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Daniel Kreutz

Rede bei der Schlusskundgebung des Ostermarsch Rheinland 2001
Düsseldorf, 14.04.2001

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

vorweg den Verantwortlichen des Ostermarsch Rheinland meinen herzlichen Dank für das Privileg, an dieser Stelle zu Euch sprechen zu können. Ich bin nämlich keiner, den man einen Experten für Friedenspolitik nennen könnte.
Ich bin vor allem in der Sozialpolitik zu hause. Aber trotzdem – nein, eher deshalb - gehöre ich zu denen, die sagen:

Heute, gut ein Jahrzehnt nach dem Ende des atomaren Kalten Krieges zwischen Ost und West und im dritten Amtsjahr einer rot-grünen Bundesregierung, die antrat mit dem Versprechen, dass deutsche Außenpolitik Friedenspolitik sei,
ist eine Bewegung für Frieden und Abrüstung in Deutschland und in Europa notwendiger denn je.

Das sage ich aus der Überzeugung heraus, dass Frieden und soziale Gerechtigkeit, aber auch ökologische Nachhaltigkeit, nur zusammen eine Chance haben können.

Jeder kennt den Spruch von Clausewitz, dass der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist. Der Krieg erscheint dabei zunächst als Fortsetzung der Außenpolitik. Die Außenpolitik aber ist die Fortsetzung der Innenpolitik.

Außenminister Fischer – den man seit seinem beispiellosen Einsatz für den ersten völkerrechts- und verfassungswidrigen Angriffskrieg mit deutscher Beteiligung seit 1939 auch einen stellvertretenden Kriegsminister nennen muss – dieser Herr Fischer hat wiederholt Wert darauf gelegt, dass er Außenpolitik im Interesse Deutschlands und Europas zu machen habe, und nicht etwa die, die seiner Partei einmal vorgeschwebt hat.

Was aber sind die Interessen Deutschlands und Europas, von denen da die Rede ist? Sind es die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? Die Interessen der RentnerInnen? Oder der Erwerbslosen? Oder derer, die auf
Sozialhilfe angewiesen sind? Sind es vielleicht die Interessen von Müttern – einschließlich der bekennenden Väter? Oder gar die der Kinder und Jugendlichen? Das würde wohl niemand ernsthaft zu behaupten wagen, obwohl die Genannten schon die Mehrheit unserer Gesellschaft darstellen.

Dagegen spricht eine ganze Menge dafür - wenn man sich die deutsche und europäische Innenpolitik ansieht -, dass es manches zu tun haben muss mit den Interessen der Wirtschaft – von Arbeitgebern, von Finanzmarkt-Jongleuren, von wirtschaftlich Starken eben.

Globalisierung heißt das Schlagwort, mit dem Wirtschaft und Politik für die Wettbewerbsfähigkeit der Standort Deutschland AG streiten. Nach innen heißt das: Arbeitskosten runter, Großfusionen, Arbeitsplatzabbau für den
shareholder value, Senkung von Steuern und Abgaben, armer Staat für reiche Leute – mit einem Wort: Umverteilung von unten nach oben.

Nach außen heißt das: In der Standortkonkurrenz wollen wir die Sieger, und die anderen sollen die Verlierer sein.

Beides ist eine Politik der sozialökonomischen Aggression. Gleichsam ein Krieg an der Verteilungsfront gegen die wirtschaftlich Schwächeren - unter uns hier, und am Weltmarkt. Dass diese aggressive Interessenpolitik sich auch des Militärs bedienen will, kann eigentlich nicht verwundern.

Es ist ja mittlerweile kein Geheimnis mehr: Die NATO-Strategie zielt darauf, global die Interessen des sogenannten freien Westens zu sichern. Notfalls mit Krieg, und auch ohne UN-Mandat. Nun heißt es in den „Schlussfolgerungen des Vorsitzes“ vom Helsinki-Gipfel der EU im Dezember 99 wörtlich:

„Der Europäische Rat unterstreicht seine Entschlossenheit, die Union in die Lage zu versetzen, (...) in den Fällen, in denen die NATO als Ganzes nicht einbezogen ist, als Reaktion auf internationale Krisen EU-geführte militärische Operationen einzuleiten und durchzuführen.


Das Ende der Blockkonfrontation hat nicht zu einer unipolaren Welt geführt, die sich auf der Grundlage ethischer Werte zivilisiert. Auf der Tagesordnung steht eine multipolare Welt mit rivalisierenden, sich auf Militär stützenden ökonomischen und geostrategischen Interessen.

Die einst von uns Sozialos erhoffte Friedensdividende gab es nicht und soll es nicht geben. Stattdessen neue Rüstungsanstrengungen, die die Kurse der Rüstungsindustrien in die Höhe bringen. Die von Rot-Grün beschlossene Modernisierung der Bundeswehr dient dem deutschen Beitrag zu internationalen Eingreiftruppen, die je nach Interessenlage im Rahmen der Nato oder im Rahmen der WEU einsetzbar sind. Dass von deutschem Boden wieder Krieg ausgeht, ist Teil des Kalküls.

Die neue Aufrüstung wird neue und zusätzliche Ressourcen verschlingen, die für die Bekämpfung von Armut und Krankheit, für Bildung und für eine ökologische Wende dringend benötigt werden. Sie wird dazu beitragen, dass
antisoziale Sparpolitik fortgesetzt wird. Nicht nur hier, sondern weltweit.
Denn jeder Staat, der damit rechnen muss, von der NATO zum „Schurkenstaat ernannt zu werden, wird sich wappnen wollen.

Die Politik der neuen Mitte, mit der die heutigen Regierungsparteien ihre eigenen Wurzeln vernichten, eine Politik, die Kohl nicht vollstrecken konnte, solange eine rot-grüne Opposition dagegen stand, diese Politik ist nicht zukunftsfähig – weder nach innen, noch nach außen, weder friedenspolitisch, noch sozial, noch anderswie. Nur eine Gesellschaft, die nach innen solidarisch ist, kann die Kraft zur Solidarität nach außen finden. Eine Außenpolitik des Friedens kann nur die
Fortsetzung einer Innenpolitik der sozialen Gerechtigkeit sein. Das zu begreifen, heißt besser zu verstehen, warum diejenigen, die gegen Militarisierung und Krieg streiten und die, die gegen die Zerstörung des Sozialstaats kämpfen, so sehr aufeinander angewiesen sind. Das kann helfen, gemeinsam stärker zu werden, für eine gemeinsame, zukunftsfähige Alternative zu neoliberaler Revolution und Militarisierung.

In diesem Sinne lasst uns denen in Berlin versprechen:
WIR MISCHEN UNS EIN!


Daniel Kreutz
mailto:daniel.kreutz@bigfoot.de

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