Fachbereich Finanzen / Wirtschaft / Soziales

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Euro-Crash und Euro-Visionen:
Europa kann nicht warten!

Von Tom Sauer

Die ganze Nation verarmt ob des schwindsüchtigen Euro, will uns der Landesgruppenchef der CSU im Bundestag einreden. Es bleibt abzuwarten, ob die CSU mit ihrer neuen Demagogie-Offensive genauso einknicken muss, wie mit ihrer Unterstützung für die "Kinder-statt-Inder"-Kampagne des einstmaligen "Zukunftsministers" Rüttgers. Wie auch immer: Das Demagogie-Potenzial der CSU bleibt gefährlich. Vermeintliche Modernität kann jeder Zeit wieder umschlagen in dümmlichen Nationalismus. Bündnis 90 / Die Grünen in Bayern sollten dafür gewappnet sein, die Auseinandersetzung um Europa mit der konservativen Knödelpartei offensiv zu führen. Das Thema "Europa" gehört wieder ganz oben hin auf die bündnisgrüne Agenda.

Euro-Crash: Fehldiagnosen

Kreativität beim Vermarkten der eigenen Ideen gehört zum politischen Geschäft. Es ist aber schon erstaunlich, was alles für den sinkenden Euro-Kurs verantwortlich sein soll: Lafontaines Agieren als Finanzminister, die Holzmann-Intervention des Bundeskanzlers, die italienische Regierungskrise, der sozialpolitische "Strukturkonservatismus" Europas, vermutlich auch das Wetter und das Ozonloch. Die Beliebigkeit der Argumente macht deutlich: Der Zweck heiligt hier die Mittel und verstellt den Blick auf eine ernsthafte Analyse der Wechselkursentwicklung.

Euro-Crash: Europa kann nicht warten!

Was dabei übersehen wird: Weder bedeutet die bloße Einführung des Euros die "Krönung der wirtschaftlichen Integration" Europas, noch kann die Europäische Zentralbank allein die "Macht des Souveräns" symbolisieren, der diese Währung garantiert. Das politische Projekt einer europäischen Wirtschafts- und Sozialunion ist immer noch unvollendet. Deswegen agiert die Europäische Zentralbank– als einzige Zentralbank der Welt - in einem institutionellen Vakuum, dass sie zwangläufig überfordern muss. Wir haben zwar den Euro, aber immer noch kein politisches und demokratisch legitimiertes Euroland. Noch haben wir elf Euro-Länder, deren nationalstaatliche Kompetenzen weitgehend beschnitten wurden, aber keine einheitliche Wirtschafts- und Finanzpolitik des gemeinsamen Eurolands. Wie gefährlich das ist, offenbarte die Mai-Tagung der Euro-11-Finanzminister. Bislang war es nach diesen Tagungen üblich, dass jeder der 11 Euro-Finanzminister einzeln an die Mikrofone trat und seine persönliche Interpretation der Ergebnisse abgab. Bei der letzten Tagung führte dieses Chaos zum Desaster. Die portugiesische Ratspräsidentschaft, der Franzose Laurent Fabius und der Deutsche Hans Eichel gaben völlig entgegen gesetzte Versionen der Euro-11-Diskussionen zum Besten. Ergebnis: Der Euro brach weiter ein! Jetzt endlich wurden Konsequenzen gezogen: Zukünftig soll nur noch der jeweilige Vorsitzende über die Ergebnisse berichte. Dieser kleine Schritt in die richtige Richtung zeigt, wie mühsam sich die Erkenntnis durchsetzt, dass die Europäische Zentralbank in ein solides wirtschafts-, finanz- und sozialpolitische Umfeld eingebettet werden muss. Daher braucht diese Debatte einen neuen Schub: Europa kann nicht warten!

Euro-Visionen: Wadde-hadde-dudde-da?

Bislang beschränkte sich der deutsche Beitrag zu den Euro-Visionen auf "Wadde-hadde-dudde-da?" und ein "Piep, piep, piep – ich hab Dich lieb". Auf politischer Ebene waren Visionen eher verpönt. Schlimmstenfalls wurde dunkel von einem "europäischen Gründungs-Mythos Kosovo" geraunt. Diese Zeiten sind – hoffentlich - vorbei. Ohne Visionen verkommt praktische Politik zur pragmatischen Beliebigkeit. Dies gilt erst recht für Europa. Die Berliner Rede Joschka Fischers zeigt, dass diese Erkenntnis langsam Platz greift: Sie war mehr als überfällig. Allerdings: Die Vision, die sie enthielt, ist noch zu technokratisch, aus einem machtpolitischen Blickwinkel nur an die politischen Eliten Europas gerichtet. Pathetisch gesprochen: Um die Herzen der europäischen Bürgerinnen und Bürger zu erreichen, muss die Debatte jetzt und hier – auch und gerade im Freistaat Bayern – beginnen, wie wir der Vision einer solidarischen und ökologischen Zivilmacht Europa neues Leben einhauchen. Eine gemeinsame Beschäftigungs- und Sozialpolitik in Euroland gehört ganz oben auf die politische Agenda.

Euro-Crash? Die Lehren des Schweinchen Babe

Ach ja: Wie bedrohlich ist denn nun die Euro-Schwäche? Spätestens seitens der Asienkrise hat auch der letzte Volkswirt begriffen, dass sich die internationalen Finanzmärkte keineswegs immer rational verhalten. Vielmehr rennen sie wie Schafherden gerne immer in dieselbe Richtung. Das italienische Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank, Tommaso Padoa-Schioppa, gab (in der SZ vom 16.5.2000) die Erkenntnisse seiner Forschungen preis: "Ich habe mit vielen Schafen gesprochen, die wissen, dass sie in die falsche Richtung laufen. Sie wollen aber nur in die andere Richtung laufen, wenn sie sicher sind, dass der Rest der Herde folgen wird." Wer den Film "Ein Schwein namens Babe" gesehen hat, weiß: Schafherden brauchen – um in die richtige Richtung zu laufen - ein Gegenüber, das sie verstehen und akzeptieren können. In Europa fehlt dieses – politische - Gegenüber noch. Sorgen wir dafür, dass es so schnell wie möglich Realität wird.

Tom Sauer
ist promovierter Volkswirt und Sprecher des bayerischen Landesarbeitskreises Wirtschaft

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