Alexander Kauz Waldkirch, den 6. April 1999
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An die
Mitglieder der Bundesregierung von Bündnis 90/DIE GRÜNEN
BefürworterInnen des Kosovo-Kampfeinsatzes in der Bundestagsfraktion

zur Kenntnisnahme:
Bundesvorstand
Bundesarbeitsgemeinschaft Internationales/Frieden/Außenpolitik
Landesvorstand Baden-Württemberg
Landtagsfraktion Baden-Württemberg
Kreisverbände Emmendingen; Ortenau; Freiburg; Breisgau-Hochschwarzwald, Lörrach und Karlsruhe

Werte Freundinnen und Freunde,

Als Mitglied des Kreisverbandes Emmendingen protestiere ich energisch gegen den grundgesetz- wie völkerrechtswidrigen NATO-Angriff gegen Diktator Milosevics!


Die Zwischenbilanz der von der Mehrheit unserer Bundestagsfraktion unterstützeten Angriffe ist katastrophal. Die Lage der Flüchtlinge und Menschen ist schlimmer als je zu vor. Nicht ein einziges Verbrechen gegen die Menschenrechte durch das Milosevics-Regime ist verhindert worden. Dabei ist es ein verlegener Akt der Desinformation, wenn unser Fraktionsführer Schlauch, die Verantwortung des Flüchtlingsdrama alleinig dem Diktator in Belgrad zuschreibt.


Die Verantwortlichen der NATO-Kriegsplanung wußten von Anfang an, auf was sie sich einlassen. Da die Mehrheit unserer Fraktion, die noch vor wenigen Monaten aus gutem Grunde diese Art der Fortführung der Politik verurteilten, heute auf diesen Kurs eingeschwenkt sind, ist ein politisches Armutszeugnis und ein endgültiger Ausverkauf aller Ideale, die einst unsere Partei begründeten und noch letztes Jahr in die Regierung brachten.


Wir alle wissen, daß es bessere Möglichkeiten zu einer friedlichen Konfliktlösung als Bomben und Raketen gibt. Mensch muß sie nur wollen und den politischen Willen aufbringen sie durchzusetzen. Ist dies mit diesem Koaltionspartner nicht möglich, wäre es Aufgabe der Partei und ihrer Regierungsmitglieder gewesen, mit dem Scheitern der Regierung, den Sozialdemokraten ihre falsche Politik augenscheinlich zu machen.


Ich veruerteile die brutale Verletzung der Menschenrechte im Kosovo - aber auch anderen Ländern wie z.B. der Türkei (Kurdistan), Indonesien oder der Volksrepublik China. In diesen Ländern käme niemand von Euch auf die krude Idee, einen Krieg vom Zaune zu brechen. Warum? Kriege bringen keine Lösung und helfen den Menschen, für die sie vermeindlich geführt werden, nicht!
Im Gegenteil zeigt der Kriegsverlauf, daß die NATO Serbien durch Luftangriffe nicht zum Einlenken bringen und die Menschen im Kosovo nicht schützen kann, sondern daß Gewalt und menschenverachtender Sadismus geschürt werden. Die Bombardements haben einzig das nationalistische Regime in Belgrad und seine Schergen gestärkt!
Ich fordere von Euch den sofortigen Stop aller Luftangriffe durch die NATO, die Einschaltung der UNO und der OSZE, die sofortige Aufnahme von Verhandlungen über einen alternativen Friedensplan als Antwort auf das Angebot der serbischen Regierung seine Waffen zum orthodoxen Osterfest schweigen zu lassen.
Ihr habt von Anfang an gewußt, daß Rambouillet kein Friedensplan war, sondern eine unannehmbare Vorgabe an die Serben. Solche Art von Friedensplänen haben noch nie in der jüngsten Geschichte, auch unseres Landes einen Krieg verhindert oder gar unmöglich gemacht. Ihr seid Gefangene einer militärischen Logik, die seit 1989 auf nichts anderes hinarbeitet, als sich endlich als weltweite Interventionsstreitmacht, für ökonomische Interessen der führenden sieben Industrieländer zu profilieren.
Weiter fordere ich die sofortige uneingeschränkte Aufnahme von albanischen Flüchtlingen in Europa, solange diese Menschen nicht ungehindert in ihre angestammte Heimat zurückkehren können. Dabei dürfen diese Menschen nicht wieder zum Spielball irgendwelcher an Stammtischstimmungen festgemachten Asylpraktiken werden. Bis heute scheint es vielmehr, daß Schilly die Pforten nur zu Propagandazwecken öffnet, keinesfalls aus prinzipiellen humanitären Überlegungen heraus. Die Asylpolitik der rotgrünen Bundesregierung entsprach auch ohne Kosovo mehr einer verkleisterten Fortführung der Kantherschen Linie, als eines Politikwechsels, für den ich unter anderem in vielen aufreibenden Monaten mitgekämpft habe.
Sollte sich Euere Politik nicht binnen weniger Tage überzeugend verändern, wird es mir zunehmend schwerer fallen, noch länger meine politische Heimat bei dieser Partei zu erkennen.
Ich werde aber gemeinsam mit allen FreundInnen, für die Bündnis 90/DIE GRÜNEN mehr bedeutet als ein opportunistischer Wahlverein, dafür kämpfen, daß die Vernunft und eine gewaltfreie am Wohl der Menschen orientierte Politik wieder Oberhand bekommt. Scheitern wir damit, betrachte ich das Projekt Grüne für endgültig gescheitert !


Waldkirch, den 7. April 1999