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02.12.2000

Betreff: Perspektiven - Ausgangsbasis - Protokoll !

Ausgehend von einer Kontroverse über die Frage "Parteiaustritt oder nicht?" stellen wir fest, daß wir eigentlich nach Perspektiven suchen.

Soweit diese Suche gemeinsam sein soll, wollten wir erst klären, welche gemeinsame Ausgangsbasis wir haben.

Das Ergebnis fasse ich zusammen wie folgt:

Übereinstimmung bei Punkt 1 und 2:

1. Wir teilen die Sorge um unsere Zukunft; daraus ist Grüne Projekt entstanden.

2. Die Sorge gilt (unter anderem)

-
der ständigen und beschleunigten Zerstörung der Umwelt
-
der zunehmenden technischen Gefahren aus Chemie, Atomspaltung und Gentechnik
-
der wachsenden und beschleunigten Spaltung der Menschheit in viele Arme und wenige Reiche
-
dem dadurch zunehmend gefährdeten Frieden, inner- und außerstaatlich
-
dem Abbau der sozialen Errungenschaften und BürgerInnenrechte
-
der Unfähigkeit unserer staatlichen Ordnung, einschließlich der Grünen Partei,
-
wachsende neonazistische Aktivität
-
Unterdrückung der Frauen (Anmerkung 1)


3. Nachdem die Grünen sich in eine Partei verwandelt und im Parlamentarismus bis zur Regierungsbeteiligung Karriere gemacht haben, sind sie für die genannten Ziele untauglich geworden. Daß sie damit Enttäuschung und Mutlosigkeit verbreiten und die Anstrengungen vieler vereitelt haben und weiter vereiteln führt NICHT BEI ALLEN zur Abkehr oder
Gegnerschaft zu dieser Partei.

4. Das Versagen der Grünen hat Parallelen bei der SPD und in vielen anderen Ländern mit unserer Art von Demokratie. Über die Gründe dafür besteht offener Dissens. - Die einen (A) halten dies für das Systemversagen des Parlamentarismus, der die Parlamentarier (mehrheitlich) zwingt, sich nicht wirklich um die Sorgen des Volkes und die Zukunft der Menschheit zu kümmern, sondern um ihre eigenen ganz anderen Interessen. Für sie ist dies ein System der organisierten Verantwortungslosigkeit. - Die anderen (B) sehen den Verrat der Parlamentarier an den grünen Idealen
mehr als ein Charakter- und Qualifikationsproblem, das mit besseren Auswahlverfahren und öffentlichen Appellen von Seiten der Basis behoben werden müßte. Gruppe B vermißt bei A ein erfolgversprechendes Rezept - Gruppe A sucht danach und weigert sich, das erwiesen ungenießbare Rezept weiter zu verwenden. (Anmerkung 2)

5. Die folgende Ansicht über Demokratie, die bewußt keinen Bezug auf Wahl von Vertretern nimmt, fand als Theorie Zustimmung: Demokratie rechtfertigt sich aus der Idee, daß die Menschen für sich selbst verantwortlich sind (und natürlich auch für ihre Nachbarn und Nachkommen), und darum auch selbst gemeinschaftlich bestimmen sollen. Auch ist zu erwarten, daß die von Entscheidungen Betroffenen selbst am besten wissen, was für sie gut ist, und daß sie besonders sorgfältig überlegen, wenn sie die Folgen selbst zu tragen haben. Der Parlamentarismus ist nicht die einzige denkbare Ausgestaltung von Demokratie.

zu Anmerkung 1:
K-P.Schleisiek hält die Bezeichnung "Benachteiligung" für passender und erinnert daran, daß auch andere Gruppen benachteiligt sind. Auch viele Männer leiden unter der vorherrschenden Rollenverteilung.
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zu Anmerkung 2 :
Die Frage: <Systemversagen -- persönliches Versagen> spielt eine Rolle bei der persönlichen Entscheidung über Parteiaustritt. Es schien einigen Teilnehmern wichtig zu sein, daß diese Frage zum Auffinden neuer Perspekiven zu wichtig sei, um auf die lange Bank geschoben zu werden. Zur Bereicherung der Debatte habe ich Paul Tiefenbach, den Autor des Buches "DIE GRÜNEN - Verstaatlichung einer Partei" zur Teilnahme an unserer Diskussion eingeladen. Sein Beitrag liegt inzwischen vor unter "Angekündigter Text" . Ich schlage für dieses Thema den Titel "Demokratische Systemkritik" vor.

Vorsichtiger Widerspruch gegen meine Forderung nach Vorherrschaftsverzicht in unseren Organisationen kam auf mit der Frage, wie das praktisch gehen sollte. Ja, das müssen wir gerade herausfinden, wenn wir die Wurzel des Übels im Anführertum sehen (die Parteiführung macht was sie will, auch gegen berechtigte Erwartungen und geschriebenes Programm). Dies möchte ich gern unter dem Titel "Demokratischen Praxis" weiter diskutieren.

Die Frage nach positiver Formulierung unserer Sorgen hat einige Beiträge gebracht, die ich schwer zusammenfassen kann. Aber zwei Punkte, die mehrfach angesprochen wurden, möchte ich hier herausheben, nämlich Solidarität und Kultur. Als dritten Titel für die weitere Perspektiven-Diskussion schlage ich darum vor: "Solidarische Kultur"

Protokolliert am 2.12.2000 von

Klaus-Peter Schleisiek

D-52074 Aachen

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