Die Notwendigkeit einer ECHT-GRÜNEN Partei für die Gesellschaft

Kürzlich wurde Joschka Fischer auf dem CDU-Parteitag verhöhnt. Jetzt müsse er einen Kriegseinsatz der Bundeswehr mitgestalten und noch vor einem Jahr habe er gemeinsam mit linkem Gesindel - das werde ausdrücklich betont: mit linkem Gesindel - Bundeswehrvereidigungen gestört. Dieses „linke Gesindel“ hat auf der Bielefelder Versammlung nur einen Anteil von etwa 40 % gestellt. Aber war Josef Fischer gezwungen, den Krieg mit zu tragen?

Bündnis 90/Die Grünen haben in Bielefeld den Fehler begangen, die Ziele GRÜNER Politik mit der Beteiligung an der Regierungsarbeit zu verwechseln. An der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken - und das ist Aufgabe einer jeden Partei - hieße aber, diese Ziele in die Köpfe der Menschen zu tragen bzw. dort zu verankern. Die Willensbildungsarbeit der Parteien wird zur Zeit regelrecht diffamiert. Guido Westerwelle verdreht diese Arbeit zu „Verbalradikalismus“, ist sich aber nicht zu blöde, Bündnis 90/Die Grünen nach dem Bielefelder Parteitag als inhaltsleere Organisation abzuqualifizieren. Egal wie der FDP-Clown die Bündnisgrünen kommentiert, wir müssen die Diskussion über GRÜNE Politik in der Gesellschaft voranbringen.

Nur zu gerne wurden in die GRÜNE Partei Widersprüche hineinphantasiert, wie dieser Widerspruch zwischen dem Ziel „Nie wieder Krieg“ und dem Ziel „Nie wieder Auschwitz“. Dieser Widerspruch, so hieß es, drohe die GRÜNEN zu zerreißen. Quer durch die Bevölkerung gehe dieser Riss, die Grünen spiegelten das nur wieder. Solche Analysen, wie sie derzeit durch die Medien geistern, haben einen Fehler: Es gibt überhaupt keinen Widerspruch zwischen den beiden Zielen! Ich glaube jede und jeder von uns steht zu beidem. Auf dem Bielefelder Parteitag überwogen leider diejenigen, die aus welchen Gründen auch immer, Krieg nicht mehr grundsätzlich ablehnen.

Die Frage ist nur: Können Menschenrechtsverletzungen durch Krieg verhindert bzw. beendet werden? Als das Regime Milosevic mit Trillerpfeifen angegriffen wurde, geriet es ein wenig ins Wanken. Weil es damals noch keine grüne Regierungsbeteiligung gab, hätte Fischer selbstbewusst - meinetwegen dreist - behaupten können, seine Außenpolitik hätte der Trillerpfeifenrevolution garantiert zum Sieg verholfen! Milosevic hätte seinen Hut nehmen können usw.

Die Trillerpfeifenrevolution haben tatsächlich Rühe, Kohl und Kinkel versägt! Der jetzigen Bundesregierung dürfen wir abnehmen, dass es ihr tatsächlich darum ging, die Menschen im Kosovo zu schützen. Der Bielefelder BDK glauben wir das erst recht. Doch ließ sich dieses Ziel mit Bomben erreichen? Nein, und den Militärs war das wohl auch vorher klar. Zu spekulieren, ob die Militärs ihre Ziele erreichen können, ist müßig. Die Resultate sind jetzt schon fürchterlich genug:

Die Militärs mischen sich fast unbemerkt in die Politik ein. Längst schon werden NATO-Bodentruppeneinsätze von Militärexperten vorbereitet. Der Krieg ist den Regierenden immer mehr entglitten. Das aufzuzeigen wäre Aufgabe der GRÜNEN Partei, auch um den demokratisch gewählten Staatslenkern - den eigenen Außenminister eingeschlossen - wieder das Heft in die Hand zu geben. Aber Bündnis 90/Die Grünen hat sich mehrheitlich dem angeschlossen, was als NATO-Propaganda täglich über den Bildschirm flimmert.

Eine GRÜNE Partei wäre die einzige Kraft, die der Bundesregierung einen Weg aus diesem Dilemma hätte weisen können. Die SPD hat sich mehrheitlich hinter Schröder gestellt, der hält - ignorant wie immer - jeden Quergedanken für Quatsch. Die Union wird sich wohl kaum um 180° drehen, auch wenn Herr Stoiber nach seiner Moskaureise überraschend deutlich vor dem Einsatz von Bodentruppen gewarnt hat. Die PDS als Partei mit der höchsten Offiziersdichte ist diesbezüglich als Zeigefinger ungeeignet - ist man sich dort überhaupt einig, ob Jugoslawien noch ein „sozialistisches Bruderland“ ist oder nicht? DIE GRÜNEN aber hätten für sich in Anspruch nehmen können, Friedenspartei zu sein!

GRÜNE haben nämlich schon zu Zeiten des Kalten Krieges die Abkehr von militärischen Konfliktlö­sungsmodellen gefordert. GRÜNE haben die bloße Androhung von Waffengewalt, die sogenannte Ab­schreckung, abgelehnt. GRÜNE haben Rüstungskonversionsszenarien mitentwickelt, Gewaltpräventi­onskonzepte vorgeschlagen und die soziale Verteidigung propagiert. Für Abrüstung in Ost und West haben GRÜNE demonstriert mit dem Zusatz „bei uns damit anfangen!“ Jetzt - nachdem alle diese Forderungen konsequent ignoriert wurden - lässt sich mal wieder ein Konflikt nicht mit Waf­fengewalt beseitigen. Wer kann da denn wohl die glaubwürdigste Lösung anbieten, die NATO indem sie Milosevic seine Basis, also das ganze Land wegbombardiert oder eine GRÜNE Partei mit einem ausdifferenzierten Konzept „Ohne Waffen Frieden schaffen“?

Stattdessen wird ein „Kompromiss“ durchgestimmt, der erstmals und satzungswidrig die pazifistische Grundausrichtung der Partei aufgibt. Fast mit zynischer Ironie reagiert die NATO am darauffolgenden Tag mit dem schrecklichsten Kollateralschaden, an die 100 kosovarische Flüchtlinge werden von NATO-Bomben grausigst getötet. Dagegen muss doch eine breite Bewegung mobilisiert werden. Wenn das in den GRÜNEN nicht mehr geht, weil die Mehrheit der Partei zur systemkonformen Jubeltruppe verkommen ist, dann muss sich der systemkritische Teil der Partei eben abspalten!

Wir wollten die Welt verändern! Das ist mit einer bloßen Regierungsbeteiligung doch nicht erreicht, allenfalls wären die Voraussetzungen günstiger. Doch die Jubeltruppe mag diesen Einfluss nicht nutzen.

Nach dem 2. Weltkrieg gab es in Deutschland eine klar antimilitärische Stimmung. Franz Josef Strauß hat damals gesagt: „Wer noch einmal ein Gewehr in die Hand nehmen will, dem soll die Hand abfallen.“ Dieser Wunsch hat nicht geholfen, Franz Josef benötigte keine Prothese, um die deutsche Wiederbewaffnung mit voranzutreiben. Die Adenauer-Regierung wie auch ihre Enkel haben eine ständige Restaurierung der Militarisierung Deutschlands betrieben. Doch die Bevölkerung war mehrheitlich gegen die Wiederbewaffnung. Die Bevölkerung war mehrheitlich gegen die Aufstellung von Atomwaffen. Die Bevölkerung lehnte mehrheitlich die Nachrüstung ab. Dass dennoch immer die Kräfte sich bei Wahlen durchgesetzt haben, die die Militarisierung der Gesellschaft ständig vorangetrieben haben, liegt an der Identifizierung dieser Kräfte mit ganz anderen Themen wie Wohlstand und Wirtschaftskompetenz. Da liegt die fundamental wichtige Aufgabe für eine GRÜNE Partei: Neben der Stimmung für die Abrüstung gibt es nur noch ein Ziel, das die Mehrheit der Bevölkerung mit den GRÜNEN teilt, den Ausstieg aus der Atomenergie. Eine GRÜNE Partei muss auch die anderen Themen mit GRÜNEN Zielen besetzen. Dann wird sie auch als Garant für eine bessere Zukunft wahrgenommen - und dafür gewählt.

Seit etwa 10 Jahren ist der Kalte Krieg vorbei. Das bietet die beste Voraussetzung für die Abschaffung des Militärs - weltweit. Die Protagonisten des militärisch-industriellen Komplexes suchen sich seitdem beinahe krampfhaft neue Begründungen fürs Weiterrüsten. Da müssen wir gegensteuern!

Und der Krieg in Jugoslawien ist nicht der einzige auf der Welt. Wir wollen deshalb auch nicht speziell und allein den Krieg auf dem Balkan beenden - auch wenn das schon ein großes Ziel wäre. Vielmehr geht es uns darum, auch für andere und vor allem zukünftige Kon­flikte unblutige Möglichkeiten der Beilegung aufzuzeigen und zu entwickeln. Wir brauchen eine Partei, die ganz klar die Utopie der Welt ohne Waffen vertritt.

Wenn wir uns jetzt von der GRÜNEN Jubeltruppe abspalten, geraten wir dann ins politische Nirwana? Ich glaube es gibt ein Potential für eine grüne Linkspartei auch außerhalb von Bündnis 90/Die Grünen. Die SPD beherbergt noch immer sehr viele unzufriedene Linke, die schon immer geargwöhnt haben, B'90/Grüne seien zu unpolitisch. Die PDS hat ein paar undogmatische Linke aufgesogen, die dort sicher nicht glücklich sind. Andere Ex-GRÜNE warten seit Jahren auf ein neues Parteiprojekt.

Bieten wir denen und uns eine neue politische Heimat. Wir müssen nicht einmal ein neues GRÜNES Programm entwerfen. Nehmen wir uns, was Bündnis 90/Die Grünen gerade in die Tonne kloppen wollen! Und sorgen wir dafür, dass das Programm gelesen wird! Fügen wir weitere Themen hinzu um für eine breite Akzeptanz für GRÜNE Politik - ökologisch, basisdemokratisch, sozial und gewaltfrei - auf allen Ebenen zu werben. Dieses Programm und die darin notwendigerweise enthaltenen Visionen dürfen wir dann in Zukunft nie wieder vernachlässigen. Wir müssen es offensiv weiterentwickeln und weiterverbrei­ten. Wenn wir breite Kreise der Gesellschaft damit erreichen, wird uns auch keiner vorwerfen, wir würden wegschauen vor irgendwelchem Unrecht, nur weil wir selbiges friedlich beenden wollen. Der Sachzwang für den Außenminister, den Krieg mitzugestalten, wäre sofort als bellizistische Propaganda entlarvt.

Bleibt nur die Frage, wie sich die neue GRÜNE Partei nennen soll. Es sollte geeignet sein, sich sofort in den Köpfen festzusetzen, fröhlich, selbstbewusst und optimistisch klingen und auf keinen Fall eine fehlinterpretierbare Abkürzung sein.

Ein Vorschlag zum Einstieg in die Diskussion: ECHT-GRÜN.



Ufke Cremer