Übersetzung aus "The Wallstreet Journal" vom Donnerstag, 28.04.1999
Ausschimpfen und bombardieren: Clinton's verfehlte Außenpolitik
von Peter F. Krogh
(Krogh ist emeritierter Dekan und ein renommierter Professor an der Edmund A. Walsh School of Foreign Service der Georgetown University, USA)
In der amerikanischen Außenpolitik herrscht ein heilloses Durcheinander. Der Schlag gegen Jugoslawien, der schlecht durchdacht worden ist und entsprechend ausgeführt wird, könnte der Silberstreif am Horizont sein, der diese Tatsache beleuchten und eine Kurskorrektur herbeiführen könnte. Wir streben nach einem "Regimewechsel" in Serbien. Wenn das vorbei ist, könnten wir auch einen Regimewechsel zu Hause nötig haben.
Nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, um die düstere Szenerie zu betrachten:
Die beiden wichtigsten - und gestörtesten - Beziehungen, die dieses Land
heute hat, sind die zu Russland und China. Wenn diese in Ordnung gebracht werden
könnten, hätten wir relativ ungetrübte Aussichten. Aber beide
sind schwer beeinträchtigt. Wir haben die Russen in der Diplomatie an den
Katzentisch gesetzt und haben bei nahezu jedem Thema das Sagen, das für
sie wichtig ist. Was China betrifft, hat Präsident Clinton es abgelehnt,
dessen Verhandlungs- erfolg anzuerkennen und Beijing in der Welthandelsorganisation
willkommen zu heißen. Tatsächlich blockieren wir den Eintritt der
Chinesen in den Mainstream des Internationalen Systems.
Das tun wir auf eigene Gefahr. Die heikelsten Krisen, in denen wir im Mittelpunkt
stehen, finden im Irak und in Serbien statt. Beide sind zerstörerische
Pattsituationen. Wir beschießen den Irak seit acht Jahren ununterbrochen.
Die Folge ist ein fest verwurzelter Saddam Hussein und eine Katastrophe für
die Menschen dort. Jetzt beschießen wir Serbien. Die Folge ist ein fest
verwurzelter Slobodan Milosevic und eine weitere Katastrophe für die Menschen.
In beiden Fällen ist die Politik die
gleiche: Tut was wir sagen oder wir bombardieren Euch. Und in beiden Fällen
ist das Ergebnis das gleiche - der Trotz eines Diktators, die physische Zerstörung
seines Landes und Verelendung seiner Bevölkerung, die Entfremdung unserer
Verbündeten, der Verbrauch unseres Militärmaterials und das Abbröckeln
unseres Ansehens und unserer Glaubwürdigkeit.
Natürlich ist das Unerwartete immer möglich. Herr Milosevic könnte
sich eingraben, nachdem wir sein Land in Schutt und Asche gelegt haben. Was
haben wir dann erreicht außer der Verantwortung, beim Wiederaufbau zu
helfen und dort auf
unbestimmte Zeit teure Truppen zur Friedenserhaltung zu unterhalten? So ein
Ergebnis ist nicht das Produkt heller Köpfe. Mittlerweile steckt noch mehr
in der Sackgasse oder zerfällt, das für uns in der Welt von Bedeutung
ist. Der Friedensprozess im Nahen Osten ist völlig ins Wasser gefallen.
Nordkorea ist wahrscheinlich seinen atomaren Weg weiter gegangen und kommt schnell
voran mit der Entwicklung (und dem Export) ballistischer Raketen. Indien und
Pakistan haben Atomwaffen und Vermarktungsmöglichkeiten erprobt und lassen
unsere Nichtverbreitungs- bemühungen links liegen. Eine Gelegenheit der
Annäherung an den Iran wird vertan. Die unlängst angekündigte
Wiedergeburt Afrikas wird zu einer ziemlich kurzen
Angelegenhheit - einer Art Wochenend-Renaissance. Teile Afrikas werden von entsetzlichen
Tragödien erschüttert, deren Ausmaße jene im Kosovo in den Schatten
stellen. Und näher der Heimat: Um unsere Nachbarn im Süden kümmern
wir uns ab und zu einmal, und wenn, dann gewöhnlich im Negativzusammenhang
mit Drogenkriegen und Einwanderungskontrollen.
Die Liberalisierung des Handels in der Hemisphäre und auf globaler Ebene wird verzögert. Unsere Beziehungen zu den Vereinten Nationen sind extrem baufällig.
Diese deprimierende Betrachtung würde nicht überraschen, wären
die Vereinigten Staaten schwach. Aber davon sind wir weit entfernt. Wir sind
das mächtigste Land in der Geschichte der Nationalstaaten. Da bleibt als
einzige Erklärung für unsere kläglichen Leistungen, dass wir
unsere Macht unklug gebrauchen und sie dadurch vergeuden. Wir gebrauchen sie
unklug,
indem wir unter anderem versuchen, anderen zu diktieren. Erinnern Sie sich einmal,
wie viele unserer Erlasse unerledigt sind. Die da oben geben entlang ihrer Reiserouten
Order aus. Wohin diese Amtsinhaber auch gehen, sie belehren. Sie belehren die
Russen und die Japaner bezüglich ihrer Wirtschaft, die Chinesen bezüglich
ihrer Politik, die Iraker bezüglich ihres Militärs, die Serben bezüglich
ihrer Provinzen, die Lateinamerikaner bezüglich der Drogen, die Vereinten
Nationen bezüglich einer Reform. Und das tun sie nicht diskret. Das entscheidende
und deutlich vernehmbare Wort ist "müssen". Sie "müssen"
handeln wie wir es wünschen. Tun sie das nicht, wird mit Sanktionen und
Bomben gedroht und viel zu oft werden die Drohungen wahr gemacht. Das ist eine
Außenpolitik der Strafpredigten und der Frömmelei begleitet von Tomahawk-Schwingen.
Ich kann mich an keinen Moment in den letzten 30 Jahren erinnern, in dem die
amerikanische Außenpolitik in einer schlechteren Verfassung war. Das ist
vielleicht keine Überraschung, denn ich kann mich an keinen Moment erinnern,
in dem unsere Außenpolitik in unfähigeren Händen lag. Die Arbeitsfähigkeit
des Präsidenten wird durch eine Reihe von Faktoren beeinträchtigt,
nicht zuletzt durch seine Unterordnung unter Meinungsumfragen. Diejenigen, die
im Nationalen Sicherheitsrat und im State Department für ihn arbeiten,
sind offensichtlich ihren Rollen nicht gewachsen. Sandy Berger, der Sicherheitsberater
des Präsidenten, scheint ein größeres Talent für den taktischen
Einsatz der Außenpolitik an der Heimatfront zu haben als für die
große Strategie außerhalb. Außenministerin Madeleine Albright
ihrerseits vermittelt den Eindruck, als wolle sie beweisen, dass sie härter
ist als die Männer, mit denen sie zu tun hat. Sie hat es nicht nötig;
sie könnte einfach über sie hinauswachsen. Heute wollen die Vereinigten
Staaten Regimewechsel in China, im Irak, Iran, in Serbien und
auf Kuba, um nur ein paar zu nennen. Wir wünschen uns, sie würden
näher an der Heimat anfangen. Vielleicht hören unsere Führer
auf, aufgrund der Unzulänglichkeiten anderer zu hyperventilieren und kümmern
sich um ihre diplomatischen Handarbeiten. Aber wenn sie das nicht bald tun,
sollten wir ein neues Außenpolitik-Team zusammenstellen, das Amerikas
Aufgabe in der Welt nicht im Belehrern, sondern im Vermitteln sieht.