Die üblichen Verdächtigen - Erste Eindrücke zu Dortmund

Die schlimmsten Befürchtungen sind ja inzwischen, wenn es um die Grünen geht, die realistischsten. Das stellte sich auch beim bundesweiten Treffen in Dortmund heraus. Denn es bewahrheitete sich, was viele im Vorfeld geahnt hatten: die Grünen, vor allem deren MdBs, wollten dort ein Netzwerk gründen, das ihnen für ihre innerparteiliche Arbeit den Rücken stärkt und ihnen ansonsten keine politischen Schwierigkeiten bereitet.

Die politische Kultur scheint auch bei diesen sogenannten linken Grünen inzwischen ziemlich auf den Hund gekommen zu sein. Davon zeugen Äusserungen, die auf den Gängen fielen: "So haben wir uns das nicht vorgestellt." - "Das kann man doch nicht machen - stellt euch mal morgen die Schlagzeilen vor!" - "Das sind doch alles Sektierer." usw. usf. So redet niemand, der wirklich an einem breiten und offenen Diskussionsprozess interessiert ist - sondern jemand, der, in gewohnter machtpolitischer Routine, mal wieder ein paar idealistische Idioten instrumentalisieren will.

Am deutlichsten wurde aber die mangelnde Bereitschaft der linken Grünen zu einen offenen und unbequemen Auseinandersetzungsprozess, nachdem sie bei der einzigen inhaltlichen Abstimmung des Tages den Kürzeren zogen und die Mehrheit des Treffens einen Aufruf "Keine Stimme für die Kriegsparteien" verabschiedete. Innerhalb weniger Minuten hatten sie ihre Siebensachen zusammengesammelt und stürmten geschlossen zum Ausgang. Schlechte Verlierer also, und dazu noch Verlierer, die den zügigen Abschluss des Treffens durch den Rückzug zweier MdBs aus dem geplanten Arbeitsausschuss und den massiven Abmarsch torpedierten.

Dieses Verhalten zeigt doch ganz deutlich zweierlei: Erstens, die linken Grünen kriegen den Spagat zwischen kompromissloser Opposition zum Kriegskurs und der neoliberalen Politik ihrer Fraktionsmehrheit und der Loyalität zur grünen Partei nicht hin. Auf der einen Seite verurteilen sie scharf den Angriffskrieg auf Jugoslawien, auf der anderen Seite wollen sie aber die Öffentlichkeit dazu auffordern, die grüne Kriegspartei zu wählen. Das passt einfach nicht zusammen. Die Dortmunder Abstimmung hat die linken Grünen zum ersten Mal nicht mehr so einfach davonkommen lassen, sondern sie vor eine klare Alternative gestellt. Sie haben (und bei manchen gilt diese Entscheidung hoffentlich nur vorläufig) den Schwanz eingeklemmt und sich gegen das Netzwerk und für die grüne Kriegspartei entschieden.

Zweitens, und das ist vielleicht noch viel schlimmer: Ihr Verhalten zeigt, wie unwichtig es für sie wirklich ist, ein unabhängiges linkes Netzwerk aufzubauen, das auch mit den verkrusteten Politikformen der grünen Partei bricht. In dieser neuen Organisation geht es eben nicht nur um entweder-oder, um Friss-oder-stirb. Wenn der Vorbereitungsausschuss zwei programmatische Erklärungen, die sich eigentlich ergänzen, alternativ abstimmen lassen will und die Mehrheit der Teilnehmer stattdessen beide Erklärungen annimmt, dann ist das eine politische Kultur, die für ein solches erstes Treffen schon erstaunlich ist. (Während sich die linken Grünen darüber mehrheitlich nur lustig machten.) Und wenn eine Mehrheit fordert "Keine Stimme den Kriegsparteien!", dann gibt es immer auch noch eine Minderheit, und die wird in diesem Netzwerk ebenso Gehör bekommen. Aber die grünen MdBs und ihr Anhang sehen das ganz anders - wahrscheinlich, weil sie entweder verlernt haben, was Basisdemokratie und Diskussionskultur bedeuten, oder es noch nie mitgekriegt haben.

Insofern hätte der Ausgang des Dortmunder Treffens besser nicht sein können. Die üblichen Verdächtigen haben ihre Tarnkappen fallengelassen und gezeigt, dass sie entweder noch viel lernen müssen, bevor sie sich an einem solchen Netzwerk beteiligen können, oder dass sie es besser ganz sein lassen. Das Treffen hat deutlich gemacht, dass die Mehrheit nicht mehr bereit ist, sich von grünen MachtpolitikerInnen instrumentalisieren zu lassen. Und solche grünen MachtpolitikerInnen sind offenbar, auch wenn das einige nicht gerne hören, auch Christian Ströbele, Annelie Buntenbach, Christian Simmert und die anderen dissidenten MdBs.

Bleibt zum Abschluss dieses Tages zu hoffen, dass es sich die eine oder andere, die wie ein trotziges Kind aus dem Saal gestürmt ist, vielleicht noch einmal überlegt. Denn natürlich wäre es schade, ein links-gruenes Netzwerk ohne grüne Noch-Mitglieder aufzubauen. Andererseits wird dieser Ausmarsch aber die weitere Entwicklung einer alternativen Organisationsstruktur nicht verhindern können.

Und Daniel Kreutz sei zum Schluss noch ins Buch geschrieben, dass eine neue Organisation, die ihren ersten politischen Beschluss gleich aus Opportunismus fällt, gar nicht erst antreten braucht. Und dass sein Plädoyer gegen den Wahlaufruf an diesem Sonntag wohl der beschämendste Beitrag von allen sogenannten "Linken" war.


Gerd Ruebenstrunk (bonbini@pobox.com)