Wie ernst meint Ihr es mit den "Nie-Grünen"?

Sowohl BasisGruen als auch linksGruen betonen, wie wichtig es ihnen ist, mit denen zusammenzuarbeiten, die nie zur grünen Partei gehört haben. Das ist sehr zu begrüssen - auch wenn zur Zeit die überwältigende Mehrheit beider Gruppen aus Grünen und Ex-Grünen besteht und die "Nie-Grünen", soweit ich das überblicken kann, eine eher unbedeutende Rolle spielen.

Ich möchte an dieser Stelle aus der Perspektive eines "Nie-Grünen" darstellen, was ich mir vom Treffen in Dortmund erwarte. Dabei masse ich mir nicht an, für andere zu sprechen; ich behaupte aber, dass es sicherlich eine Reihe von Leuten gibt, die ähnlich denken wie ich.

Seit nun fast 32 Jahren bin ich politisch aktiv, allerdings ohne jemals Mitglied einer politischen Organisation gewesen zu sein. Das hat im wesentlichen zwei Gründe. Der eine hat mit dem Charakter von Organisationen zu tun, die sich als Partei konstituieren; der andere mit dem Charakter von Organisationen, die sich für Partikularinteressen einsetzen.

Zu den Parteien: Im Laufe der Jahre habe ich eine ganze Menge davon erlebt. Ich habe selber im Umkreis von Grünen, KBW, PDS und diversen kleineren Grüppchen mitgearbeitet. Und die Erfahrung, die ich gemacht habe, war immer wieder dieselbe: Wenn ein bestimmter Punkt der Gründungs- und Konsolidierungsphase überwunden ist, werden die ideologischen Scheuklappen angelegt und die politische Diskussion wird eingeengt auf die Themen, die von der Führung der Organisation vorgegeben werden. Und zweitens bildet sich ein Lenkungsapparat heraus, dessen Eigeninteressen die politischen Ziele überwiegen. Bei den Grünen, die ja an den Fleischtöpfen der Staatsmacht sitzen, ist das besonders schön zu beobachten: Das Rotationsprinzip wird als Versorgungsgarantie langgedienter Funktionäre uminterpretiert; organisatorisches Taktieren und Kuhhändel ersetzen die innerparteiliche Demokratie, und die Machtstrukturen innerhalb der Partei lassen sich inzwischen ohne weiteres mit denen der Sozialdemokratie vergleichen.

Wer als einzelner oder als Gruppe für bestimmte politische Themen eintritt und dann feststellen muss, dass entweder die Diskussion darüber nicht gewünscht wird oder man sich auf den überflüssigen Weg des parteipolitischen Lavierens einlassen muss, um seine Ziele verfolgen zu können, der kann entweder den Weg der Volmerisierung gehen oder sich nach einer anderen politischen Heimat umsehen. ich habe immer den zweiten Weg gewählt - wie viele andere auch.

Zu den Initiativen stellvertretend ein Beispiel: Als Herausgeber der "Antifaschistischen Informationen", der ersten bundesweiten Antifa-Zeitung vor 20 Jahren, habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Partikularinteressen, für die viele Initiativen und Organisationen eintreten, sehr oft eine weitergehende Diskussion und Perspektive verhindern. Wer gegen den Faschismus ist, der muss sich auch umfassend mit den gesellschaftlichen Strukturen und Bedingungen auseinandersetzen, die ihn hervorgebracht haben. Der muss in seinen politischen Aktivitäten auch über die Parole "Nazis raus" hinausgehen. Der muss sich letztlich in einen grösseren politischen Diskussions- und Organisationszusammenhang einordnen. Dazu sind die meisten Initiativen nicht bereit, zum Teil auch deswegen, weil sie auf der Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners beruhen, um für ihre bewusst eingeschränkten politischen Ziele eine möglichst breite Unterstützung zu erhalten.

Da stehen also wir heimatlosen Linken zwischen den Parteien und den Initiativen. Da demonstrieren wir zum 1. Mai mit den Autonomen und geben unser Wahlkreuz der PDS. Da beteiligen wir uns am Ostermarsch der DFG und am Anti-Abschiebestand der örtlichen Aktionsgruppe. Da sehen wir, wie sich ehemalige Gleichgesinnte in die weichen Fauteuils der Macht oder das mehr oder minder lukrative Privatleben abseilen.

Deshalb habe ich grosse Erwartungen an Dortmund. Ich erwarte, dass sich eine Organisation gründet, die keine Partei ist und auch nicht sein will. Die aber die Möglichkeit schafft, auf breiter Basis nicht nur eine Diskussion über alle gesellschaftlich relevanten Fragen zu führen, sondern die auch daraus resultierende Aktionen initiiert.

Und letztlich liegt ja auch darin die grosse Chance von Dortmund: Die Leute zur Mitarbeit zu gewinnen, die bislang mehr oder weniger freischwebend politisch aktiv gewesen sind bzw. zukünftig auch die, denen die bestehenden Organisationen keine Perspektive bieten.

Das kann allerdings nur dann gelingen, wenn die Aussagen von Dortmund auf einer eindeutigen linken Grundlage stehen. Und mit "links" meine ich in diesem Fall: einer antistaatlichen Grundlage. Jeder Kompromiss in dieser Hinsicht mit den Teilnehmern aus der grünen Partei würde die Glaubwürdigkeit dieses Projekts zunichte machen.

Und was für mich ebenso wichtig ist: Wir sollten von Anfang an darauf achten, dass sich keine Machtstrukturen wie in der grünen Partei herausbilden. Wenn es also einen Ausschuss geben muss, dann von vornherein mit einem begrenzten Mandat. Doppelfunktionen (also Ausschuss und Geschäftsstelle) sollten nicht möglich sein.

Wenn in Dortmund diese Grundlagen geschaffen werden könnten, dann bin ich sicher, dass auch ein grosser Teil von "Nie-Grünen" zur Mitarbeit gewonnen werden kann. Für mich wäre es jedenfalls ein Grund, mich kontinuierlich im Rahmen der neuen Organisation zu betätigen.


Gerd Ruebenstrunk (bonbini@pobox.com)


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