ist ein unermeßlicher Zynismus, daß die deutschen Grünen die NATO, deren militante Grundlagen Sie sehr wohl kennen, als die Hüterin europäischer Werte zu Hilfe rufen. Allein dieser Zynismus würde ausreichen, um die Grünen dazu zu zwingen, aus der Regierungskoalition auszutreten und allen Ernst
es ihre Prinzipien zu überprüfen, sofern sie nicht wünschen, ein Schlüsselfaktor in einem Prozeß zu werden, der die Welt in eine Katastrophe führt.

Wir möchten Sie auch daran erinnern, daß es uns als Serben nicht gestört hat, daß die Vorsitzende unseres Parteirats zur lebenslangen Ehrenvorsitzenden der Grünen Partei Albaniens ernannt wurde. Das belegt nur, daß eine Partei aus der Republik Serbien und der Bundesrepublik Jugoslawien keine Prob
leme damit hatte, in Kontakt zu treten mit ihrer Schwesterpartei in Albanien und ihre Bereitschaft an der Zusammenarbeit bei der Annäherung der beiden Staaten zu erklären. Und die Freunde aus Albanien hat es auch nicht gestört, daß sie Serbin ist.

Aber Ihre Partei, die unsere politische Orientierung kannte, hat unser Angebot nie angenommen, daß wir Serben und Albaner zusammen mit den europäischen Grünen vertrauensbildende Maßnahmen unserer beider Staaten in die Wege leiten und in ihre Politik Elemente des Vertrauens tragen, die auf eine Verbesserung der politischen Atmosphäre hinwirken und den Raum für konstruktive zwischenstaatliche Beziehungen schaffen würden.

Sie haben mehr als fünf Jahre geschwiegen und schweigen auch jetzt, wo Sie uns hätten fragen sollen, wie wir alle von Belgrad nach Tirana gehen können, um Auswege aus dieser Ausweglosigkeit zu finden. Sie haben uns sogar als Bekannte nicht gefragt, wie es uns jetzt geht, obwohl wir im Rahmen unserer Möglichkeiten stets sehr gerne Gastgeber für die angesehenen Vertreter der deutschen Grünen gewesen sind. Wenn schon nicht wegen irgendetwas anderem, dann zumindest wegen unserer Anstrengung der letzten zehn Jahre, den Zerfall unseres Landes, wenn wir ihn schon nicht aufhalten konnten, schmerzloser zu machen, haben wir es verdient, daß Sie uns fragen, wie es uns nachts geht, wenn wir unsere Kinder in den Arm nehmen und die zerstörerischen Explosionen hören.

Es tut uns um jeden Menschen unendlich leid, der in diesem sinnlosen Krieg zum Opfer wird, und noch mehr tut es uns leid, weil wir alle besser zusammengelebt haben, als Sie es sich vorstellen können, und weil Sie dies aufgrund einer kardinalen Unkenntnis des Geschäfts mit Ihrem unverantworlichen
Politikantentum verhindert haben.


Unsere Hochachtung werden Sie nur dann haben, wenn Sie zur internationalen Grünen-Bewegung Ihren Beitrag leisten und als Außenminister der Bundesrepublik Deutschland mutig Ihren Rücktritt erklären.

Branka Jovanovic

Vorsitzende des Parteirats der Neuen Grünen Partei

Ehrenvorsitzende der Ökologischen Partei Albaniens

branka_j@yahoo.com

branka_j@yutarget.com