Neues Deutschland Nr. 83, 10./11. April 1999
Uli Cremer:
Grün raus, Olivgrün rein?
Noch 1993 schickte ein Sonderparteitag zum Bosnienkrieg die Oliv- Grünen um Joschka Fischer mit einem Ergebnis hart an der 5 Prozent-Klausel nach Hause. Als am 26.3.´99 im Bundestag der NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien abgesegnet wurde, waren gerade 7 aufrechte Grünen-Abgeordnete übrig. Wie konnte es zu diesem friedenspolitischen Kollaps kommen?
Die erste Antwort liegt in den Veränderungen der bundesdeutschen Gesellschaft
in den 90er Jahren. Der langjährige Konsens, eine zurückhaltende Außen-
und Militärpolitik zu betreiben, wurde nach und nach aufgebrochen. Die
grünen Funktionsträger paßten sich als Teil der Gesellschaft
dieser Entwicklung an. Eine einflußreiche Friedensbewegung existiert nach
dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr. In Zeiten des gesellschaftlichen Gegenwindes
bedarfes eines erheblich stärkeren Rückgrats, wenn man die Position
halten will.
Die zweite Antwort ist die Entdemokratisierung der grünen Partei. Die Abgeordneten
koppelten sich immer weiter .von der Partei ab die Herrschaft der Fraktion über
die Partei wird Schritt für Schritt ausgebaut, ehrenamtliches Engagement
zunehmend zum Störfaktor. Vorschläge, die nicht aus der Bonner Szene
kommen, haben keine Chance.
Die dritte Antwort ist der Regierungsopportunismus: Im Glauben, daß alles
noch schlechter wäre, wenn die Grünen n i c h t
mitregierten, werden fleißig Kompromisse gemacht und Kröten geschluckt,
wobei der Kriegseinsatz auch subjektiv sicher zu den größeren Froscharten
zählt.
Die Zustimmung der Mehrheit der grünen Bundestagsfraktion zum Angriffskrieg, die olivgrüne Kriegsallianz, entstand nicht aus heiterem Himmel. Nach und nach schlossen immer mehr Abgeordnete ihren Frieden mit dem Bundeswehreinsatz in Bosnien und mit der offensiv ausgerichteten »Neuen NATO«. Der erste völkerrechtswidrige Kosovo-Beschluß im Oktober schien monatelang ein folgenloses Stück Papier. Die bittere Konsequenz des Weges ist auch den meisten Grünen erst aufgegangen. als die ersten Bomben fielen. Aber es spricht für die Grünen, daß zumindest da ein Aufschrei der Empörung durch die Partei ging: Binnen weniger Tage stellten sich über 700 Funktionsträger, Abgeordnete und Basismitglieder hinter den Aufruf der grünen Anti- Kriegs-Initiative.
In vielen Orten helfen Mitglieder mit, die Friedensbewegung neu aufzubauen. An der Basis ist mehr friedenspolitische Substanz vorhanden, als die letzten Monate erwarten lassen konnten.Schließlich hatte die koalitionsbesoffene Partei fast geschlossen einen Koalitionsvertrag gebilligt, der Kampfeinsätze mit UN-Mandat guthieß und damit das Tor zum Kriegführen weit aufstieß.
Bei den Ostermärschen haben viele grüne Friedensbewegte gegen ihre eigenen Regierungsmitglieder demonstriert. Allerdings halten manche diesen Widerspruch nicht aus und verlassen die Partei, der sie zum Teil seit ihrer Gründung angehört haben. Es sind mehrheitlich Linke, aber durchaus auch »Realos«. Für mich nicht der richtige Weg.
Als ersten Erfolg kann die Anti-Kriegs-Initiative verbuchen, daß für den 13. Mai ein Sonderparteitag einberufen wurde, den der militärpolitische Flügel gern vermieden hätte. Der Ausgang des Parteitages ist offen. Immerhin: Die Ausgangssituation der Initiative ist heute besser als 1998. Damals fand sich im Vorfeld des Magdeburger Parteitages eine Allianz aus rechten und linken Bonner PolitikerInnen zusammen, die die Partei putschartig auf eine Zustimmung zu Kampfeinsätzen der Bundeswehr festlegen wollten. Obwohl der friedenspolitische Gegenantrag praktisch keine prominenten UnterstützerInnen aufwies, konnte er sich durchsetzen, wenn auch nur knapp mit einer Stimme. Heute stehen auch namhafte Linke wie Frieder Otto Wolf (MdEP) hinter der Initiative. Das Bündnis ist also breiter geworden. Dennoch darf man sich über die Gegenmobilisierung in den nächsten Wochen keine Illusionen machen. Die Wirkungen der Kriegspropaganda aus dem NATO-Hauptquartier und von der Hardthöhe werden auch bei vielen Grünen verfangen. Viel hängt davon ab, ob ein gesellschaftliches Klima für die sofortige Beendigung des Angriffskrieges entsteht und die Friedensbewegung Breite gewinnt und wieder Aufschwung nimmt.
Ziel für den Parteitag wäre eine Festlegung der Grünen auf eine Anti-Kriegs-Position, in Abgrenzung zur Kriegspolitik der Regierung Schröder-Fischer. Auch wenn viele grüne Bundestagsabgeordnete erfahren im Brechen und Ignorieren von Parteibeschlüssen sind, würden sie diesmal damit schwer durchkommen. Ein rotgrünes Kriegskabinett wird nur Bestand haben, wenn b e i d e Parteien den Krieg mittragen.
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