Meldung vom 08.04.1999

Die Kosten des Kosovo-Kriegs kennt noch niemand


Bislang nur Schaetzungen ueber Milliardenausgaben - Militaer rechnet nicht wie Zivilunternehmen
Von AP-Korrespondent Thomas Wiegold

Berlin (AP)

Ein Flug der Aufklaerungsdrohne CL 289 kostet 80.000 Mark, eine Flugstunde der Tornado-Jets ohne Personalkosten 10.000 Mark und eine abgefeuerte Harm-Rakete rund 400.000 Mark: Der Kosovo-Krieg hat die Nato- Staaten bislang noch keinen Blutzoll gekostet, doch finanziell schlagen die seit mehr als zwei Wochen andauernden Luftoperationen durchaus zu Buche. Wieviel dieser Krieg unter dem Strich kostet, vermag bislang
allerdings niemand exakt zu berechnen.

Gruende dafuer gibt es viele. So bleibt vorerst geheim, wie viele Harm-Raketen die Piloten der deutschen ECR-Tornados auf Radarstellungen der jugoslawischen Luftabwehr abfeuerten. Zudem rechnet das Militaer anders als ein ziviles Unternehmen - was eine Flugstunde der deutschen Jets ueber dem Balkan kostet, ist gar nicht so einfach zu ermitteln:
Anders als bei Hubschraubern oder der Transall, fuer die bisweilen Kosten fuer zivile Nutzer in Rechnung gestellt werden, sind Kampfflugzeuge kaum zu erstattungspflichtigen Auftragsfluegen unterwegs.

So gibt es bislang nur Anhaltspunkte fuer die tatsaechlichen Kosten. Auf 620 Millionen Mark im Jahr hatte die Bundesregierung noch Ende Februar die Bereitstellung von bis zu 6.000 Soldaten fuer eine Kosovo-
Friedenstruppe veranschlagt. Doch schon vor Beginn der Luftangriffe auf jugoslawische Ziele hatten Experten gewarnt, diese Summe koennte leicht auf das doppelte oder sogar dreifache steigen. "Wir werden das aber sorgfaeltig zusammenrechnen, schon mit Blick auf die Haushaltsdebatte", versprach Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping, der gleichwohl noch nichts zu dem finanziellen Aufwand sagen mochte.

Nur wenig praeziser sind Berechnungen aus den USA - die allerdings auf Erfahrungen aus vorangegangenen Einsaetzen zurueckgreifen koennen und deswegen anders kalkulieren. So kosten die Tomahawk-Marschflugkoerper der US-Marine zwar rechnerisch eine Million US-Dollar pro Stueck. Doch die gegen den Irak verschossenen 330 Tomahawks berechneten die Pentagon- Buchhalter mit nur 123,8 Millionen US-Dollar: Schlieszlich mueszten nicht
alle diese Geschosse auch wieder ersetzt werden. Aehnlich ist es mit dem Tarnkappenbomber F-117A, der von der jugoslawischen Flugabwehr abgeschossen wurde: Er hatte einen Wert von 43 Millionen Dollar - wird aber seit den 80er Jahren nicht mehr gebaut und deshalb nicht in dieser Hoehe als Verlust veranschlagt.

Ein THW-Zelt fuer die Fluechtlingsfamilie kostet 2.500 Mark


Klar ist deshalb nur: Die Kosten fuer alle beteiligten Nato-Staaten werden in die Milliarden gehen, ob in Mark oder in US-Dollar. Allein in der ersten Woche der Luftschlaege wurden mehr als 100 Marschflugkoerper von See oder aus der Luft abgefeuert, und rund 400 Nato-Flugzeuge starteten zu mehr als 1.700 Fluegen.

Doch die dafuer anfallenden Kosten, so heiszt es im westlichen Lager, mueszten vor dem Hintergrund der Entwicklung im Kosovo gesehen werden: Die Kosten des Einsatzes seien gering im Vergleich zu dem Preis, der haette gezahlt werden muessen, wenn die Nato auf Luftangriffe verzichtet haette, argumentierte der britische Verteidigungsminister George Robertson.

Was er meint, illustriert ein Blick auf die Folgen des Bosnien-Krieges: Allein in Deutschland gaben vor allem Laender und Kommunen eine zweistellige Milliardensumme fuer die Unterbringung von rund 350.000 bosnischen Buergerkriegsfluechtlingen aus. In den Nachbarlaendern des Kosovo selbst laeszt sich die Unterbringung billiger bewerkstelligen:
Nach Berechnungen des Technischen Hilfswerks kostet ein Zelt fuer eine Familie rund 2.500 Mark, die laufenden Unterbringungskosten betragen am Tag knapp 20 Mark pro Person. Und auch die vom Bund bislang zugesagten 25
Millionen Mark humanitaere Hilfe bleiben noch weit hinter den Ausgaben fuer die Folgen des Bosnien-Kriegs zurueck.


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