© junge Welt
junge Welt Interview 23.04.1999
NATO-Strategie mit ungewissem Ausgang?
jW sprach mit Steffi Lemke, Bundestagsabgeordnete der Bündnisgrünen
F: Sie haben sich als grüne Bundestagsabgeordnete für ein Ende der NATO-Luftangriffe auf Jugoslawien ausgeprochen. Warum?
S.L.: Es ist notwendig, aus der militärischen Strategie herauszukommen und wieder auf politische Verhandlungslösungen zu setzen. In dem Zusammenhang unterstütze ich die Initiative, die der deutsche Außenminister ergriffen hat, um auf internationaler Ebene wieder die Bereitschaft zum Primat der Politik zu erreichen. Ich denke aber auch, daß es notwendig ist, einen Schritt weiter zu gehen. Die letzten dreieinhalb Wochen haben gezeigt, daß die NATO-Einsätze ihre beiden erklärten Ziele, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern und die Unterschrift Milosevics unter den Vertrag von Rambouillet zu bekommen, nicht erreichen konnten. Die Situation der Kosovo-Albaner hat sich seit Beginn des NATO-Einsatzes dramatisch verschlechtert: Mit diesem Einsatz konnte ihnen nicht geholfen werden.
F: Wie beurteilen Sie die Chancen für eine politische Lösung?
S.L.: Die Chancen scheinen minimal, das waren sie zu jeder Zeit. Trotzdem muß dieser Versuch unternommen werden. Die militärische Strategie hat keine Lösung erzielt. Und ich halte es auch nicht für eine Lösung, über einen ungewissen Zeitraum diese Strategie des Bombens mit ungewissem Ausgang fortzuführen in der Hoffnung, diese Strategie führe in der Zukunft zu einem Ziel.
In keiner Weise ist eine Verbesserung für die Kosovo-Albaner erzielt worden. Seit Beginn der Angriffe ist Milosevic innenpolitisch sogar gestärkt. Das war nicht das Ziel der NATO. Aber diese Schulterschluß-Mentalität mit Milosevic innerhalb Serbiens ist ein Effekt, der auch durch die NATO-Einsätze eingetreten ist.
F: Es gibt auch aus Deutschland immer wieder Stimmen, die eine politische Lösung fordern. Wie sehen Sie die Möglichkeiten, überhaupt dahingehend Einfluß auszuüben?
S.L.: Ich denke, daß die deutsche Position da Einfluß nehmen kann
und muß. Auch, wenn es den Anschein hat, als würden jegliche Bemühungen
der deutschen Regierung von den USA einfach vom Tisch gewischt werden. Aber
da diese
Bemühungen richtig sind, muß man sie verstärken und alle Möglichkeiten
nutzen, die es auf diesem Gebiet gibt.
F: Innerhalb Ihrer Partei ist man sich keineswegs einig. Die grüne Staatssekretärin Altmann ist auch aus Reihen der Grünen attackiert worden, nachdem sie das sofortige Ende des NATO-Krieges gefordert hatte.
S.L.: Frau Altmann hat eine Erklärung unterschrieben, die ich in weiten Teilen auch unterstütze. Ich halte es auch für richtig, daß eine parlamentarischen Staatssekretärin eine solche Erklärung unterschreiben können muß.
Es ist bekannt, daß innerhalb unserer Partei unterschiedliche Positionen
existieren, auch innerhalb der Bundestagsfraktion.
Das ist auch in anderen Parteien so.
Interview: Jana Muth
© junge Welt