Erklärung des Europäischen Friedensforums (epf) auf seinem
Kongress Athen, 18. Mai 2002
Das Europäische Friedensforum tritt für eine dauerhafte Friedensordnung
ein, in der die Völker frei von jeder Bedrohung oder Beeinträchtigung
ihrer Sicherheit leben können. Wir empfinden angesichts der schicksalsschweren
Vergangenheit unseres Kontinents, von dem zwei Weltkriege ausgingen,
eine besondere Verantwortung, alles in unserer Macht Stehende für
die Erhaltung und Sicherung des Friedens zu tun. Das ist von großer
Aktualität. Die offizielle Verklärung der Kriege seit den 90er Jahren als
"humanitäre Interventionen", als "Kämpfe gegen
den Terror" oder "Friedensmissionen" täuscht über
die eigentlichen Ziele der USA und der anderen führenden westlichen
Staaten hinweg. Diese Ziele wurden in der 1999 verabschiedeten neuen
NATO-Doktrin offengelegt.
Die jahrelange Untätigkeit bei der Verwirklichung der UNO Beschlüsse zum Nahen Osten hat die Konflikte weiter verschärft und einen grausamen und blutigen Krieg zwischen dem Staat Israel und den Palästinensern geschürt, denen ihr eigener Staat vorenthalten wird. Wir verurteilen die Aggression Israels gegen Palästina. Wir fordern
Israel auf, die Beschlüsse des UNO - Sicherheitsrates hinsichtlich
Palästina zu erfüllen. Wir unterstützen die Errichtung
eines unabhängigen palästinensischen Staates als Bedingung
für die Beendigung des Blutvergießens in dieser Region. Wir verurteilen die auch von den UNO-Menschenrechtskonventionen verbotene
Aufreizung zur Diskriminierung gegenüber gleichberechtigten Mitgliedern
der Weltgemeinschaft als Schurkenstaaten. Wir fordern die UNO auf, den
USA nicht zu erlauben, sich die Rechte des Weltsicherheitsrates anzumaßen. II. Unsere Forderungen zum Schutz des Friedens und für gleichberechtigte Zusammenarbeit Wir fordern die NATO und die westeuropäischen Staaten dazu auf, zum in der UNO-Charta verankerten Prinzip des Gewaltverzichts und des Verzichts auf Androhung von Gewalt bei der Lösung internationaler Probleme zurückzukehren. Wir fordern die europäischen UNO-Mitglieder, insbesondere auch die 15 EU-Mitglieder, die 40% des Haushalts der UNO finanzieren, entschieden auf, deutlich zu ihrer Verantwortung in den Vereinten Nationen zu stehen, sich für Gewaltverzicht in den internationalen Beziehungen einzusetzen. Wir fordern die weiterwirkende Akzeptanz der Prinzipien der KSZE für die Beziehungen der Unterzeichnerstaaten auch über das Ende der Konfrontation zwischen den zwei ehemaligen militärisch-politischen Blöcken hinaus. Wir sehen es als anstrebenswertes Ziel an, als Alternative zur NATO ein regionales System Kollektiver Sicherheit in Europa zu schaffen, wie es Kap. VIII der UN-Charta vorsieht. Wir fordern die europäischen Institutionen und Regierungen auf, die gesamteuropäischen Strukturen bis zu diesem Ziel unter der Führung der OSZE fortzuentwickeln. Nur eine aktive Politik gleichberechtigter und vertrauensvoller Zusammenarbeit der Staaten und Völker wird die Einheit von Ost- und Westeuropa, das friedliche Zusammenleben der europäischen Kulturen, Ethnien und Religionen gewährleisten und ermöglichen, die Entwicklung von Neokolonialismus, Rechtskräften und Rassismus sowie neofaschistische Tendenzen zurückzudrängen. Wir fordern die NATO-Mitgliedsstaaten auf, alle Änderungen ihrer Militärdoktrin, ihrer Einsatzziele und Einsatzgebiete, die über ihre ursprüngliche und statutengemäße Verteidigungsfunktion hinausweisen, für nichtig zu erklären. Wir fordern sie auf, ihre Einsatzkräfte außerhalb des NATO-Gebiets sofort zurückzuziehen. Wir fordern für Osteuropa ein ziviles Sicherheitskonzept und Vertrauensbildung statt sicherheitspolitische Einkreisung anderer europäischer Staaten wie Russland, Ukraine, Belarus u.a. durch die NATO-Osterweiterung. Die Sicherheit des einen darf nicht zu Lasten der Sicherheit des anderen angestrebt werden. Wir fordern, dem Konzept der Neutralität den ihm gebührenden Platz in einer europäischen, kollektiven Sicherheitsordnung einzuräumen. Wir fordern die sofortige Einstellung des Rüstungswettlaufs, den
die NATO-Staaten heute im großem Maßstabe und weitgehend
"mit sich selbst" austragen. Die Staaten der NATO haben fast
zwei Drittel der Militärausgaben aller Staaten der Welt zu verantworten.
Wir fordern die Entmilitarisierung der EU, Abstand zu nehmen von ihrer Eingreiftruppe und ihrem weiteren Ausbau auf 200 000 Mann, von aufwändigen Programmen qualitativer Aufrüstung, die darauf abzielen, auch der EU den Status einer modernen, militärischen Interventionsmacht zu verleihen. Wir fordern als eine Bedingung stabilen Friedens in Europa, Osteuropa
sowie nicht wenige Länder Südeuropas nicht länger vom
Wohlstand Westeuropas abzukoppeln und die ost-mitteleuropäischen
Staaten nicht als zweitklassige Mitglieder Europas zu behandeln, als
bloße Lieferanten von billigen Arbeitskräften und Rohstoffen,
als Werkbänke Westeuropas und Absatzmärkte, als Lagerstätten
für Atommüll. Wir fordern den Ausbau der EU als zivil orientierte
wirtschaftliche Macht, die in die Lage versetzt wird, die notwendige
Wirtschafts- und Aufbauhilfe für ihre Osterweiterung sowie in Südosteuropa
zu leisten. Wir fordern OSZE, Europaparlament und Europarat auf, ihre zahlreichen noch ungenutzten Möglichkeiten zu nutzen, sich zu friedensgestaltenden und auf nichtmilitärische Konfliktprävention und -lösung orientierten Instanzen zu entwickeln, was ihren Statuten und ihrem Auftrag entspricht. Wir fordern, dass bei der von uns begrüßten Einrichtung
des Internationalen Strafgerichtshofs, dem schon über 60 Staaten
beigetreten sind, im Interesse seiner Hauptbestimmung und Kompetenz,
das Verbrechen gegen Frieden und Menschlichkeit, sowie die Aggression
als zu verfolgender Tatbestand von Beginn an in das Statut aufgenommen
werden. Wir fordern die Medien auf, sich der schon 1946 angesichts der Erfahrungen
von Faschismus und 2. Weltkrieg von der UNESCO formulierten Aufgabe
zu stellen, im Denken der Menschen einen Schutzwall des Friedens zu
errichten. Den Kriegen der Waffen gingen immer die Kriege der Worte
und Bilder voraus. "Feindbilder" von Völkern, Staaten
und Religionen dienen der Diskriminierung, fördern Rassenhaß,
mißachten die kulturelle und religiöse Vielfalt der Menschen
und Völker und den Schutz der Jugend. Wir fordern die NATO-Staaten auf, völkerrechtlich begründete Schadenersatzansprüche für den Aggressionskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien anzuerkennen und zu begleichen, die sowohl nach Art. 2 Abs. 4 der UN-Charta (Gewaltverbot) als auch wegen Verletzung der für den bewaffneten Konflikt geltenden Regeln (humanitäres Völkerrecht) entstanden sind. Wir sind generell der Auffassung, dass solche materiellen und moralischen Schäden, die Staaten oder Menschen erleiden, gemäß den UNO-Kriterien in vollem Umfang zu begleichen sind. Wir fordern ein Ende der Verschärfung des Straf- und Strafprozeßrechts, wie sie in Europa getreu dem Beispiel der USA nach den Terrorakten in New York vom 11. September 2001 erfolgt. Sie führt zu ernsten Einschränkungen und Verletzungen elementarer Rechte und Freiheiten des Menschen und Bürgers, zu Anwendung drakonischer Maßnahmen gegen friedliche Demonstrationen von Globalisierungskritikern und Personen, die für die Verteidigung sozialer Rechte der Werktätigen eintreten, gegen protestierende Opfer der Militarisierung innerstaatlicher Verhältnisse und internationaler Beziehungen seitens der USA und NATO - Führungskreise.
In der ernsten Situation der Bedrohungen des Friedens in Europa und der Welt hat sich im März 2001 in Berlin das Europäische Friedensforum gebildet und vom 19. bis 21. Mai 2002 in Athen konstituiert. Es betrachtet sich als Mahner, als Analyst und als Ermutiger der europäischen Völker zum Frieden, gegen Krieg und Terror, für die Wahrung der Rechte, der Freiheiten und der Würde der Menschen. Einer Welt der Globalisierung entspricht nicht der imperiale Unilateralismus und die Willkür einer "einzigen Weltmacht", sondern die Achtung der Vielfalt der politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Regionen mit dem eigenen und gleichgeachteten Beitrag für Gegenwart und Zukunft der Menschheit. Wir wollen eine kompetente, kreative, organisierte und eine moralische Instanz im Kampf gegen die Unmoral des Krieges, für Frieden, Zusammenarbeit, gegenseitige Hilfe und Verständigung der Völker sein. Wir wenden uns an alle friedenswilligen Kräfte, seien es Organisationen, Initiativen, Verbände, Bewegungen und Persönlichkeiten oder Gewerkschaften, Kirchen, Parteien oder ihre Gliederungen, Parlamentarier oder Kommunen: Werdet Mitglied des Europäischen Friedensforums. Unterstützt unsere Ziele und unser Ringen. Wir wenden uns an den Weltfriedensrat und andere europäische Netzwerke,
wie das in diesem Jahr in Brüssel gegründete Netzwerk für
Frieden und Menschenrechte. Wir rufen alle Europäer auf, den unmittelbar bevorstehenden Besuch des USA-Präsidenten George W. Bush in Europa zu massenhaften Protesten zu nutzen. Ohne weltweiten Widerstand wird es nicht gelingen, den Kriegskurs der
USA und der NATO zu stoppen. |