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Herausgeberin Hiltrud Breyer MdEP
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SCHWERPUNKT: EP-STUDIE ZU SELLAFIELD UND LA HAGUE

Studie belegt Horrorszenario: Sellafield und La Hague - taeglich
tickende Zeitbomben
Endlich wurde die lange unter Verschluss gehaltene Studie "Possible
Toxic effects from the Nuclear reprocessing Plants at Sellafield and
Cap de la Hague" veroeffentlicht, welche im Auftrag des Bueros fuer
Technikfolgeabschaetzung des EP (STOA) vom WISE-Institut in Paris
erstellt wurde. Die Autoren beschreiben im Einzelnen die erstmals zu
Tage gefoerderten Fakten zu den beiden Wiederaufbereitungsanlagen.
Die Freisetzungen aus beiden Anlagen im sog. Normalbetrieb - also
ohne Unfall - entsprechen jedes Jahr denen eines grossen
Nuklearunfalls. Das ist das Tausendfache der Strahlung eines
normalen Atomkraftwerks. Damit sind laut der Studie bereits 250 bis
500 Kilogramm Plutonium auf den Meeresboden gelangt und das
OEkosystem schwer geschaedigt.
In La Hague lagert mit etwa 50.000 Kubikmetern radioaktiver Stoffe
und Abfaelle ein Vielhundertfaches des in Kernkraftwerken
vorhandenen Materials. Das kleinste Abklingbecken dort enthaelt selbst
halbvoll bereits 67 Mal soviel Caesium-137 wie bei dem Reaktorunfall von
Tschernobyl freigesetzt wurde. So haette allein das im Verhaeltnis zu
einem Flugzeugabsturz vergleichsweise "harmlose", der Studie
zugrundegelegte Unfallszenario, wie Feuer oder Explosion, weitaus
schwerere Folgen als Tschernobyl: bis zu 1,5 Millionen Menschen koennten
an Krebs sterben. Ein Flugzeugabsturz hingegen und eine dadurch
verursachte teilweise Zerstoerung der franzoesischen
Wiederaufbereitungsanlage in La Hague wuerde die Katastrophe von
Tschernobyl weit in den Schatten stellen. Laut der Studie werden die
Sicherheitsstandards nach dem EU-Recht nicht eingehalten. Die Kommission
erhebt nicht eigenstaendig Daten, sondern uebernimmt diese ungeprueft von
den Mitgliedsstaaten. Gerade einmal zwei "Personenmonate" oder - anders
ausgedrueckt - eine Sechstel Arbeitsstelle sind in der gesamten Bruesseler
Buerokratie fuer die Aufsicht ueber die Wiederaufbereitungsanlagen
eingeplant. Die Autoren gelangen zu folgendem Fazit und Empfehlungen: Die
permanente Freisetzung von grossen Mengen an Radionukliden sei eindeutig
unvereinbar mit dem Vorsorgeprinzip - unabhaengig davon, ob eine
Kausalitaet zwischen den haeufigeren Leukaemieerkrankungen von Kindern in
der Umgebung der Wiederaufbereitungsanlagen nachgewiesen werden kann oder
nicht. Das EP solle sich fuer ein Moratorium des Betriebes der Anlagen
einsetzen bis die Folgen der Freisetzungen von Radionukliden fuer die
Gesundheit geklaert sind. Die EU-Institutionen muessten Anstrengungen
unternehmen, die UEberpruefungsmoeglichkeiten gegenueber den
Mitgliedsstaaten auszubauen. Das EP sollte darauf draengen, dass eine
gesetzliche Regelung fuer die EU gefunden wird, die es untersagt, fremden
radioaktiven Muell in die Mitgliedsstaaten zu importieren, wenn nicht
bereits vor dem Import eine Genehmigung dafuer vorliegt, dieses Material
aufzuarbeiten und klar ist, was mit diesem weiter geschieht. Die
EU-Institutionen sollen in Zukunft dafuer Sorge tragen, dass bei der
Sicherheitsagentur von EURATOM ausreichende Strukturen vorhanden sind, um
Kontrollen zu ermoeglichen. Das EP soll sich dafuer einsetzen, dass die
Wiederaufbereitung abgebrannter Brennstaebe und damit die Entstehung von
Plutonium nur dann zugelassen wird, wenn gewaehrleistet ist, dass dieses
Plutonium in kuerzerer Zeit weiterverwendet wird. Ausserdem solle das EP
fuer die Foerderung von Alternativen gegenueber der
Wiederaufbereitungstechnologie eintreten, wie etwa der
Trockenlagertechnik. Durch diese koennten die Kosten einerseits sowie die
Menge des radioaktiven Muells andererseits minimiert werden. Des weiteren
sei auch die Umsetzung der sog. Aarhus-Konvention auf EU- Ebene notwendig
(siehe Artikel "EP will staerkere Beteiligung der OEffentlichkeit"). Die
Studie kann unter http://www.europarl.eu.int/stoa/publi/pdf/00-17-
01_en.pdf
bezogen werden (Achtung: langes Download, da es sich um 180
Seiten handelt!) Weitere Informationen finden sich bei
http://www.wise-paris.org/