Rede Hamburger Ostermarsch 5.4.1999
Liebe Ostermarschiererinnen und Ostermarschierer!
Ich komme aus einer Generation, die politisch sozialisiert wurde mit der Friedensbewegung Ende der 70er / Anfang der 80er Jahre. Ich habe damals den Kriegsdienst verweigert und mich in der Bewegung gegen Pershing 2 und Cruise Missiles engagiert.
Es ist bitter, wenn man diese Tage abends im Fernsehen mit ansehen muß, wie Cruise Missiles - zwar ohne Atomsprengköpfe - ein europäisches Land, Jugoslawien, in Schutt und Asche legen.
Bitter ist auch, daß an diesem Angriffskrieg die deutsche Bundeswehr ganz normal beteiligt ist. Die Bundeswehr - das sind die, die auch nach Verhängung des Wirtschaftsembargos gegen Jugoslawien vor einem Jahr noch ihre Uniformen in Jugoslawien schneidern ließen. Und das sind die, die jetzt ihre eigene Kleiderfabrik bombardieren. Dieser Zynismus ist kaum zu überbieten.
Bitter für mich als GRÜNES Parteimitglied ist, daß das deutsche Kriegskabinett ausgerechnet von einer SPD-GRÜNEN Koalition gebildet wird.
Ich muß sagen: Ich schäme mich für mein Land. Ich schäme mich für die GRÜNEN Regierungsmitglieder und Bundestagsabgeordneten, die die Bomben auf Belgrad politisch zu verantworten haben.
Als die NATO den Krieg begann, konnte ich nicht ruhig dasitzen, sondern mußte etwas tun. Ich habe deswegen in der letzten Woche gemeinsam mit Ilka Schröder, die nicht mit dem Bundeskanzler verwandt ist, die GRÜNE Anti-Kriegs-Initiative gegründet. Unter einen Appell, der das sofortige Ende des NATO-Angriffskrieges verlangt, haben wir bis heute über 700 Unterschriften von GRÜNEN Funktionsträgern, Mitgliedern und Abgeordneten gesammelt. Sogar eine Bonner Staatssekretärin hat inzwischen unterschrieben.
Hier in Hamburg haben wir uns mit Sozialdemokraten zusammengetan, die ebenfalls mit dem Kriegskurs der Regierung nicht einverstanden sind und haben gemeinsam zum Ostermarsch aufgerufen.
Der Krieg gegen Jugoslawien ist kein sauberer Krieg. Wie in jedem Krieg wird Zivilbevölkerung getötet. Die Militärtechnologie der NATO ist nicht perfekt. Raketen schlagen sogar in Nachbarländern, wie Bulgarien, ein. Der Tarnkappenbomber, den man nicht sehen kann, sieht man doch, und er wird abgeschossen.
Gott sei Dank, haben sie die jugoslawischen AKWs noch nicht getroffen. Trotzdem bedeutet der Krieg für die Region bereits jetzt ein ökologisches Desaster: Die Ernten für Getreide, Obst und Gemüse sind verseucht. Freundinnen von der jugoslawischen Opposition berichten, daß auch eine Verseuchung durch uranhaltige Bomben droht.
Die NATO-Bomben haben nicht nur das Land in Schutt und Asche gelegt, sie haben auch neuen Haß gesäht. Die Vertreibung der Kosovo-Albaner wurde beschleunigt und systematisiert. Die Verantwortung dafür trägt die serbische Regierung. Wir fordern sie auf, die Unterdrückungspolitik sofort zu beenden und ihre Truppen in die Kasernen zurückzuziehen. Wir rufen die serbischen Soldaten und Polizisten auf: Verweigert Eure Teilnahme an der nationalistischen Vertreibungspolitik. Desertiert! Wir wollen Euch dann gerne in Westeuropa Asyl bieten.
Wir fordern die NATO auf, die Bombenangriffe sofort zu beenden. Herr Solana, Herr Clinton, Frau Albright, Herr Scharping, Herr Fischer - kehren Sie zurück an den Verhandlungstisch! Meinen Parteifreund Fischer möchte ich sagen: Es genügt nicht, die Hochzeit abzusagen, wichtiger ist, daß die NATO-Angriffe abgesagt werden.
Den deutschen Soldaten, die sich an dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg beteiligen, rufen wir zu: Lest das Soldatengesetz! Völkerrechtswidrige Befehle stehen unter Strafe! Macht Euch nicht länger schuldig! Verweigert den Kriegsdienst!
Laßt uns in den nächsten Tagen weiter mit Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz über den Krieg diskutieren. Wir müssen ihnen sagen, daß meinen nicht genügt. Es kommt darauf, daß mehr Menschen gegen den Krieg aktiv werden. Am nächsten Samstag müssen wir doppelt so viele wie heute sein!
Uli Cremer
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