Gespräch mit Branca Juvanovic, Gründerin der Grünen Partei Jugoslawiens, Ehrenvorsitzende der Albanischen Grünen
(Das Interview wurde am 23. Mai im jugoslawischen Teil der Sendung »Rendez-vous in Deutschland« im Hessischen Rundfunk ausgestrahlt)
Frage: Sie waren am 13. Mai auf dem Sonderparteitag der Grünen in Bielefeld. Die Bündnisgrünen wollten die Partei harmonisieren und erteilten Gästen Redeverbot. Auch Ihnen wurde es untersagt, sich zu äußern, obwohl Sie aus dem Land kommen, über das der Parteitag urteilte und entschied. Wie haben Sie sich auf der Gasttribüne gefühlt?
Branca Juvanovic: Ich war teilweise glücklich
gewesen, nicht sprechen zu müssen, da außer der allgemeine Moralisierung
der Jugoslawien-Frage im Grunde kein ernsthaftes politisches Gespräch über
die Vergangenheit dieser Krise, über den Verlauf und die Verantwortlichkeiten
möglich war. Ich habe gesehen, daß Joseph Fischer im Grunde seinen
Wählern
plausibel machte, daß er einen humanitären Plan für die Zeit
nach den Bombardements hat. Ich sah keine Möglichkeit, darauf
hinzuweisen, daß wir ohne einen vernünftigen Plan, in dem viele Werte
der Grünen integriert sein müssen, nicht über eine Zukunft sprechen
können. Deshalb fand ich es in diesem Rahmen unmöglich, überhaupt
irgend etwas zu sagen.
Frage: Hätte man Ihnen die Möglichkeit gegeben sich zu äußern, was hätten Sie den deutschen Bündnisgrünen gesagt?
Branca Jovanovic: Ich hätte auf jeden Fall gesagt, daß die Grünen versagt haben. Seit dem Beginn des Jugoslawien-Konfliktes, 1990, haben wir erwartet, daß wenigstens die Grünen ein alternatives Modell anbieten würden. Wir haben erwartet, daß die grüne Partei Deutschlands den Hintergrund unserer Krise besser verstehen würde, daß sie auch die Rolle Deutschlands anders konzipieren. Deutschland hätte im jugoslawischen Raum unbedingt die Neutralität wahren müssen. Die Ausarbeitung von präventiven und friedensstiftenden Konzepten wäre die eigentliche Aufgabe der Grünen gewesen. Das haben sie verpaßt.
Frage: Was wissen Sie über die ökologische Zerstörung in Serbien und dem Kosovo, die durch die Bombardements der NATO ein großes Ausmaß erreicht hat?
Branca Jovanovic: Die Dimension dieser
ökologischen Zerstörung unserer Umwelt ist in der Tat enorm, jedoch
findet das in Deutschland kaum Beachtung. Dabei wurden Tausende Tonnen von explosiven
Materialien über unser Land verstreut, die hochgiftig und kanzerogen sind.
Alle gefährlichen jugoslawischen Produktionstätten sind bereits bombardiert
worden:
Düngemittelfabriken, petrochemische Anlagen und Ölraffinerien. Die
Umwelt im Kosovo ist am meisten von den fatalen Kriegsfolgen betroffen. Ich
finde es zynisch, wenn die NATO-Staaten behaupten, die Flüchtlinge sollen
nach dem Krieg in ihre Heimat zurückkehren - -diese ist bereits stark verseucht.
Frage: Kann man die Umweltschäden im Kosovo beheben oder sind sie irreparabel?
Branca Jovanovic: Die Dekontaminierung
der verseuchten Gebiete stellt ein fast unüberwindbares Problem dar. Zunächst
muß natürlich erst einmal der Westen diese Schäden bewußt
registrieren - und nicht so tun, als gäbe es sie überhaupt nicht.
Darüber hinaus werden enorme finanzielle Mittel benötigt, die die
Basis für eine Behebung der Umweltschäden bilden. Diese
finanzielle Unterstützung ist Bosnien nicht zur Verfügung gestellt
worden - und sie wird auch das Kosovogebiet nicht erreichen, befürchte
ich. Die Flüchtlinge, die nach Kriegsende in ihre Heimat zurückkehren,
werden mit der zerstörten Umwelt leben müssen. Und das wird verheerend
sein -- vor allem für die junge Generation.