Andreas Katz
Mitglied des Parteirats

Offener Brief an die Mitglieder des Parteirats

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Liebe Freundinnen und Freunde,
ich habe heute den Aufruf von Ilka Schröder und Uli Cremer unterstützt und möchte dies Euch gegenüber begründen, soweit dies nicht bereits durch den Inhalt des Aufrufs geschieht.

Mittlerweile bedaure ich, dass ich bei der letzten Parteiratssitzung nicht engagierter für eine Stellungnahme des Parteirats zur Eskalation im Kosovo eingetreten bin. Wir haben uns ein weiteres Mal von der trügerischen Hoffnung, es könnte ja noch alles gutgehen und Milosevic würde im letzten Moment einlenken, einlullen lassen.

Entsetzt war ich, als die Luftangriffe tatsächlich losgingen und in der aktuellen Stunde des Bundestags nur noch sechs Mitglieder der Bundestagsfraktion sich gegen den Krieg aussprachen. Für uns hier in Mecklenburg-Vorpommern ist es besonders bitter, dass es ausgerechnet die PDS ist, die nun friedenspolitische Positionen markiert, die einmal unzweifelhaft mit Bündnis 90/Die Grünen verbunden waren.

Das, was jetzt im Kosovo geschieht, macht vor allem eines deutlich: Wir hätten diese Positionen niemals verlassen dürfen. Wie glaubwürdig wirkt jetzt noch ein Eintreten gegen eine NATO-Strategie, die selbstmandatierte Einsätze im - jederzeit manipulierbaren - Interesse der Staatengemeinschaft gestattet? Wie glaubwürdig wirkt noch ein Eintreten für eine UNO-Reform, wenn wir als Regierungspartei kräftig an deren Bedeutungslosigkeit mitwirken? Ob die Aktion nun Erfolg gehabt hätte oder, wie es nun erscheint, alles nur verschlimmert: Wie der Westen insgesamt, sind auch wir als Regierungspartei in eine Glaubwürdigkeitskrise geraten.

In der Unterstützung der InterventionsgegnerInnen sehe ich eine Chance, den letzten Rest friedenspolitischer Glaubwürdigkeit unserer Partei zu retten. Ich beschwöre auch diejenigen, die sich bisher nicht zum Widerspruch durchringen konnten: Lasst uns gemeinsam deutlich machen, dass dies unwiderruflich das letzte Mal war, dass es nun endlich an der Zeit ist, die politischen und materiellen Mittel für eine dauerhafte politische Stabilisierung des Balkan mit friedlichen Mitteln bereit zu stellen. Lasst uns ein für alle Mal klar stellen, dass wir die NATO allenfalls als Verteidigungsbündnis, nicht aber als militärischen Arm westlicher Interessenpolitik akzeptieren können. Ich akzeptiere ausdrücklich, dass der Aussenminister begrenzte Handlungsspielräume hat und nehme zu seinen Gunsten an, dass er diese so weit als möglich ausgeschöpft hat. Aber ich erwarte von einer grünen Bundestagsfraktion und erst recht von der Bundespartei, dass sie sich den friedenspolitischen Schneid nicht abkaufen lassen.

Es wäre, nachdem sich gezeigt hat, dass die Angriffe auf Belgrad nichts bewirken als eine verschärfte Verfolgung der Kosovaren und eine politische Stärkung von Milosevic, kein Zeichen von Schwäche, dies einzugestehen und jetzt ein Ende der Aktion und den erneuten Versuch einer Verhandlungslösung unter Vermittlung der UNO zu fordern. Ich appelliere auch an die bisherigen Befürworter des Angriffs, sich dieser Forderung anzuschliessen.

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