Europa muss ein Kontinent des Friedens und Mahnmal gegen Kriege sein
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Erklärung des Europäischen Friedensforums (epf) auf seinem Kongress
vom 17. - 19. Mai 2002 in Athen

Athen, 18. Mai 2002


I. Gefährdungen des Friedens und Wege zu seiner Wahrung und Sicherung in Europa und in der Welt.

Das Europäische Friedensforum tritt für eine dauerhafte Friedensordnung ein, in der die Völker frei von jeder Bedrohung oder Beeinträchtigung ihrer Sicherheit leben können. Wir empfinden angesichts der schicksalsschweren Vergangenheit unseres Kontinents, von dem zwei Weltkriege ausgingen, eine besondere Verantwortung, alles in unserer Macht Stehende für die Erhaltung und Sicherung des Friedens zu tun. Das ist von großer Aktualität.
In der von den Staatschefs der KSZE-Staaten 1990 verabschiedeten "Charta von Paris" hieß es: "Nun ist die Zeit gekommen, in der sich die jahrzehntelang gehegten Hoffnungen und Erwartungen unserer Völker erfüllen: ...Wohlstand und soziale Gerechtigkeit und gleiche Sicherheit für alle unsere Länder." Doch die Zeit der Hoffnungen ist vorbei. Das Gegenteil trat ein. Neoliberale Wirtschaftsmodelle bauten in Westeuropa sozialstaatliche Errungenschaften und grundlegende Bürgerrechte ab. Ausgedehnte Armutsregionen und eine nicht gekannte Arbeitslosigkeit entstanden in Osteuropa. Kriege überzogen den Balkan, unversöhnliche Bürgerkriege werden geführt. Vertreibung, Flüchtlingselend, Terror sowie Furcht vor Krieg und Tod sind nach einer langen Friedensperiode nach Europa zurückgekehrt. Die Osterweiterung der NATO schafft neue Regionen unterschiedlicher Sicherheit, neue Bedrohungen und neue Rüstungsbelastungen.
Ernüchtert sehen die Völker, wie eine mühsam errichtete Friedens- und kollektive Sicherheitsordnung in Europa zerstört wurde, wie man wieder - als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt - globale und lokale Kriege führt und wie sich Europa dem Kriege öffnet.

Die offizielle Verklärung der Kriege seit den 90er Jahren als "humanitäre Interventionen", als "Kämpfe gegen den Terror" oder "Friedensmissionen" täuscht über die eigentlichen Ziele der USA und der anderen führenden westlichen Staaten hinweg. Diese Ziele wurden in der 1999 verabschiedeten neuen NATO-Doktrin offengelegt.
Die von den Hegemoniebestrebungen der USA geprägte und militärisch gestützte Neue Weltordnung des globalen Kapitalismus soll deren Machtansprüche und geopolitischen Interessen, soll den ungehinderten Zugriff auf die Ressourcen der Erde sowie den freien Zugang transnationaler Unternehmen zu den Märkten garantieren und auf dem gesamten Erdball den Schutz des Kapitals und seiner Profitinteressen gewährleisten.
Dem dient auch die aktiv betriebene Militarisierung der europäischen Politik, die sich zum einen in der Verwandlung der NATO von einer Verteidigungs- in eine Interventionsallianz, in der Entwicklung einer schnellen Eingreiftruppe der EU und einer neuen Etappe der Aufrüstung zeigt.
Zum anderen sehen wir sie in der blinden USA-Gefolgschaft der NATO-Staaten bei der Bestimmung der NATO Politik, in der Führung von Aggressionskriegen z.B. gegen Jugoslawien und Afghanistan, in der kollektiven Androhung von Kriegen z.B. gegen den Irak und andere Staaten als Mittel der Politik, in gemeinsam betriebenen völkerrechtswidrigen Sanktionen gegen und ökonomischen Erpressungen von Staaten, in der NATO-Osterweiterung, in der Marginalisierung des Völkerrechts und der UNO sowie im Mißbrauch internationaler Gerichtsbarkeit zur Legitimierung von NATO-Kriegen, wie wir gegenwärtig beim Prozeß gegen Slobodan Milosevic in den Haag beobachten können.
Die Entscheidung des Westens, nach 1990 nicht die KSZE, sondern die NATO mit der Entwicklung einer europäischen Sicherheitsarchitektur zu betrauen, hatte nicht hinnehmbare Folgen. Mehrere europäische Staaten sind im letzten Jahrzehnt nicht nur in völkerrechtswidrige Kriege verstrickt worden, sondern gehörten zu ihren Hauptakteuren. Neue Feindbilder einer sogenannten "Achse des Bösen" geben den USA und der NATO neue militärische Ziele vor. Mediale Szenarien bereiten die Öffentlichkeit auf eine wohlwollende Aufnahme und Unterstützung der künftig von den USA entfesselten Kriege vor. Europäische NATO-Kontingente stehen und handeln schon auf einem Drittel des Globus, außerhalb des im NATO-Statut festgelegten Einsatzgebietes.


Atomare Planspiele des Pentagon sehen den realen Einsatz von Atomwaffen auch gegen die immer noch zweitgrößte Militärmacht der Welt, Russland, sowie gegen China vor.

Die jahrelange Untätigkeit bei der Verwirklichung der UNO Beschlüsse zum Nahen Osten hat die Konflikte weiter verschärft und einen grausamen und blutigen Krieg zwischen dem Staat Israel und den Palästinensern geschürt, denen ihr eigener Staat vorenthalten wird.

Wir verurteilen die Aggression Israels gegen Palästina. Wir fordern Israel auf, die Beschlüsse des UNO - Sicherheitsrates hinsichtlich Palästina zu erfüllen. Wir unterstützen die Errichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates als Bedingung für die Beendigung des Blutvergießens in dieser Region.
Wir treten gegen die Vorbereitung von militärischen Operationen gegen den Irak und andere Länder auf, die unter dem Vorwand des Kampfes gegen den Terrorismus durch die USA und die NATO erfolgen.
Wir rufen die Staaten Europas auf, die Nutzung ihrer Territorien für die Vorbereitung und Durchführung von Militärschlägen gegen den Irak und andere Länder zu verbieten.

Wir verurteilen die auch von den UNO-Menschenrechtskonventionen verbotene Aufreizung zur Diskriminierung gegenüber gleichberechtigten Mitgliedern der Weltgemeinschaft als Schurkenstaaten. Wir fordern die UNO auf, den USA nicht zu erlauben, sich die Rechte des Weltsicherheitsrates anzumaßen.
Die Welt und Europa stehen heute näher am Abgrund zu offen praktiziertem Faustrecht in den internationalen Beziehungen als an der Schwelle zu ihrer zivilisierten Institutionalisierung. Neue Kolonialkriege sind das Signum des Jahrtausendwechsels.
Wir müssen feststellen, es sind gerade die schwerwiegenden Mängel und Verletzungen bei der Verfolgung und Durchsetzung der einst von den europäischen Staaten einmütig beschlossenen Ziele der KSZE - wie gleichberechtigte Zusammenarbeit und Dialog, das Streben nach Vertrauen und Abrüstung - die die Sicherheit und den Frieden in Europa nachhaltig gefährden.

II. Unsere Forderungen zum Schutz des Friedens und für gleichberechtigte Zusammenarbeit

Wir fordern die NATO und die westeuropäischen Staaten dazu auf, zum in der UNO-Charta verankerten Prinzip des Gewaltverzichts und des Verzichts auf Androhung von Gewalt bei der Lösung internationaler Probleme zurückzukehren.

Wir fordern die europäischen UNO-Mitglieder, insbesondere auch die 15 EU-Mitglieder, die 40% des Haushalts der UNO finanzieren, entschieden auf, deutlich zu ihrer Verantwortung in den Vereinten Nationen zu stehen, sich für Gewaltverzicht in den internationalen Beziehungen einzusetzen.

Wir fordern die weiterwirkende Akzeptanz der Prinzipien der KSZE für die Beziehungen der Unterzeichnerstaaten auch über das Ende der Konfrontation zwischen den zwei ehemaligen militärisch-politischen Blöcken hinaus. Wir sehen es als anstrebenswertes Ziel an, als Alternative zur NATO ein regionales System Kollektiver Sicherheit in Europa zu schaffen, wie es Kap. VIII der UN-Charta vorsieht.

Wir fordern die europäischen Institutionen und Regierungen auf, die gesamteuropäischen Strukturen bis zu diesem Ziel unter der Führung der OSZE fortzuentwickeln. Nur eine aktive Politik gleichberechtigter und vertrauensvoller Zusammenarbeit der Staaten und Völker wird die Einheit von Ost- und Westeuropa, das friedliche Zusammenleben der europäischen Kulturen, Ethnien und Religionen gewährleisten und ermöglichen, die Entwicklung von Neokolonialismus, Rechtskräften und Rassismus sowie neofaschistische Tendenzen zurückzudrängen.

Wir fordern die NATO-Mitgliedsstaaten auf, alle Änderungen ihrer Militärdoktrin, ihrer Einsatzziele und Einsatzgebiete, die über ihre ursprüngliche und statutengemäße Verteidigungsfunktion hinausweisen, für nichtig zu erklären. Wir fordern sie auf, ihre Einsatzkräfte außerhalb des NATO-Gebiets sofort zurückzuziehen.

Wir fordern für Osteuropa ein ziviles Sicherheitskonzept und Vertrauensbildung statt sicherheitspolitische Einkreisung anderer europäischer Staaten wie Russland, Ukraine, Belarus u.a. durch die NATO-Osterweiterung. Die Sicherheit des einen darf nicht zu Lasten der Sicherheit des anderen angestrebt werden. Wir fordern, dem Konzept der Neutralität den ihm gebührenden Platz in einer europäischen, kollektiven Sicherheitsordnung einzuräumen.

Wir fordern die sofortige Einstellung des Rüstungswettlaufs, den die NATO-Staaten heute im großem Maßstabe und weitgehend "mit sich selbst" austragen. Die Staaten der NATO haben fast zwei Drittel der Militärausgaben aller Staaten der Welt zu verantworten.
Wir verurteilen die Missachtung und einseitige Kündigung von Rüstungskontrollverträgen oder anderen entsprechenden internationalen Vereinbarungen (ABM-Vertrag) und rufen zur Einhaltung dieser Verträge auf.
Wir fordern entschiedene Maßnahmen zur Senkung der Rüstungsausgaben, zur echten Abrüstung und Konversion.

Wir fordern die Entmilitarisierung der EU, Abstand zu nehmen von ihrer Eingreiftruppe und ihrem weiteren Ausbau auf 200 000 Mann, von aufwändigen Programmen qualitativer Aufrüstung, die darauf abzielen, auch der EU den Status einer modernen, militärischen Interventionsmacht zu verleihen.

Wir fordern als eine Bedingung stabilen Friedens in Europa, Osteuropa sowie nicht wenige Länder Südeuropas nicht länger vom Wohlstand Westeuropas abzukoppeln und die ost-mitteleuropäischen Staaten nicht als zweitklassige Mitglieder Europas zu behandeln, als bloße Lieferanten von billigen Arbeitskräften und Rohstoffen, als Werkbänke Westeuropas und Absatzmärkte, als Lagerstätten für Atommüll. Wir fordern den Ausbau der EU als zivil orientierte wirtschaftliche Macht, die in die Lage versetzt wird, die notwendige Wirtschafts- und Aufbauhilfe für ihre Osterweiterung sowie in Südosteuropa zu leisten.
Ebenso fordern wir die europäischen Staaten auf, die von der UNO als Ziele vorgegebenen Beiträge zur weltweiten Entwicklungshilfe in vollem Umfang zu zahlen.

Wir fordern OSZE, Europaparlament und Europarat auf, ihre zahlreichen noch ungenutzten Möglichkeiten zu nutzen, sich zu friedensgestaltenden und auf nichtmilitärische Konfliktprävention und -lösung orientierten Instanzen zu entwickeln, was ihren Statuten und ihrem Auftrag entspricht.

Wir fordern, dass bei der von uns begrüßten Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs, dem schon über 60 Staaten beigetreten sind, im Interesse seiner Hauptbestimmung und Kompetenz, das Verbrechen gegen Frieden und Menschlichkeit, sowie die Aggression als zu verfolgender Tatbestand von Beginn an in das Statut aufgenommen werden.
Wir verurteilen die Haltung der USA, ihre Unterschrift unter das Statut zurückzuziehen und fordern sie auf, sich - wie andere Staaten auch - der internationalen Gerichtsbarkeit, der UNO - Charta und dem Willen der Völker zu stellen.
Wir fordern die sofortige Auflösung des illegitimen ICTY (International Criminal Court against Yugoslavia).

Wir fordern die Medien auf, sich der schon 1946 angesichts der Erfahrungen von Faschismus und 2. Weltkrieg von der UNESCO formulierten Aufgabe zu stellen, im Denken der Menschen einen Schutzwall des Friedens zu errichten. Den Kriegen der Waffen gingen immer die Kriege der Worte und Bilder voraus. "Feindbilder" von Völkern, Staaten und Religionen dienen der Diskriminierung, fördern Rassenhaß, mißachten die kulturelle und religiöse Vielfalt der Menschen und Völker und den Schutz der Jugend.
Wir lehnen die exzessive und ungebührliche Darstellung von Gewalt im Fernsehen und in anderen Massenmedien wie in Computerspielen ab, die geeignet sind, die Hemmschwelle vor Gewalt, Terror und Krieg zu senken und die moralischen Ansprüche an das eigene Denken und Handeln auszuhöhlen.

Wir fordern die NATO-Staaten auf, völkerrechtlich begründete Schadenersatzansprüche für den Aggressionskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien anzuerkennen und zu begleichen, die sowohl nach Art. 2 Abs. 4 der UN-Charta (Gewaltverbot) als auch wegen Verletzung der für den bewaffneten Konflikt geltenden Regeln (humanitäres Völkerrecht) entstanden sind.

Wir sind generell der Auffassung, dass solche materiellen und moralischen Schäden, die Staaten oder Menschen erleiden, gemäß den UNO-Kriterien in vollem Umfang zu begleichen sind.

Wir fordern ein Ende der Verschärfung des Straf- und Strafprozeßrechts, wie sie in Europa getreu dem Beispiel der USA nach den Terrorakten in New York vom 11. September 2001 erfolgt. Sie führt zu ernsten Einschränkungen und Verletzungen elementarer Rechte und Freiheiten des Menschen und Bürgers, zu Anwendung drakonischer Maßnahmen gegen friedliche Demonstrationen von Globalisierungskritikern und Personen, die für die Verteidigung sozialer Rechte der Werktätigen eintreten, gegen protestierende Opfer der Militarisierung innerstaatlicher Verhältnisse und internationaler Beziehungen seitens der USA und NATO - Führungskreise.


III. Protest gegen Krieg - Ermutigung zum Frieden

In der ernsten Situation der Bedrohungen des Friedens in Europa und der Welt hat sich im März 2001 in Berlin das Europäische Friedensforum gebildet und vom 19. bis 21. Mai 2002 in Athen konstituiert. Es betrachtet sich als Mahner, als Analyst und als Ermutiger der europäischen Völker zum Frieden, gegen Krieg und Terror, für die Wahrung der Rechte, der Freiheiten und der Würde der Menschen.

Einer Welt der Globalisierung entspricht nicht der imperiale Unilateralismus und die Willkür einer "einzigen Weltmacht", sondern die Achtung der Vielfalt der politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Regionen mit dem eigenen und gleichgeachteten Beitrag für Gegenwart und Zukunft der Menschheit.

Wir wollen eine kompetente, kreative, organisierte und eine moralische Instanz im Kampf gegen die Unmoral des Krieges, für Frieden, Zusammenarbeit, gegenseitige Hilfe und Verständigung der Völker sein.

Wir wenden uns an alle friedenswilligen Kräfte, seien es Organisationen, Initiativen, Verbände, Bewegungen und Persönlichkeiten oder Gewerkschaften, Kirchen, Parteien oder ihre Gliederungen, Parlamentarier oder Kommunen: Werdet Mitglied des Europäischen Friedensforums. Unterstützt unsere Ziele und unser Ringen.

Wir wenden uns an den Weltfriedensrat und andere europäische Netzwerke, wie das in diesem Jahr in Brüssel gegründete Netzwerk für Frieden und Menschenrechte.
Schließen wir unsere Kräfte zusammen!

Wir rufen alle Europäer auf, den unmittelbar bevorstehenden Besuch des USA-Präsidenten George W. Bush in Europa zu massenhaften Protesten zu nutzen.

Ohne weltweiten Widerstand wird es nicht gelingen, den Kriegskurs der USA und der NATO zu stoppen.

 

 

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