Der Krieg im Kosov@ und die erste Regierungsbeteiligung auf der Bundesebene
für Bündnis 90/Die Grünen sind historisch miteinander verwoben.
Die Sonder-BDK in Bielefeld hat deutlich gemacht: Die Partei Bündnis 90/Die
Grünen ist eine andere geworden. Die Partei, die aus den sozialen Bewegungen
mit mehreren politischen Grundsäulen entstanden ist, hat eine neue Säule
dazubekommen: das Machtbewußtsein.
Dies ist ein Veränderungsprozeß, den Herr Joseph Fischer schon vor
der Wahl angekündigt hat. Nun vollzieht er das, was er vorher gegenüber
der Presse immer wieder angedeutet hat: er will den Grünen ein Ja zur NATO(-Politik)
entlocken und den politischen Bruch mit dem Programm, zumindest in der Außen-
und Sicherheitspolitik: daran macht er die Regierungsfähigkeit der Partei
fest. Mit seiner Autorität als Medienfigur und mit seinen rhetorischen
Fähigkeiten hat er
dies nun geschafft. Den Delegierten in Bielefeld hat er vor den Kopf geknallt:
es ist egal, was Ihr beschließt, ich mache als Minister so weiter; mit
dem Appell "werft mir keine Knüppel zwischen die Beine" brachte
er den Großteil der
Delegierten hinter sich. Die Partei hat sich dadurch selbst zu einem Wahlverein
für die Regierung degradiert. Da half auch nicht mehr der Versuch der AntragstellerInnen
der Gruppe 3 (Roth, Ströbele, Buntenbach, Simmert, München) eine politische
Schmerzgrenze zu definieren, bei dem die Pazifisten, Antimilitaristen bewußt
von einer Schelte oder vor der Infragestellung der Regierungsbeteiligung Abstand
genommen haben: mit der Einbeziehung der Leute, die am Anfang dieses "Experiment
Luftangriff" noch mitgetragen hatten und nun den Stop forderten. Diese
Linie war ein Signal in die Mitte der Partei, aber wir haben verloren. Dabei
mitgeholfen haben sicher die autonomen "Indianerspiele", die ein bedrückendes
Klima im Saal erzeugt haben und ein paar Unentschlossene auf die Seite von Herrn
Fischer gebracht haben. Diese politische Entscheidung mußten wir hinnehmen
und erkennen, daß dies für viele der Schlußstrich unter das
linke Reformprojekt Grüne Partei war. Wer jetzt neu in die Partei eintritt,
wird zu denen gehören, die an dem Machtzuwachs dieser Partei partizipieren
wollen und nur sekundär programmatische Ziele verfolgen. Die Partei wird
sich somit weiter "in die gesellschaftliche Mitte" bewegen, die Austritte
am linken Rand werden von vielen begrüßt oder zumindest billigend
in Kauf genommen. Dieser Veränderungsprozeß beschleunigt nur einen
Prozeß. Der aus der ehemaligen Protest- und Konzeptpartei eine Partei
macht, bei dem die oberen Köpfe entscheiden, wo es lang geht. Der Bielefelder
Parteitag hat bewußt die Linie gewählt, die Herr Fischer gerade noch
zulies, der Bundesvorstand lief somit an
der kurzgehaltene Leine, wie ernst der Beschluss einer Waffenpause in der Bundestagsfraktion
gesehen wird, sieht man wohl daran, daß sie diesen Antrag im Bundestag
wohl erst nach dem Krieg stellen werden.
Viele Personen haben nach dem 13.5.1999 schon ihren persönlichen Schlußstrich gezogen. Die politische Linke darf sich auf keinen Fall einem Selbstmordkommando folgend in das politische Nichts begeben.
Deshalb stellt sich nun für viele die Frage WAS NUN?
Seit Bielefeld sind viele es leid, für die Grünen Bundespolitik in
der Öffentlichkeit zu verkaufen; dies in einem Jahr, wo nicht nur die Europawahl,
sondern auch einige Landtagswahlen in den neuen Bundesländern anstehen.
Die komplette Spitze der Partei trägt die Verantwortung dafür, ob
wir bei den jetzt anstehen Wahlen aus den Parlamenten fliegen oder die Partei
sich in den neuen Bundesländern entgültig unter der 3%-Marke einordnet.
"Wir machen keinen Wahlkampf für eine Partei, wo noch nicht klar ist,
ob ich sie überhaupt wählen kann", dies ist der Tenor, der aus
vielen Mündern kommt, wenn diese Freundinnen und Freunde nicht schon ausgetreten
sind.
Als Linke gilt es nun die Politik neu gemeinsam zu definieren.
Der Babelsberger Kreis hat sich auf der Bundesebene bisher immer als Forum für
alle angesehen, die die Reformen in diesem Land voran bringen wollte. Dabei
hat sich in den letzten Monaten die Anbindung der sogenannten Regierungslinken"
als schwer erwiesen. Die Kommunikationstruktur Babelsberg ist in der letzten
Zeit zu breit angelegt, und ist sehr auf Funktionärskreisen orientiert,
die sehr NRW- und Berlinlastig sind. Über Jahre konnten mit diesem Zusammenhang
Mehrheiten auf Bundesversammlungen organisiert werden, nach dem "Einkauf
" von einigen in
wichtige Ämter, ist für viele ein Bruch festzustellen. Die Aufstellungsversammlung
zur Europawahl und Bielefeld haben deutlich gemacht: wir brauchen eine bessere
Vernetzung mit einer standfesteren gemeinsamen Grundlage. Der Dialog zu den
Regierungslinken bracuh dabei nicht abbrechen, aber es gibt hier klare Interessenunterschiede.
Aufgaben einer Linken Vernetzung:
· Sammelbecken für Ausgetretene und WeitermacherInnen
· Definition der Zielgruppe über die Grünen hinaus: Rot-Grüne
Linke
· Politische Kernaussage: Unzufriedenheit über die Erfolge des rot-grünen
Reformprojektes, dabei ist die Forderung nach der Beendigung der Koalition nur
eine Variante, die zur Zeit aber nach dem Parteitag in Bielefeld erst einmal
anders entscheiden ist. Auf der programmatischen Plattform des BT-Wahlprogramms
von 1998 kann man eine Linke Reformpolitik weiterentwickeln.
Zu den Schwerpunkten sollte gehören:
der sozial-ökologische Umbau,
die Renaissance der Grundrechte und
eine neue Außen- und Friedenspolitik mit einer Öffnung Europas nach
Osten.
Um Linke in der Partei zu halten, müßten wir dort einen Freiraum
haben, in dem wir politisch weiter agieren können. Deshalb ist es notwendig,
Kreisverbände als Oppositions-KV oder regierungskritischer KV zu definieren
und alle Frustrierten aufzurufen in diesen KV Mitglied zu werden. Dort können
mit den Mitgiedsbeiträgen und Spenden linke Projekte gefördert werden.
Diese KV`s vernetzen sich auf Landes- und Bundesebene und sind in der Lage,
auch Linke
Projekte in der Partei mitzufinazieren, dazu gehört auch der Aufbau eines
redaktionell aufgearbeiteten Diskussionsforums im Internet (aufgebaut auf http://www.BasisGruen.de
) oder ein qualifizierter Email-/Fax-Verteiler. Dazu gehören aber auch
Kongresse und politische Vernetzungstreffen, die es schaffen, das politische
Spektrum zusammenzuhalten und einen Politikwechsel voranzubringen. Es wäre
verheerend, wenn es der politische Zweck der Grünen als Partei gewesen
sein soll, die sozialen Bewegungen in das System aufzusaugen und mundtot zu
machen. Deshalb ist es wichtig, sich nicht mehr auf die innerparteiliche Strömungsbalance
zu orientieren, sondern den Aufbau der sozialen Bewegung - als Triebfeder der
politischen Veränderung - wieder aktiver zu betreiben.
Der Vorwurf in eine JUSO-Ecke zu rutschen zieht nicht, weil unter uns sehr
Viele mit großer politischer Erfahrung und starkem inhaltlichen Background
sind. Mit einer Aufgabe die inhaltliche Arbeit - auch für langfristige
Reformkonzepte - zu
vertiefen und die NRO und sozialen Bewegungen zu stärken wird es beim dem
Poker um die Besetzung von wichtigen Positionen ein wichtiges Wort mitreden,
gute Persönlichkeiten haben wir dann genug.
Konfliktpunkt: Kommunalpolitik!
Ein wesentliches Standbein für aktive grüne Politik ist die Kommunalpolitik.
In der öffentlichen Wahrnehmung spielt zwar die Bundespolitik die wichtigste
Rolle, die meisten Aktiven sind jedoch auf der kommunalen Ebene eingebunden,
dort gibt
es die Möglichkeit eine gute Sachpolitik zu machen. Sollen wir dieses Projekt
einfach so sterben lassen, indem wir die Flucht aus der Partei antreten? In
NRW sind in diesem Jahr noch Kommunalwahlen, dort gibt es viel zu verlieren.
Deshalb sollten wir jeweils vor Ort nach Auswegen suchen, um ein breiteres Spektrum
an der Politik zu beteiligen als das, was hinter der Politik der Bundesregierung
steht. Ein "Projekt München" war z.B. auch schon zu Kohlzeiten
möglich. Bei
zukünftigen Aufstellungsversammlungen sind offene Bündnis 90/Die Grünen-Listen
eine einfache Möglichkeit auch Ausgetretene weiter einzubeziehen. Die weitergehende
Möglichkeit ist wieder zu der "Grünen Liste X-Stadt" zu
greifen.
Bei der Außendarstellung im Wahlkampf haben schon jetzt die "Kommunalos"
in NRW das Problem, daß sie sich gerne von der Kosov@-Politik distanzieren
wollen. Eine einfache Idee ist in den Zeiten des Krieges, die Ablehnung der
Bombenangriffe durch eine blaue Friedenstaube auf Flugblättern/Plakaten
zu symbolisieren. Die z.T. in Berlin gewählte Methode Plakate von Herrn
Fischer mit einer Zielscheibe zu entfremden ist kontraproduktiv.
Um Antwort wird gebeten:
Martin Ottensmann Helene-Weber-Allee 8, 80637 München
Fax 089/155057, Email Martin.Ottensmann@t-online.de
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