Erklärung nach § 31 GO zur Abstimmung über den Antrag der Bundesregierung "Deutsche Beteiligung an der militärischen Umsetzung eines Rambouillet- Abkommens für den Kosovo sowie an NATO-Operationen im Rahmen der Notfalltruppe (Extraction Force)" der Abgeordneten Annelie Buntenbach, Monika Knoche, Steffi Lemke, Irmingard Schewe-Gerigk und Christian Simmert.

Wir stimmen diesem Antrag nicht zu. Wir halten diesen Beschluß, der auf dem Bundestagsbeschluß vom 16.10.98 beruht und auf ihn explizit Bezug nimmt, für einen weiteren Schritt auf dem völkerrechtswidrigen Weg zur Selbstmandatierung der NATO und sehen uns gleichzeitig außerstande, jetzt für ein Abkommen, das noch nicht existiert und unterzeichnet ist, mit der erforderlichen Sorgfalt über eine militärische Flankierung zu entscheiden.

Wir teilen die Sorge um die Menschen im Kosovo, denen in den letzten Jahren schwere Menschenrechtsverletzungen angetan worden sind. Auch sind wir der Auffassung, daß es nicht hinzunehmen ist, wenn ein Staat gegen seine Bevölkerung - auch wenn sie nach Autonomie oder staatlicher Eigenständigkeit drängt - Krieg führt, genauso wenig wie hingenommen werden kann, wenn Autonomie mit der Waffe in der Hand durchgesetzt werden soll und Leiden und Opfer in der Zivilbevölkerung in Kauf genommen werden, um militärische Vorteile in einem bewaffneten Konflikt zu erringen. Gerade dem Schutz der Zivilbevölkerung gilt unsere Sorge, humanitäre Hilfe ist dringend erfordert. Auch diejenigen, die vor dieser bedrohlichen Situation aus dem Kosovo geflüchtet sind, brauchen unsere Unterstützung und die Sicherheit, nicht in eine solche Lage abgeschoben zu werden.

Um eine tragfähige politische Lösung finden zu können, wird man die Konfliktursachen insgesamt in den Blick nehmen müssen, die ja nicht allein in der Region liegen, sondern auch in der Positionierung der internationalen Politik in den letzten Jahren, die selbst zur Eskalation beigetragen hat.

Das politische Problem, dessen Lösung mit diesem Beschluß militärisch flankiert werden soll, ist nach wie vor nicht gelöst - es gibt bislang kein Abkommen vom Rambouillet. Die Entwicklung in den nächsten Wochen bis zum 15.3. ist unklar - zentrale Fragen sind nach wie vor offen. Die Kosovo-Albaner halten am Referendum über die Unabhängigkeit der Region fest, was mit der territorialen Integrität Rest-Jugoslawiens keineswegs vereinbar ist, auf der serbischen Seite liegt ein wesentliches Problem bei der Stationierung von Streitkräften, insbesondere der NATO, wie u.a. der deutsche Bundestag sie heute beschließen soll.

Die politische Situation ist unklar. Niemand weiß, ob es zu der Unterzeichnung des Abkommens überhaupt kommen wird, zu dessen Umsetzung dieser Beschluß dienen soll. Entsprechend diffus ist die militärische Situation, für die dieser Beschluß mehrere Optionen bevorratet bzw. bestätigt. Luftschläge, wie als Möglichkeit vom letzten Bundestag am 16.10. im Rahmen der NATO als Drohung gegen Restjugoslawien beschlossen, sind nach wie vor keineswegs ausgeschlossen. Diese Drohung wird mit dem heutigen Beschluß noch einmal explizit aufrechterhalten und bestätigt. Damit wird lediglich eine der beiden Konfliktparteien unter Druck gesetzt, das Abkommen zu unterschreiben und die Kontaktgruppe bzw. die NATO riskiert, auf diese Weise nicht Teil der Lösung, sondern der Eskalationslogik zu sein. Bombardierungen scheinen uns nach wie vor kein geeignetes Mittel zu sein, um die humanitäre Situation der Zivilbevölkerung zu verbessern.

Der damalige Abgeordnete Burkhard Hirsch sagte in seiner persönlichen Erklärung zu der Bundestagsabstimmung vom 16.10.98: "Darum bin ich der Überzeugung, daß ein militärisches Vorgehen der NATO mit dem geltenden Völkerrecht nicht
begründet werden kann und daß wir mit der heutigen Entscheidung einen irreparablen Vorgang schaffen, auf den sich später andere - im Osten wie im Westen - berufen werden. Damit schaffen wir keine neue Friedensordnung, sondern kehren zu dem Zustand des Völkerrechts zurück, in dem es sich vor der Gründung der Vereinten Nationen befunden hat. Das kann und will ich nicht mit verantworten." Diese Überzeugung teilen wir, und wir halten die heutige Entscheidung für eine praktische, schwerlich revidierbare Vorwegnahme der zu erwartenden neuen NATO-Doktrin, die auf die Selbstmandatierung der NATO setzen wird. Wir glauben, daß ein Militärbündnis, das seine Wurzeln im Kalten Krieg hat, nicht geeignet ist, international legitimierte Einsätze zur Friedenserhaltung erfolgreich durchführen zu können.

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