ROM e.V.
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„Ethnische Säuberung“ jetzt der ROMA
Die Hintergründe


Gegenwärtig findet durch UCK gelenkte Banden eine Massenvertreibung der Roma statt, die in ihrem Ausmaß, zumindest prozentual (gemessen an der Gesamtzahl der Kosovo-Roma) bereits die Vertreibung der Albaner übersteigt. Deutsche und andere Kfor -Truppen sehen (ohnmächtig?) zu. Schlimmer:Es genügt aber offenbar nicht, daß die Roma vertrieben, gebrandschatzt, gefoltert und ermordet werden, man nimmt ihnen auch noch die Ehre: Das von Kosovoalbanischen Nationalisten schon in den 80er Jahren propagierte Konzept des “ethnischen reinen Kosovo“ (s.u.) wird jetzt exekutiert, am sichtbarsten zunächst an den Roma. Die westlichen Medien aber scheuen sich nicht, die plumpen Vorwände der UCK, dies alles sei eine Abrechnung mit Kollaborateuren der Serben, ungeprüft zu kolportieren.

Die internationale Presse, insbesondere amerikanische und britische Zeitungen berichten seit 1998 von Übergriffen auf Roma im Kosovo durch die UCK , seit Kriegsbeginn durch serbische Milizen und UCK und von Diskriminierung und
Pogromen in Flüchtlingslagern Mazedoniens durch Kosovoalbaner . Unser Verein hat die deutschen Medien, die bis vor wenigen Tagen keine Notiz von den Berichten ihrer internationalen Kollegen nahmen, bereits vor Wochen auf die katastrophale Lage der Roma als Opfer von Natobomben und beider Bürgerkriegsparteien in Kenntnis gesetzt. Nach dem Einmarsch der Truppen der Nato und der UCK hat sich die Lage der Roma so dramatisch verschärft,
daß seit wenigen Tagen auch deutsche Medien dies nicht mehr ignorieren können: Folterräume der UCK in Prizren, Brandschatzungen in Obilic, Mitrovica, Pec, Pristina Vertreibungen und Morde durch „Albaner“ überall:.

Die verleugneten Hintergründe
Es ist eine Sache, daß die Medien seit Monaten beharrlich ignorieren , daß es im Kosovokonflikt nicht nur um zwei Volksgruppen geht (stereotype Wiederholung: 90% Albaner, 10% Serben), sondern daß mindestens 15% der Einwohner anderen Minderheiten angehören: den Goranen, Aromunen, Bosniern, Montenegrinern, Muslime(Türken) und der größten dieser Gruppen: den Roma. Das Schicksal dieser Gruppen, nämlich Opfer beider Bürgerkriegsparteien zu sein, wird
dann natürlich ebenso konsequent ausgeblendet. Dies alles ist bedauerlich genug. Schlimmer ist es aber, wenn die Medien die Sprachregelung der UCK übernehmen, daß ihre Leute jetzt lediglich die Roma als Kollaborateure der serbischer Massenmörder zur Rechenschaft ziehen.
Solch einen Rachefeldzug finden einige Journalisten dann zwar nicht gerade schön, aber auch nicht ganz unverständlich. Im Handumdrehen wird eine Volksgruppe, die offensichtlich gerade Opfer einer endgültigen ethnischen Säuberung wird,
insgesamt zu Tätern stilisiert, um eben diese Vertreibung zu rechtfertigen.
Man trachtet den Roma nach dem Leben und nimmt ihnen auch noch ihre Ehre. Man nimmt möglicherweise vorgekommene (bis heute aber in keinem Fall bewiesene) Übergriffe einzelner Personen zum Anlaß die gesamte Volksgruppe zu verfolgen und einer Lynchjustiz auszusetzen. Das ist nur möglich auf Grund der seit Jahrzehnten
heftigen politischen Auseinandersetzungen zwischen Kosovovalbanern und Kosovoroma und auf Grund des
Politischen Ziels eines „ethnisch reinen Kosovo“, das albanische Nationalisten bereits in den 80er Jahren forderten (s.u.) und jetzt umsetzen wollen.

1.ROMA seit Jahrhunderten zwischen den Fronten des Kosovo.

Seit ca. 500 Jahren sind Roma im Kosovo ansässig. Sie geraten mit dem Aufkommen des großserbischen und großalbanischen Nationalismus, die sich seit dem 19 Jahrhundert um das Kosovo streiten, zwischen die Fronten wie andere Kosovominderheiten auch. Zunächst in den Balkankriegen 1912/13. Mit der Errichtung des großalbanischen Reiches von Mussolinis und Hitlers Gnaden werden neben den Serben auch Roma und Juden vertrieben und ermordet. Nach 1945 setzen sich die Pressionen gegen die Roma fort, weil sowohl Serben wie Albaner im Kosovo von den Roma und anderen Minderheiten absolute Loyalität fordern. Beide Seiten zwingen sie bei Volkszählungen als Nationalität „Serbe“ oder „Albaner“ einzutragen, um die Prozentzahlen für die jeweilige Seite nach oben zu manipulieren. Bei politischen Versammlungen und Demonstrationen werden Roma
gezwungen sich zur jeweils lokal dominierenden Gruppe zu bekennen.


Dem Rom e.V. liegen zahlreiche Augenzeugenberichte vor, daß seit den 70er Jahren insbesondere während der „Autonomie“ von kosovoalbanischer Seite solche Loyilitätsbezeugungen auch durch Drohungen, Prügel, Zerstörungen und Mordanschläge erzwungen wurden. Da Arbeitsplätze, gesundheitliche Versorgung und Bildungsmöglichkeiten nach einem
Volksgruppenschlüssel von den beiden Hauptgruppen monopolisiert wurden, sahen sich viele Roma gezwungen auch bei der Beantragung von Pässen sich als Albaner oder Serben auszugeben. Die Pressionen verschärften sich als seit Ende der 80er Jahre serbischer und kosovoalbanischer Nationalismus die Entscheidung suchen, schließlich sogar militärisch. Was immer eine Romafamilie versucht, ob sie sich als Serben. Albaner oder selbstbewußt als Roma ausgeben, sie waren lange vor dem Kosovokrieg immer die Verräter, für die eine oder die andere Seite. So wird selbst die Tatsache, daß sich Roma
sowohl in albanischen Vereinigungen engagierten als auch in politischen Institutionen der Serben von der jeweils anderen Seite als Verrat gewertet. Daß Romavertreter zur serbischen Verhandlungsdelegation in Rambouillet gehörten (!), wurde ihnen von der UCK als Hochverrat angekreidet, wie umgekehrt die Tatsache, daß Rugova versuchte Romavertreter für sich zu gewinnen.

2. ROMA keine einheitliche Gruppe.

Roma im Kosovo sind sozial wie politisch eine äußerst heterogene Gruppe. Sie werden zwar in der Außenwahrnehmung
von Politikern und Journalisten in der Regel als einheitliche „ethnische Volksgruppe “ definiert. Dies waren sie aber auch im Kosovo zu keinem Zeitpunkt. Es gibt orthodoxe, muslimische, nichtreligiöse Roma und Derwischroma. Neben
denjenigen, die als Nationalität (freiwillig oder gezwungen)„Albaner“, „Serben“ oder „Roma“ angaben, formierte sich auch noch die Gruppe der „Ägypter“, muslimisch-albanisch geprägte Roma, die einen eigenen politischen Status beanspruchten. Es gibt traditionsbewußte Romafamilien und assimilierte, die selbst ihre Sprache das Romanes verloren
haben. Darüberhinaus gab und gibt es unter der Romabevölkerung auch erhebliche Unterschiede, ja Gegensätze, was die wirtschaftlichen Verhältnisse und das Bildungsgefälle betrifft. Mehrere zehntausend Roma sind seit den 70er Jahren zudem
aus dem Kosovo nach Westeuropa emigriert oder in der letzten Jahren geflohen; ihre Kinder inzwischen z.B.auch deutsch sozialisiert. Die religöse, politische und soziale Zersplitterung der Roma verbietet es, sie in erster Linie als ethnische Einheit zu definieren: das ist die gewollte Außensicht ihrer Gegner, einheitlich ist allenfalls ihre Diskriminierung von allen Seiten.
Es ist die mythologisierte ethnische Falle, in die deutsche Antisemiten auch die Juden immer wieder einsperrten, unabhängig davon wie groß deren Distanz zum Judentum oder ihre soziale Vielfalt war. Die ganze (Medien-) Wahrnehmung der Balkankonflikte läuft mittlerweile auf dem Hintergrund einer im Grunde rassistischen Neukonsrtuktion sog. ethnischer Einheiten.


3.“Ethnische Reinheit“ der Kosovo gegen die ROMA

Roma waren im Kosovo wie in ganz Jugoslawien bzw auf dem Balkan immer eine „Streuminorität“, wenn auch insgesamt sehr zahlreich: im eh. Jugoslawien wurden bis zu einer Million Roma geschätzt, in Rumänien z.B bis zu 2 Millionen. Neben kulturellen Faktoren war dies ein Hauptgrund, daß Roma nie eine „Nationalbewegung“ etwa gar mit territorialen
Ansprüchen entwickelten. Zu keinem Zeitpunkt haben sie andere Volksgruppen unterdrückt oder gar bekriegt. Im Gegenteil sie waren in allen Balkankriegen vor allem Opfer. Sie waren auch die ersten Opfer des Zerfalls bzw.
der Aufteilung Jugoslawiens, denn alle Nachfolgestaaten versuchten die Erteilung ihrer Staatsbürgerschaften so zu manipulieren, daß gerade Roma ausgeschlosssen werden konnten. So gesehen sind die Roma, deren Verwandtschaft in der Regel über alle jugoslawischen Teilrepubliken verstreut ist, die Hauptopfer der Ethnisierung der Balkanstaaten.
Was das Kosovo betrifft so erklärten kosovo-albanische Nationalisten schon in den 80er Jahren, daß das Ziel ihrer Politik die „ethnisch Reinheit“ des Kosovo sei. Die Parole >Kosova Republika< zitiert die Frankfurter Rundschau 1984
>maßgebende kosovoalbanische Kreise< „ist durch die Losung vom ethnisch reinen Kosovo ergänzt worden. Danach soll das Kosovo in ein rein albanisches Territorium, frei von anderen Nationalitäten umgewandelt werden.“ FR 8.10.84
(vgl. FR 10.12.83; FAZ 4.4.85, Die Welt 17.1.86).
Diese Parole richtete sich nicht nur gegen Serben, sondern auch gegen allen anderen nichtalbanischen Minderheiten, die - wie die Roma - als unzuverlässig galten.

4. Die ROMA sind im Grunde die letzten „echten“ Jugoslawen, dh Bürger eines Vielvölkerstaates, die an der Illusion festhalten, daß ein multikulturelles Zusammenleben möglich sein muß.
Daher genießt der Kroate Tito bis heute unter den Roma einen legendären Ruf, weil er nach ihrer Meinung Nationalismus und Rassismus in allen Republiken entschlossen entgegentrat. Unter der faschistischen Besatzung Jugoslawiens, waren die
Roma mit den Juden die ersten Minderheiten-Opfer. Viele von ihnen verteidigten die Ehre ihres Volkes, in dem sie zusammen mit antifaschistischen Serben, Kroaten und Albanern als Partisanen den deutschen Besatzern und ihren kroatischen, bosnischen und albanischen Verbündeten entgegentraten. Es gibt zahlreiche Denkmäler für Romapartisanen in ganz Jugoslawien

5.ROMA - mißbraucht auch im Bürgerkrieg.
Im Kosovokrieg trafen Natobomben zahlreiche Romaviertel und zwar deswegen weil Roma oft in der Nähe von „militärischen“ Zielen wie Flughäfen, Kasernen, Raffinerien, Chemiefabriken etc. also in von der Mehrheitsbevölkerung gemiedenen Gebieten siedeln. Die Flucht wurde ihnen von serbischen Truppen oft verwehrt. z.B.nach Serbien, wie selbst
heute noch, weil sie auch dort unerwünscht sind (trotzdem haben ca.10.000 Romaflüchtlinge mittlerweile in Serbien Unterschlupf bei vVerwandten gefunden- unter unglaublich ärmlichen Verhältnissen). Auch die Flucht nach Mazedonien zu ihren Verwandten wurden oft verhindert, wie im April in Mitrovica, wo dasRomaviertel wochenlang von serbischer Polizei umstellt war. Selbstverständlich rekrutierte das serbische Militär auch wehrpflichtige Roma zu Einsätzen im
Kosovo , während die UCK in vielen Orten Roma zu Spenden zwang oder junge Männer ebenfalls rekrutierte.In anderen Orten suchten Albaner Zuflucht vor der serbischen Miliz bei Romanachbarn und wurden von diesen versteckt. Ältere Roma wurden von der serbischen Armee gezwungen, Hilfsdienste zu leisten: z.B. bei derBeseitigung von Massakeropfern. Nach der Zerstörung der Infrastruktur und von Häusern und der Verletzung und Tötung von Menschen aus allen Volksgruppen durch Natobomben, werden ohne Zweifel Zivilisten (Serben, Albaner oder auch Menschen ánderer
Minderheiten wie die Roma) die zurückblieben und obdachlos auch in Wäldern von Hunger und Krankheiten bedroht waren, sich auch fremdes Gut angeeignet haben, nicht anders als die hungernden Deutschen nach dem 2. Weltkrieg.

Es entspricht dem Hochmut von medialen Schreibtischtätern jetzt darüber zu Gericht zusitzen oder gar die rassistische Begründung für die Säuberungs- und Racheackte der UCK zu kolportieren. Die Hauptgrund hinter den Vorwänden
ist sowieso die Tatsache, daß die UCK die Roma grundsätzlich als unzuverlässig im jetzt anstehenden Endkampf um die
Unabhängigkeit des Kosovo sieht und für zukünftige Volksabstimmungen endgültige Fakten schaffen will. Roma, Serben und andere Minderheiten sollen im Kosovo keine Rolle mehr spielen dürfen. Die Mordaktionen gegen die Roma und ihre
Vertreibung durch den Natopartner UCK und kosovo-albanischen Mob sind offen rassistisch, auch deswegen, weil sie mögliche Straftaten einzelner als Vorwand für die Verfolgung eines ganzen Volkes nehmen. Diese Begründung entspricht
bis ins Detail der NS Begründung für die Deportationen der „Zigeuner“ als „Verbrecherrasse“, mit der bekanntlich den Sinti und Roma noch bis in die 60er Jahre die Wiedergutmachung verweigert wurde. Es ist ein Symptom für den noch immer virulenten Antiziganismus, daß alle Medien gedankenlos oder gar bewußt diese globale Diskriminierung der Roma
als ausreichende Begründung weitergeben, ohne sich über die Hintergründe dieses neuen Versuch einer (End?-) Lösung der Romafrage im Kosovo zu informieren. Nachdem kosovoalbische Nationalisten - wie oben erwähnt -schon in den 80er Jahren die „ethnische Reinheit“ (s.o.) des Kosovo forderten, finden sie jetzt endlich, die Chance diese auch
–umzusetzen: an Roma, Serben und anderen Minderheiten. Ein französiche Kfor-Offizier äußert die Vermutung,
daß bestimmte Natotruppen die Vertreibung aller Nichtalbaner nicht ungern sähen, weil dies die Sicherheitsprobleme erleichtere.
Deutsche Kfortruppen lassen UCK-Terroristen einfach laufen auch wenn sie gerade beim Foltern von 12 Roma und 3 Serben erwischen, wie in Prizren.


Der ROM e.V. hat zusammen mit der Romani Union Berlin, der Roma Union Grenzland Aachen und dem Frankfurter Roma-Förderverein bereits vor Wochen gefordert, daß die Natostaaten, insbesondere die BRD eine besondere Verantwortung auch für die nichtserbischen und nichtalbanischen Minderheiten im Kosovo tragen. Romavertreter müssen jetzt erst recht als gleichberechtigte Partner an einer zukünftigen Ordnung des Kosovornmitbestimmen dürfen und in den Genuß internationaler Garantien für die volle Anerkennung ihrer kulturellen Autonomie kommen.
Angesichts der nunmehr nicht mehr zu leugnenden brutalen Verfolgung der Roma und anderer Minderheiten im Kosovo und der offensichlichen Weigerung serbischer Stellen die Romaflüchtlinge aufzunehmen, steht die Verpflichtung der BRD diese Menschen jetzt aufzunehmen wohl endgültig außer Frage.

Köln, 28.6.99

Kurt Holl
privat: 506 72 Köln, Friesenwall 62, Tel.
0221/253876 Fax 0221/255003
E-Mail: holl@netcologne.de

Der ROM e.V. hat ein Konto eingerichtet auf das unter dem Stichwort „Romahilfe Kosovo“ Spenden
eingehen können. Spendenbescheinigungen werden ausgestellt. Stadtsparkasse Köln BLZ 37050198
Kto. 10 442 622