Notizen-Berichte-Projekte-Ereignisse-Schlimmes-Gutes…zum und über den/die KRIEG(E):

Ausgebracht in der 5. oder doch schon 6. Woche des Krieges der NATO gegen Jugoslawien----

Plötzlich werden "alte Nachrichten" ganz frisch, ja unangenehm berührend, wie aus DIE ZEIT v. 10.11.95: "Würdest du auf mich schiessen? Bis der Krieg aus ist, wird es noch lange dauern. Solange üben Bosnier, Kroaten und Serben einer Münchener Hauptschulklasse schon mal Frieden." In einer deutschen Schule sind Kroaten, Serben und Bosniaken zusammen. "Ein 15jähriger bosnischer Serbe hat schon sein erstes Kriegserlebnis hinter sich, als hinter dem Haus seiner Eltern die Front verlief. Soldaten haben ihm gezeigt, wie man mit einer Handgranate umgeht und mit einer Kalaschnikow hat er auch schon geschossen. 'Auf Menschen?' fragen ihn die anderen Schüler. 'Nein, Nein, nur mal so in die Bäume geballert (nicht gezielt geschossen), passiert ist dabei nichts.' … 'Würdest du auch auf Menschen schiessen?' fragt eine Klassenkameradin. - 'Nein, niemals. Aber wenn ich angegriffen würde. Ich müsste mich doch wehren. Vielleicht doch.' - 'Würdest du mich erschiessen?' will es ein kroatischer Klassenkamerad ganz genau wissen, und Aleksander schüttelt nur den Kopf, erscheint ihm die Frage doch überflüssig: 'Wir haben doch versprochen und unterschrieben, dass wir keine Feinde sein wollen.' …
(Dunja aus Sarajewo darf nicht ins Landschulheim mit.) "Weil, wie sie erzählt, ihr Vater findet, dass zuviele Serben in der Klasse sind. … Selbst die Intervention der Klassenlehrerin hat nichts genutzt. 'Manchmal gibt es richtig Streit', gesteht Elvis, 15 J. und ein Muslim aus dem montenegrinischen Sandzak. 'Es ist sogar schon vorgekommen, dass wir zu schlägern (schlagen) angefangen haben. Dann schimpft einer auf Grossserbien, ein anderer auf die Kroaten zurück und schon wird es hitzig. Wir haben auch schon darüber gestritten, welches Land von welchem abhängig ist und welches ohne das andere verhungern würde.'
… Und dann (wenn sie zurück nach Bosnien, Serbien, Kroatien müssten) könnte es passieren, dass sie dort zur Armee eingezogen werden. 'Und dann wären wir Feinde, obwohl wir doch gar keine sein wollen', befürchten sie."
Allerdings glaubt keiner der Schüler, dass der Krieg so bald zuende ist……….

Vom 6.10.95, DIE ZEIT: "Wer nicht floh, musste sterben - Kroatische Soldaten säubern die Krajina von den letzten Serben. Zeugen werden erschossen, Leichen verscharrt. … Präsident Tudjman erklärte, der Feldzug beseitige ein jahrhundertealtes Sicherheitsrisiko im kroatischen Grenzland, das die Donaumonarchie einst mit Serben als Bollwerk gegen das osmanische Reich besiedelt hatte." /Vor dem Krieg lebten in Kroatien 22% Serben, heute noch 3%./
-Nun herrscht wieder Frieden im Land, wie schön.-

Ganz aktuell oder hübsch-treffend wie die NZZ vom 23.4.99, es war ein Freitag und Lissabon aalte sich unter einer blitzenden Sonne: "Asiatische Gedanken zum Krieg in Jugoslawien. … Ein Bekannter, der aus Shanghai nach Hongkong ausgewandert ist … beklagte sich bitter über die Berichterstattung im World Service der BBC zum Krieg in Jugoslawien. … Wiederholt hätten die Reporter ihr Entsetzen darüber ausgedrückt, dass mitten in Europa sich am Ende des 20. Jahrhunderts eine Tragödie von solch apokalyptischen Dimensionen abspielen könne. 'Als ob die Europäer etwa besonders zivilisiert wären!
Nach alldem, was sie sich im 20.Jahrdt. geleistet haben, kann man gar nicht erwarten, dass sie besser sind als die Khmers oder die Rwander.'
In Washington, so meint ein indischer Journalist, habe man sich doch nur zum Kriegsgang entschlossen, weil auf den Bildschirmen Flüchtlinge mit weissen und nicht mit schwarzen oder braunen Gesichtern zu sehen sind.

Vielleicht ist es am Ende garnicht mehr verwunderlich, dass Konservative eher gegen diesen Krieg sind als ehemalige vermeintliche oder echte Linke, denn letzteren ist immer noch ein missionarischer Geist eigen. Heute sollen die Menschenrechte rigoros durchgesetzt werden, und willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich dir den Schädel ein…

Willy Wimmer ist CDU-Sicherheitsexperte und war Staatssekretär im Bundesverteidigungsmin., die SZ führte mit ihm ein Interview am 24.4.99 "Die Bomben zerstören mehr als sie schützen."
Wimmer beklagte die Missachtung des Völkerrechts durch die Luftangriffe der Nato. "Schon lange warnt Wimmer vor einer Militarisierung der Aussenpolitik. Der Nato warf der Vizepräsident der OSZE-Versammlung vor, sie habe 'die europäischen Ansätze zur Streitbeilegung im Kosovo an die Wand geschmissen'. Wimmer: 'Noch im letzten Jahr hat man sich geweigert, bei der Fussballweltmeisterschaft ein Teilnahme-
verbot gegen Jugosl. zu verhängen. Und die Briten haben sich geweigert, die Flugverbindungen nach Belgrad einzustellen.. Man kann sich doch nur an den Kopf fassen, wenn die Leute, die so kleine Massnahmen ablehnen, anschliessend übrehaupt keine Skrupel haben, den Einsatz von Bombern zu befehlen.'

'Wer eine stärkere Rolle Europas in der Welt verhindern will, muss den Rechtsrahmen, den die Vereinten Nationen bieten, kaputtmachen. Wenn wir uns für die Menschenrechte in aller Welt engagieren, findet das seine Grundlage in der UN-Charta.' /Wenn ich jetzt auf Menschenrechte hinweise, dann werde ich doch ausgelacht/ 'Den Amerikanern liegt wenig bis nichts an der UNO - sie zahlen auch ihre Schulden bei den Vereinten Nationen nicht. Die USA setzen auf andere Weise ihre speziellen nationalen Interessen durch.'

Mittenmang in all dem gedrucktem Wust: ein Hoffnung machender Artikel über eine kleine Initiative in Mostar in Bosnien, DIE ZEIT, 22.4.99: "Musik zum Überleben. - Das Pavarotti-Zentrum in Mostar eine Bastion gegen den Hass und die Alpträume des Krieges."
"Nirmen, 28 Jahre alt, Muslim und in Mostar zu Hause, ist mit den Ohren bei den Drummern, die im Pavarotti-Musikzentrum gerade auf ihre Trommeln schlagen, während Nirmen an seiner Pizza kaut. 'Ich hatte grossen Hunger', sagte er unvermittelt. Und dann beinahe zynisch: 'Wenn wir 1993 eine Pizza gehabt hätten, dann hätten wir heute wahrscheinlich ein Stück der kroatischen Küste. Aber wir hatten einfach nichts zu essen.' "
Worum handelt es sich bei dem Pavarotti-Musikzentrum in Ost-Mostar? Gegründet 1997 von Helfern in Bosnien, unterstützt durch Spenden des Tenors Pavarotti, begann es mit der Organisation War Child und einem Briten David Wilson, der seit 94 dort tätig ist. Die wollen Hilfe zur Selbsthilfe geben, sodass etwas dableibt; aus Therapiegründen zog man vor allem Musikprojekte auf: "Musik als Nahrung für die Seele". Die eine Gruppe baute eine Bäckerei auf, die noch heute Brot liefert, die andere kümmerte sich um
Kinder & Jugendliche und spielte & hörte in Kellern Musik. "Wir sagten uns damals, sie wollen uns zerstören, sie wollen uns entmenschlichen, aber wir sind noch immer Menschen, wir sind noch immer junge Leute. Wenn wir Musik spielen, dann spielen wir sie laut. … Das war Teil unseres Überlebens-kampfes."
Was tun sie? " Sie stellen Musikern gegen geringes Entgelt professionelle Tonstudios zur Verfügung, bilden Diskjockeys aus, organisieren Workshops in Schulen u. Flüchtlingslagern; sie bieten Musik und Tanz als Therapie , als Möglichkeit zur Bewältigung von Traumata, als Chance zur Versöhnung."
Brian Eno und David Bowie helfen im Hintergrund.
Mili, Mitarbeiter des Zentrum: "Oft haben wir die ganze Nacht getrunken und gesungen. Jimi Hendrix, Antikriegslieder, Bob Marley, Revolutionslieder. … An manchen Stellen waren wir nur ein paar Meter von den Kroaten entfernt. Manchmal schossen sie dann nicht mehr, sondern hörten zu. "
"Wir waren hier 60.ooo, eingeschlossen und keiner konnte weg. Kein einziges Haus stand mehr. Alles war zerstört. Auf der anderen Seite hatten sie alles. Und dann wieder 30 Granaten. Was wollten sie denn noch umbringen? Die Ameisen oder die Vögel? Sie wollten die Stadt ethnisch rein haben. Ein Scharfschütze hat ein Fernrohr, er sieht doch, ob er ein Kind umbringt, das neun Jahre alt ist." (Amir, der bei Kriegsbeginn 14 war)
Und das Zentrum arbeitet offensichtlich immer noch und möglicherweise mit einigem Erfolg…. wenngleich alle diejenigen, die auf der anderen Seite wohnen (hier: im Westen) Schwierigkeiten mit der kroatischen Seite (auch Polizei) bekommen haben…
Und schon 1995 führte die Nato "Luftangriffe" gegen serbische Stellungen in Bosnien durch, nachdem Serben UNO-Schutzzonen mit Granaten belegt haben und 37 Menschen getötet haben.
Der Tagesspiegel v. 31.8.95 übertitelte "Heftigster Militärschlag in der Nato-Geschichte" u. "Der
Nato-Schlag gegen die Serben.". Leider war dies die Zeit, in der bosnische Serben immer und wieder Sarajewo, Gorazde, Tuzla, Bihac angegriffen hatten. Seinerzeit gab es also die Nato als UNO-Truppe und diese nicht nachvollziehbaren grausamen Belagerungen durch bosnische Serben; damals schon wurden Flughäfen, Munitionslager, Öldepots etc. bombardiert. Was mag denn heute noch intakt sein?

Dagegen ist der Bericht eines Flüchtlings aus dem Flüchtlingslager in Blace gekennzeichnet von Hoffnungslosigkeit und Resignation, aber auch von Lehren, die erschrecken, nämlich, dass sie, die Albaner niemals mehr ohne Bewaffnung sein dürften, obwohl die Albaner in der Geschichte niemals angegriffen hätten…
Niridon flüchtete am 22.3. aus Pristina, das er als eine herrliche und lebendige Stadt schilderte.
Er kam vorher nach Deutschland, weil er eingezogen werden sollte und beantragte politisches Asyl, was er erhielt. Er blieb 2 ½ Jahre in Buxtehude und sagt: "Die Zukunft ist gestoppt. Wir haben anderes zu tun."
"Es ist nicht so schlimm, wie du glaubst. Die Dummen sterben. Du musst schlau sein."
In den Kosovo ist er freiwillig zurückgekehrt.
"Kannst du dir vorstellen? Krieg in der Schweiz?"
Oft haben ihn die serbischen Polizisten schikaniert und abkassiert. "Tiere". Er hat erfahren, dass ein Leben jetzt in Pristina 500 Mark kostet. "Wenn es Gott gibt", sagt er, dann müsse Serbien bald schwach sein. Es komme sowieso alles von oben. Auch die Bomben."

Beim Stöbern findet man manchmal Erstaunliches: Hier handelt es sich um ein paar schweizer Weisheiten: da sie in einigen Kriegen so sehr verloren, zogen sie es vor, ihre Politik zu ändern und eine Politik der Neutralität einzuleiten:
"Anfang des 16. Jahrhunderts nahmen schweizerische Truppen in den Kriegen zwischen Italien und Frankreich die italienischen Gebiete ein, aus denen später der Kanton Tessin hervorging. Danach griffen sie als Gegner Frankreichs selbständig in den Kampf um italienische Gebiete ein und erlitten 1515 bei Marignano eine Niederlage. Dieser militärische Rückschlag führte zu einem Umdenken und leitete die Neutralitätspolitik der Schweiz ein." (aus Encarta, 1998)
Nochmal der selige Frieden der NATOD: Schriftsteller sind natürlich nicht die besseren Historiker, die besseren Militärs, die besseren Analytiker, die besseren Friedensleute und nicht mal die besseren Menschen. Aber, wenn ich mal nur 2 zitiere, dann klingt das doch recht eigenartig-überzeugend:
Mircea Dinescu ist rumän. Lyriker, 1950 geb: "Die Dummheit, einige Völker für böser als andere zu halten, ist eine Krankheit, mit der man sich schnell anstecken kann. Und wenn man gegen eine Nation einen Medienkrieg mit planetarischen Dimensionen führt, darf man sich nicht wundern, wenn die kleine balkanische Konserve, die man mehr als 8 Jahre lang auf kleinerem Feuer erhitzt hat, urplötzlich und hysterisch explodiert und alles rundum verschmutzt. Bevor noch die Nato Serbien besiegt hat, hat CNN schon das serbische Fernsehen in die Knie gezwungen." … "Vor einigen Jahren hörte ich, dass ein paar Freunde der Umwelt in Berlin gegen den Abriss der Mauer waren, weil die Welt der Ritzen zwischen den Mauersteinen angeblich das einzige Biotop einer gewissen Gattung kleiner Käfer war. Wenn dies nicht nur ein Gerücht ist, dann sollten die westlichen Freunde der Umwelt auch bedenken, dass das Errichten von abstrakten Mauern in Osteuropa ähnlich grosse Dramen einer anderen Gattung verursacht. Einer Gattung nämlich von Lebewesen mit Hut und Mantel und zwei Beinen. Das sind wir selbst, diese kleinen Käfer vom Balkan."
Und Angel Wagenstein, geb. 1922, ist Bulgare: "Ob die Nato als Gegengewicht zum Warschauer Pakt gegründet wurde oder ob es umgekehrt war, das spielt keine Rolle. Heute gibt es keinen Warschauer Pakt mehr - "Brot und Messer" befinden sich in den Händen der Nato. Ich weiss nicht, ob die barmherzigen Samariter darüber nachgedacht haben, was nach ihrer Einmischung hinter ihrem Rücken der Vereinten Nationen auf der Balkanerde bleibt. Weil sie so oder so abziehen werden - und wohl kaum als Sieger, sondern eher, ohne ihre Ziele erreicht zu haben. Was dann bleibt, wird wird weder ein gerechter Friede sein noch gute Nachbarschaft. Wie immer das Schicksal des Kosovo ausfallen wird - ob es bei Serbien verbleibt oder nicht -. In dieser unbefriedeten Region wird noch lange keine ethnische Toleranz einziehen.
Darum können die Bomben nichts ändern. Keiner fragt die Schriftsteller um Rat, dabei brauchen sie ihn so nötig, die im Nebel irren! Die literarischen Neigungen oder Todeserzeuger beschränken sich auf die Abfassung von Ultimaten und Berichten über erfolgreiche Bombenangriffe. … Doch sie (Wege des Dialogs) enthalten mehr Hoffnung auf eine gute Welt als die Wege zum ungeduldigen, alles verschlingenden Krieg. Das lehrt die Geschichte des Balkan. Setzt ihn nicht in Brand, weil es dann keine Furt durch das Feuer geben wird!" (Aus der FAZ, 14.4.99)

Aufregender erscheint mir ein Artikel des ungarischen Schriftstellers Georgy Konrad mit dem Titel:
"Der Rückfall in den Anfang dieses Jahrhunderts."
"Überall in Europa stossen die Bombardierungen auf Missbilligung, im privaten Gespräch, weniger in der Öffentlichkeit. Die Opponenten müssen befürchten, als Vaterlandsverräter beschimpft zu werden." … "Dass die albanische Massenflucht wegen der Bombardierungen eingesetzt hätte, behaupte ich nicht, wohl aber, dass sie nach deren Beginn in Gang gekommen ist."…
"Tatsache ist, dass sie (die Nato) auch das Kosovo zerbomben, dem sie angeblich Beistand leisten. Die beiden Völker haben sie in einen hysterischen Wahn getrieben. Die von den Grossen angeordneten Bombardierungen nehmen an Brutalität zu. Im Interesse der Albaner haben sie einen Krieg begonnen, doch diese zu verteidigen, Mann gegen Mann, dazu waren sie nicht bereit.Wer hätte allen Ernstes gedacht,, durch Luftangriffe könnten die Albaner vor den serbischen Militärverbänden beschützt werden, die wegen der Bomben in Rage geraten sind. Dass die UCK demokratischer wäre als die serbischen Behörden, glaube ich nicht." … "Sollte es der Nato erlaubt sein, ohne angegriffen worden zu sein, quasi aus pädagogischen Erwägungen die Städte anderer Länder zu bombardieren?" … "Die gutwillige Einmischung der NATO hat mit dem Anspruch, das Morden zu stoppen, noch mehr Morden bewirkt." … "Statt Zersetzung und Domestizierung, statt Rettung von Menschen durch humanitäre Hilfsorgani-sationen ist eine Strategie gewählt worden, in deren Ergebnis die Serben zu einem Feind zusmmengeschweisst worden sind und die Brutalität zugenommen hat - der Gegner soll bestraft und erniedrigt werden." … "Menschen im Namen der Menschenrechte zu bombardieren ist ein Irrtum. Wenn die Herren über die Bomben glauben, dies tun zu müssen, stellt sich meist heraus, dass es nicht notwendig war, anderes erforderlich gewesen wäre, eine Politik, die nicht bestraft, sondern partnerschaftlichen Einfluss ausübt, wodurch die die Gesellschaft der Wirkung eines demokratischen Geistes und gemeinsamer Werte ausgesetzt wird. Das Interesse der jugoslawischen Gesell-schaft an der Demokratie hätte geweckt werden müssen. Bomben sind das Mittel für einen Krieg zwischen den Staaten und nicht für die Rettung von Menschen." … "Möglicherweise geht es garnicht mehr darum, den Verfolgten zu helfen, sondern darum, dass der Krieg nicht ohne Sieg beendet werden kann. (fettgedruckt von mir) Die Nato darf nicht verlieren, darf sich nicht blamieren. Wie aber wird der Sieg aussehen?" … (FAZ, 30.4.99)
Heute, am 19.5.99, rechnete Jim Shea von der Nato die Flüchtlingszahlen zusammen und kam auf erschreckende 1,8 Mio(?), so dass also tatsächlich der Kosovo fast "entleert" erscheint. Und der Mann teilte diese Schreckensmeldung mit merwürdigem Gesichtsausdruck mit, also ob er einen militärischen Sieg verkündet hätte…
Eine distanziertere Meinung äusserte zu dem Krieg ein japanischer Journalist, Tan Minoguchi, (SZ, 18.5.99) mit dem Zeitungstitel "Die Handschrift des grossen Bruders"; man ist genötigt, daraus zu zitieren: … "Der postnationale Krieg, der mit dem Nato-Luftangriff begon-nen hat, ist ein amerikanischer Krieg, nicht weil die US-Soldaten die erste Geige spielen, sondern wegen des Weltbildes, das ihm zugrunde liegt. Die Interven-tionskriege, die die Amerikaner im 20.Jhrdt. geführt haben, waren immer morali sierende und moralisierte Kriege." (!) Es fällt nun allerdings ausserordentlich schwer, dem zu widersprechen und schnell gelangt man dann zu der Meinung, dass es sich um Polizei-massnahmen im Namen der Menschheit handelt. Da passt auch sehr gut hinein der ameri-kanische Anti-Drogenkrieg, der ja desgleichen mit ungeheurer Rigidität geführt wird und an dessen Sieg alle zweifeln, nur nicht die kriegführenden Amerikaner. "Deswegen ist eine diplomatische Kriegsbeendigung erschwert, nicht nur, weil eine völlige Unter-werfung angestrebt wird, sondern auch, weil dem kriminalistischen Konstrukt des Krieges entsprechend ein Resozialisierungsprogramm (Besetzung des Landes und Umerziehung) gefordert wird wie neulich von Daniel Goldhagen."
Für Neutralität bleibe da kein Raum, denn wenn es um Verbrechensbekämpfung gehe, sei jede Art der Neutralität eine Unterstützung für den Verbrecher, USA & Nato als Weltpolizei. Tan Minoguchi hält eine Betrachtung in moralisierenden Wertungen für nicht erklärend und so spricht er von Sezessionskrieg, der ein Guerillakrieg sei und "von noch verstehbaren Massakern im Rahmen solcher Guerillakriege." Dann zitiert er die UNHCR-Hochkommissarin Sadko Ogata und das ist wieder sehr aufregend, weil es auch mit den Möglichkeiten (oder nicht zugelassenen) dr OSZE zu tun hat: "Ich glaube, dass eher der Rückzug der OSZE-Beobachter als das Bombardement ein grosser Wirkungs-faktor war." (für die Flüchlingswelle aus dem Kosovo) Und der Autor fragt sich, warum Europa nicht mehr aus den Aktivitäten der OSZE gemacht hat, anstatt "mitten in Europa einen amerikanischen Krieg zu beginnen." Der Artikel schliesst mit einem Blick auf die Berliner Mauer, von der ein japanischer Freund gesagt habe, angesichts des Bollwerks aus Menschen, das die Amerikaner in Vietnam gegen den Kommunismus herbeibombardieren suchten, sei sie human.
Es ist angebracht, hier noch einmal auf die Rolle der OSZE zurückzukommen, dazu habe ich auch neues Material gefunden.
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Bekanntlich ist der 1.Mai der "Kampftag der Arbeiterklasse" und der 1. April dient der Erprobung der Intelligenz der Menschen. Möllemann hat weder mit dem einen noch mit dem andern Tag etwas zu tun, so dass er ohne weiteres zu seinem Vorschlag gelangen durfte: Milosevic zu töten/ermorden (? das sagte er natürlich nicht) - denn so die überaus kluge Begründung, es handele sich um einen Tyrannen, folglich bei der Ermordung um "Tyrannenmord". Der Preis berechnet sich lt. Mölle auf 500 Mio Mark, soviel die "Luftschläge" der Nato täglich kosteten. (SZ, 30/4/99)
Umfassender und mit strategischem Elan schlägt Daniel Goldhagen eine "deutsche Lösung" vor. Man stutzt und hat es vielleicht bereits zu denken gewagt--------------
die sog. "deutsche Lösung" besteht darin, Serbien zur Gänze zu besetzen, da das serbische Volk so wie das deutsche bewusstlos hinter der Milosevicen Politik stehe und durch seine unbelehrbare derzeitige Haltung keinen Anlass gebe an ein Umschwenken der zutiefst rassistischen & nationalistischen Meinung zu glauben. Nach der Besetzung müsse zugig mit einer "Re-education" begonnen werden, die wie beim deutschen Volk auch Erfolg haben könne, denn ausgeschlossen aus der menschlichen Gemeinschaft solle das serbische Volk natürlich nicht. (SZ, 30/4/99) Die Reaktion in Deutschland daraufhin soll nur gering gewesen sein. Warum bloss? Wenn schon, dann scheint mir diese Lösung die volle menschliche Logik und Klarheit für sich zu haben, alles andere überschreitet ja nur die Grenzen zum Unmenschlichen. Man sieht das an der Bombardierung der luxuriösen Behausungen des Milosevic & Co. und den ausgiebig-sarkastischen Kommentaren, konnte man auf diese Weise ja den Schuldigen direkt treffen anstatt Unschuldige. Als man allerdings die Stromversorgung lahmlegte, geriet ein Natosprecher ins Schwärmen, nun habe man den Daumen auf den serbi-schen Stromschalter… Dann fiel die chinesische Botschaft zusammen, getroffen von irrläufigen missiles. Jede Menge Entschuldigungen wurden verfasst, doch der immer sinnlos(er) gewordene Krieg ging ruhig und sachlich weiter und das Land dürfte eine Wüste sein, derweilen natürlich immer mehr Kosovaren flüchten und die Militärs vor neuen anderen organisatorischen Problemen stehen. Auch vor diesem: mit der einen Hand die Bombe mit der anderen ein 1 l Milch.
Bislang ist hier in den Notizen kaum die Rede gewesen von den Kosovo-Flüchtlingen. Da gab es also die verrücktesten "Vorbilder" in Europa dieses Jahrhunderts: 1923 wurde im sog. Vertrag von Lausanne zwischen Griechenland & der Türkei ein Bevölkerungsaustausch vorgenommen. Immerhin betraf es etwa 1,2 Mio. (!!) Griechen und 400.000 Türken, die "entmischt" wurden; (nach FAZ v. 13.6.95 und der Zeithistoriker Jakobmeyer erwähnt noch ein bestürzendes Ereignis: "Die Zahl der jungen Menschen in Afrika wird in 40 Jahren fast so gross sein wie die heutige Gesamtbevölkerung der Europ. Gemeinschaft. Es ist deshalb ja kein Zufall, wenn die NATO in Spanien Manöver abhält, deren Grundgedanke die Abwehr von Menschenströmen aus dieser Region ist.") Und dann der furchtbare, nicht mehr zustandegekommene Vertrag zwischen Jugoslawien und der Türkei, etwa 200.000 Albaner aus dem Kosovo aufzunehmen, gegen ein zu zahlendes Kopfgeld in Höhe von . Die Durchführung des Vertrags wurde durch den 2. Weltkrieg verhindert… Das war 1938, das Kopfgeld sollte 500 türk. Lira betragen…
Die Grünen haben einen Sonderparteitag ab Do, den 13.5.99 in Bielefeld und die örtliche Polizei ist in Hochspannung bzw. im Grosseinsatz. Wollen die 800 Delegierten etwa, vielleicht noch mit den 2000 Medienleuten das langweilige Städtchen B. lahmlegen, als Geisel nehmen für einen Stop des Krieges in Serbien-Jugoslawien? Natürlich nicht, irgendwer erwartet schwere Störungen von linkspazifstischen fundamentalistischen andersweitig istischen Gruppen gegen die farblose oder nichtgrüne Führung der Grünen. Und die Fischer-Chöre haben fein laut ge-sungen, der Krieg hat sich breit gemacht bei den Grünen, nicht mal dort haben Zurückhaltung oder Nachdenken eine Chance. MAN ist angekommen: in der heiligen Familie der Bürger-lichen, auf Gedeih & Verderb, was keineswegs beruhigt. Sicher, der grosse Zampano der Grünen wird heute ein anderes "Weltbild" haben als damals, als er sich in historischen Situtationen sonnen durfte: "Man kommt sich hier in Wiesbaden in der Tat so langsam wie im Montenegro der Jahrhundertwende vor. Fragt sich nur, wer hier den Hadschi Halef Omar mimt?" (Fischer: 1987, 191) Das allerdings fragt sich auch heute.
In einem WWW der Uni-HH fand ich ein paper "Grossbritannien (Nordirland) (Bewaffneter Konflikt)" vom 11.5.99, das um19:32h für mich (vermute ich) ausgedruckt wurde. Darin etwas aus der Geschichte des Konflikts:"In dem auf eine jahrhundertelange Vorgeschichte zurückblickenden Konflikt auf der irischen Insel, der zuletzt im August 1969 zum Krieg eskalierte und seitdem 3.200 Todes opfer forderte, überlagern sich Differenzen über nationale Identität und religiöse Werte vor dem Hintergrund starker sozioökonomischer Fragmentation." … "Eigentliches Problem sei somit die Präsenz der Briten in Nord-Irland. Das in den Jahren 1920-22 konstituierte Nordirland steht aus nationalistischer Perspektive dabei für die systematische und massive Benachteiligung der katholischen Minderheit…" Die Unionisten dagegen sehen 2 verschiedene Völker "ein protestantisch-britisches im Norden und ein katholisch-gälisches im Süden". … "…denn während John Mayor von der parlamentarischen Unter-stützung der Unionisten abhängig war, verfügt der neue Regierungschef Tony Blair über eine klare Stimmenmehrheit, die ihm und seiner … neuen Handlungs-spielraum eröffnet." Ich will ja nichts weiter sagen, aber gelöst ist der Konflikt auch nicht, gestorben sind entsetzlich viele und die westliche Wertegemeinschaft kuckte entnervt beiseite…
Mit Prag kann man jetzt ja auch lässig "kommunizieren" und dort sitzt die OSZE, die mir 2 Fragen beantwortet hat, ohne dass ich die wirklichen Gründe erfahren hätte. Dear Mr. Kurth,
a) Yugoslavia was suspended from its membership of OSCE in 1992 due to its policy towards Bosnia and Herzegovina, following its membership in the UN as well.
b) Kosovo Verification Mission stopped her work by March 1999 due to the action of NATO.
Best regards,
Zdenek Venera, Head of the Prague Office

Und ach die Grünen, fast hätte ich sie vergessen, hab sie gar gewählt bei den letzten Bundestagswahlen ----------- um einen Krieg auf denHals zu bekommen? Ich darf doch sehr bitten. Was will denn eine Partei, die an der sog. Macht sich befindet und aus der so gut wie keine Kritik mehr kommt. Wenn man etwas Durchdachtes, Überlegtes, Kritisches zum Krieg hören will, dann trifft man solche Stimmen eher bei Konservativen, bei US-Amerikanern. Wozu die Grünen, die ja auch in ihrem so ureigenen Bereich, der ökologischen Politik, nichts in die Wege leiten konnten? Wäre ich ein fundamentalistischer Absolutheitspazifist gewesen, vielleicht-wahrscheinlich wäre ich dann heute auch ein humanoristischer Bellizist! Aber so einen Krieg muss man doch führen, um bestimmte humane Zwecke auch zu erreichen, nicht um alles in Asche zu verwandeln , um Waffen zu erproben, Öl-Verbindungswege zu schützen, amerikanische Interessen zu fördern usw. Warum denn die mühsamen und durchaus schwachen Ansätze für eine Konfliktverhinderung ohne Waffen so schnell zerschlagen, wie das ja geschehen ist mit der OSZE?
Ich habe die längst vergangenen Fischer-Chöre nicht gemocht, die jetztigen in grünem Chorgewand genausowenig!
Erstaunlich, die Meinung von Militärs scheint eher gegen jene Politik der Clinton-Lewinsky, ebenso die von Angestellten der BW-Führungsakademie…
Bedrückend, man kann nichts tun, die Maschinerie ist in Gang gesetzt, nun läuft sie und… damit werden dann Wahlen gewonnen: möglicherweise verschwinden die Grünen doch, denn wozu eine solche Partei, die sich nur bis zur Kenntlichkeit verändert hat?!
Und wie soll das weitergehen? Nicht mehr die Grünen wählen; sie sollten aus der Regierung verschwinden, da sie die grossen Täuscher sind. Was will ein Trittin dort noch, ausser Spesen zu verursachen, ausser für eine grüne Garnierung zu sorgen, sozusagen Trittin als Petersilie am Buffet? Nein, das macht keinen Sinn. Und als einzige Opposition die PDS? Das ist nachgerade ein deutscher Witz, aber so sind sie nun mal da in Bonn-Berlin… Heute, unter diesen Umständen, da wäre eine SPD-CDU-Regierung die ehrlichere, klarere Alternative und dann nur dann hätten Grüne etwas zu sagen.
Es ist ja Fass ohne Boden und man wüsste beim besten Willen nicht zu sagen, was dem Fass denn nun seinen Boden ausgeschlagen hat. Das schnelle Druckmachen auf eine noch nicht im Amt befindliche, ungeübte Regierung durch Clinton(Lewinsky)? Oder der sonderbare Satz eines Louis Begley "Das ist Deutschlands gerechter Krieg". ja, genau, darauf hat man ja nur gewartet, der Krieg gegen Jugoslawien ist das heilige Opfermal, das die Deutschen erbringen mussten, um in diese neue Staatengemeinschaft oder auch Westwertegemeinschaft wieder voll wieder aufgenommen werden zu können…
Mit dem Verlassen des durchaus nicht letztgültigen Völkerrechts, nämlich das kollektive Töten nur freizugeben zur Verteidigung des eigenen Landes oder in aussergewöhnlichen Umständen, etwa bei Völkermord -und dieser Gedanke spielte schon im 2.Weltkrieg nicht die entschei-dende Rolle- wurde das Tabu verletzt und wer will/kann es nun wieder einsetzen? Von nun an darf getötet werden, wenn man nur lange humanitäres herbeiredet: Sie sagten die Bibel und meinten nur Kattun!

Abschiede. Joachim Kurth, Vila Real, 17.5.99
joachimkurth@hotmail.com