Ulla Schnelting-Hebeler MdL (Landtag NRW)

Zum Schreiben der 2. Generation der Bündnisgrünen (Jens Kröcher, Mathias Wegener)


Seit nunmehr 17 Jahren bin ich an der Parteibasis ehrenamtlich für die Bündnis-grünen aktiv gewesen -und bin somit eine "Alt-GRÜNE".
Es versteht sich deshalb von selbst, dass ich vehement dagegen bin, unsere Parteimitglieder in "Alte" und "Junge" spalten zu lassen, wobei nach Meinung der Autoren alt für "Muff" und "moralisierende Besserwisserei" steht. Dies ist wahrlich ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich seit Jahren bzw. Jahrzehnten für die immer noch gültigen Ziele der Bündnisgrünen einsetzen, welche teilweise auch schon mit Erfolg umgesetzt wurden. Diese sind u.a.:

- gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in allen Bereichen
- ökologische Steuerreform
- Atomausstieg
- zivile Konfliktlösungsstrategien
- Trennung von Staat und Kirche.

Insgesamt ist es sehr schwierig, das Papier zu analysieren, verstricken sich die beiden Verfasser doch permanent in Widersprüche, ja, der Inhalt fällt geradezu wegen nicht dargestellter Zusammenhänge auseinander. Dennoch wage ich den Versuch einer Kurzanalyse. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass die "Libera-los" eine Spaltung der Partei intendieren, gerade jetzt, wo hier in NRW alle Kräf-te gebündelt werden müssten, um bei den anstehenden Wahlen gute Ergebnisse zu erzielen. Zahlreiche (langjährige) Mitglieder bringen viel Zeit und Energie auf, um grüne Inhalte zu vermitteln und erfolgreiche Wahlkämpfe zu erzielen. Ihr Einsatz wird durch solche Pamphlete untergraben. Nach der neunmonatigen Reform-Blockade-Politik durch Schröder ist es schon schwer genug, bündnis-grüne Positionen überzeugend zu vertreten wie uns auch das Europawahlergeb-nis zeigt. Ich hoffe für die anstehenden Wahlen, dass unsere BürgerInnen zwi-schen den einzelnen Politikebenen zu unterscheiden wissen.

Es ist eine Anmaßung, zu sagen, Bündnisgrüne hätten keine überzeugenden Konzepte: ich jedenfalls bin zu den GRÜNEN gekommen, weil sie die einzige Partei mit überzeugenden, langfristigen Konzepten war und nach wie vor ist. Alle anderen Parteien betreiben Flickschusterei, wollen nur punktuelle Verände-rungen.

Ökologisch, basisdemokratisch, sozial, gewaltfrei und feministisch sind für viele Grüne nach wie vor Adjektive, durch die sich eine reformierte und emanzipatori-sche Gesellschaft auszeichnen muss.
Dass die Frauenfrage in diesem Pamphlet bis auf die Quote keine Rolle spielt, überrascht mich nicht. Dass wir aber nicht mehr erreicht haben sollen als dass "über die Rolle der Frauen ... anders gedacht wird" ist jedoch erschreckend. -Ich habe auch nicht den Wunsch, dass z.B. die Ökosteuer-Reform zu einem "marktkonformen Instrument" verkommt.- Die in dem Schreiben geforderte "teilweise Auswechslung der Mitgliedschaft" bezieht sich eindeutig auf den linken Flügel unserer Partei. Ich meine, dass durch den Kosovo-Krieg der linke Flügel ohnehin gänzlich abzubrechen droht und die "Westerwellisierung" unse-rer Partei mit Riesenschritten voranschreitet. Ist den Autoren eigentlich klar, dass die politische Mitte von fast allen Parteien in der BRD über alle Maßen vereinnahmt wird und deshalb schon heute überfüllt ist ? -
In diesen Zusammenhang passt auch die anmaßende Ausgrenzungsstrategie und Rücktrittsforderungen gegen Jürgen Trittin.

Anstatt in einem für die Bündnisgrünen wahrlich nicht gerade günstigen politi-schen Klima einen Bruch mit den bislang verfolgten Zielen und Strategien sowie die Auswechslung größerer Teile der Mitgliedschaft zu propagieren -ein bewuss-ter Spaltungsversuch, der das mögliche Ende der Partei billigend in Kauf nimmt-, sollten die Verfasser des zitierten Papieres ihre Kräfte lieber darauf konzentrie-ren, die in unserem Wahlprogramm und in der Bonner Koalitionsvereinbarung beschriebenen Ziele zu erreichen. Denn spätestens im Jahre 2002 werden unse-re Wählerinnen und Wähler Bilanz ziehen und überprüfen, in wieweit die von uns im Wahlkampf eingeforderten bzw. angekündigten Reformen tatsächlich umgesetzt oder zumindest auf den Weg gebracht worden sind. Das Ergebnis dieser Bilanzierung wird mitentscheidend dafür sein, ob BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN auch mittelfristig der parlamentarische Motor einer emanzipatorischen Re-formpolitik bleiben oder als einstiger vielfarbiger Hoffnungsträger, mittlerweile aber zur grauen, nutz- und wirkungslosen Altlast geworden, per Stimmzettel der Entsorgung zugeführt werden.