"Nicht-tödliche" Chemiewaffen sollen dem Feind gute Laune machen
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"Nicht-tödliche" Chemiewaffen sollen dem Feind gute Laune machen

Sunshine Project: USA entwickeln heimlich neue Giftgase / UN-
Waffeninspekteure für die Vereinigten Staaten gefordert

Von Steffen Hebestreit

Die USA entwickeln nach Recherchen von Experten der internationalen Organisation Sunshine Project neue Giftgase und militärische Trägersysteme, um diese Chemiewaffen einzusetzen. Damit verstoße das Pentagon gegen die internationale Chemiewaffen-Konvention. Das Sunshine Project fordert von den Vereinten Nationen, Waffeninspekteure in die USA zu schicken.

FRANKFURT A. M., 24. September. Die internationale Organisation Sunshine Project mit Sitz in Austin (US-Bundesstaat Texas) und Hamburg kämpft für die Ächtung von biologischen und chemischen Waffen. Nach ihren Erkenntnissen entwickelt das US- Verteidigungsministerium in einem Geheimprogramm so genannte nicht- tödliche Chemiewaffen, die einen Feind "nur" außer Gefecht setzen sollen. Dabei soll es sich sowohl um bewusstseinsverändernde, einschläfernde Mittel ("calmatives") handeln als auch um Krämpfe auslösende Stoffe ("convulsants"). "Dieses Programm ist vor allem deshalb so verwerflich, weil die US-Truppen bei einem Einmarsch in Irak verbotene Chemiewaffen einsetzen könnten, um die Entwicklung verbotener Chemiewaffen in Irak zu verhindern", betonte der Direktor des Sunshine Project, Edward Hammond, am Dienstag in einem Schreiben an die Frankfurter Rundschau.

Darin präsentieren Hammond und sein deutscher Kollege Jan van Aken Ergebnisse ihrer 18-monatigen Recherche, für die die Fachleute tausende Seiten offizieller US-Regierungsdokumente untersuchten.

Bereits im November 2000 bestätigte das im US- Verteidigungsministerium angesiedelte Joint Non-Lethal Weapons Directorate (JNLWD), ein Programm zur Entwicklung von "ruhig stellenden" chemischen Waffen zu betreiben. Zuvor hatte Referatsleiterin Susan LeVine betont: "Wir brauchen etwas neben Tränengas, so etwas wie ruhig stellende Substanzen, Betäubungsmittel, die die Leute in Schlaf oder gute Laune versetzen." Diese Kampfstoffe sollen gegen "potenziell feindliche Zivilisten", in Anti-Terror- Aktionen und anderen Militäroperationen eingesetzt werden. Untersuchungen der Marine Corps Research Universität ergaben vor zwei Jahren, die "Entwicklung und Anwendung" solcher Stoffe sei "möglich und sinnvoll".

Möglich vielleicht - aber nach Angaben des Sunshine Project verstoßen Forschung und Entwicklung solcher Stoffe gegen das internationale Verbot von Chemiewaffen. Ebenfalls gegen diese Konvention verstießen die US-Militärs mit der Entwicklung eines Trägersystems, um die Kampfstoffe einsetzen zu können. Seit Ende der neunziger Jahre liefen entsprechende Tests mit speziellen Granaten für den Standard-Mörser der US-Streitkräfte. Mit einer Reichweite von 2,5 Kilometern würden diese Waffen wohl ausschließlich für militärische Zwecke gebraucht, schreibt das Sunshine Project. Die Tests könnten "auf keinen Fall mit Anwendungen in der inneren Aufstandsbekämpfung gerechtfertigt werden".

Die Organisation fordert die USA auf, das Chemiewaffen-Programm sofort einzustellen. Bei der nächsten Konferenz zur Chemiewaffen- Konvention am 7. Oktober in Den Haag wollen Hammond und van Aken dafür plädieren, UN-Waffeninspektoren zu einer Untersuchung in die USA zu schicken. Vom US-Kongress verlangen sie darüber hinaus, in einer öffentlichen Anhörung die Verstöße des Pentagon gegen die internationalen Abkommen zu untersuchen. "Die europäischen Regierungen müssen jetzt auch in aller Öffentlichkeit das amerikanische Programm kritisieren", fordert Jan van Aken. "Wer schweigt, macht sich mitschuldig."

Im Internet: http://www.sunshine-project.de


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Copyright © Frankfurter Rundschau 2002
Dokument erstellt am 24.09.2002 um 23:35:07 Uhr
Erscheinungsdatum 25.09.2002

 

 

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