Liebe Freundinnen und Freunde, ich möchte Euch bitten, folgende Erklärung möglichst breit zu streuen und sie in den Orts-, Kreis- oder Landesverbänden intensiv zu debattieren.
Grüße Christian Simmert
Gemeinsame Erklärung der Abgeordneten Annelie
Buntenbach, Monika Knoche, Steffi Lemke, Irmingard Schewe-Gerigk, Christian
Simmert, Christian Ströbele und Sylvia Voß zum Krieg im Kosovo (26.3.1999)
Die Luftangriffe der NATO auf Jugoslawien müssen sofort beendet werden.
Die humanitäre Katastrophe im Kosovo wird sich nicht mit der Bombardierung
Jugoslawiens durch die NATO mildern lassen. Vielmehr fürchten wir, daß
sie eine politische Lösung erschwert und die Situation gerade für
die Zivilbevölkerung verschlimmert. So dringend Hilfe für die Zivilbevölkerung
ist, so wenig ist erkennbar, wie Bomben, deren unmittelbare Folge Zerstörung
und Tod sind, der humanitären Hilfe dienen sollen.
Ohne Mandatierung durch die UN, die wie jetzt UN-Generalsekretär Kofi Annan
noch einmal feststellte, nicht vorliegt, verstoßen diese Angriffe gegen
das Völkerrecht. Bei der Abstimmung im Bundestag am 16.10.98, wo über
die deutsche Beteiligung an dem jetzt in die Tat umgesetzten Drohszenario der
NATO gegen Jugoslawien entschieden wurde, hat der damalige Abgeordnete Hirsch
dies in einer persönlichen Erklärung folgendermaßen kritisiert:
"Darum bin ich der Überzeugung, daß ein militärisches Vorgehen
der NATO mit dem geltenden Völkerrecht nicht begründet werden kann
und daß wir mit der heutigen Entscheidung einen irreparablen Vorgang schaffen,
auf den sich später andere - im Osten wie im Westen - berufen werden. Damit
schaffen wir keine neue Friedensordnung,
sondern kehren zu dem Zustand des Völkerrechts zurück, in dem es sich
vor der Gründung der Vereinten Nationen befunden hat. Das kann und will
ich nicht mit verantworten." Ein Militärbündnis, das seine Wurzeln
im Kalten Krieg hat, ist weder jetzt noch in Zukunft das richtige, international
legitimierte Einsätze zur Friedenserhaltung, geschweige denn zur Friedenserzwingung
durchzuführen. Statt die UN weiter zu entmachten, brauchen wir dringend
eine breit unterstützte politische Intervention des UN- Generalsekretärs.
Wir sehen allein in der UN die internationale, völkerrechtlich legitimierte
Handlungsebene, die es zu stärken gilt.
Mit den Luftangriffen macht die NATO sich zu einem Teil der Eskalationslogik
des Kriegs im Kosovo. Welches politische Ziel mit diesen Luftschlägen durchgesetzt
werden kann, wenn Milosevic die Unterschrift weiter verweigert, bleibt völlig
unklar. Ebenso haben die Verantwortlichen bis heute keine Antwort darauf gegeben,
zu welch hochriskanten Situationen die Eskalation, aus der es ab einer bestimmten
Stufe nur schwerlich noch einen Ausstieg geben wird, führen kann. Selbstverständlich
hoffen wir, daß dies nicht der Fall sein wird, aber zu der Abwägung,
die zu einer veranwortlichen Entscheidung, gerade im Interesse der unmittelbar
Beteiligten, führt, gehört auch der Einbezug des worst case.
Wir teilen die Sorge um die Menschen im Kosovo, die in den letzten Jahren Vertreibung,
Mord und Zerstörung ihrer Dörfer ausgesetzt worden sind. Auch sind
wir der Auffassung, daß es nicht hinzunehmen ist, wenn ein Staat gegen
seine Bevölkerung - auch wenn sie nach Autonomie oder staatlicher Eigenständigkeit
drängt - Krieg führt. Genausowenig kann hingenommen werden, wenn Autonomie
mit der Waffe in der Hand durchgesetzt werden soll und Leiden und Opfer in der
Zivilbevölkerung in Kauf genommen werden, um militärische Vorteile
in einem bewaffneten Konflikt zu erringen. Gerade dem Schutz der Zivilbevölkerung
gilt unsere Sorge, humanitäre Hilfe ist dringend erfordert. Auch diejenigen,
die aus dem Kosovo geflüchtet sind oder jetzt flüchten, brauchen unsere
Unterstützung, uneingeschränkteSchutzgewährung und Anerkennung
als Kriegsflüchtlinge - und die Sicherheit, nicht in eine solche Lage abgeschoben
zu werden.
Wir erleben eine historische Zäsur. Zum ersten Mal seit 1945 führt die Bundesrepublik Deutschland Krieg, ist die Bundeswehr in einem out of area Einsatz direkt an Kampfhandlungen beteiligt. Wir lehnen dies ab. Daß mit Bomben kein Krieg zu beenden und mit Militär kein Frieden zu machen ist - über diese politische Kernaussage muß die Auseinandersetzung in der Gesellschaft intensiviert werden. Dafür werden wir uns engagieren.
* * * *