"Die WELT" vom 17.09.1999

Die "Regenbogen"-Fraktion formiert sich

Enttäuschte Bündnisgrüne aus Norddeutschland bereiten die Gründung einer neuen linken Partei vor

Von Diethart Goos

Kiel - Im Lager der Grünen gärt es. Als Folge serienweiser Wahlniederlagen geht Angst um, die einstigen ökologischen Reformer könnten von der Bildfläche verschwinden. Bei der Landtagswahl am Sonntag in Sachsen droht die nächste Pleite.

Die Unzufriedenen wollen nicht länger in Zirkeln den Zustand der Grünen bejammern. Heute in einer Woche wollen sich Opponenten aus ganz Norddeutschland im Lübecker Rathaus treffen, um öffentlich über ihre politische Zukunft zu diskutieren. Zur Debatte steht die Gründung einer neuen Partei links von den Bündnisgrünen nach dem Vorbild der Gruppe "Regenbogen" in der Hamburger Bürgerschaft, die sich von der GAL-Fraktion abgespalten hat.

Eine der führenden Organisatorinnen ist die Landtagsabgeordnete Adelheid Winking-Nikolay aus Groß Grönau südlich von Lübeck. Die promovierte Biologin war von 1972 bis 1992 Mitglied der SPD und gehörte bis zum Frühjahr der bündnisgrünen Fraktion an. Aus Unzufriedenheit mit dem Politikmanagement der Grünen und wegen grundsätzlicher Meinungsverschiedenheiten mit Umweltminister Rainder Steenblock als dem führenden Repräsentanten der Ökopartei verließ die 55-Jährige die Grünen und gehört dem Landtag seither als fraktionslose Abgeordnete an.

Adelheid Winking-Nikolay sagte im Gespräch mit der WELT, nach zwei internen Beratungen ehemaliger Parteimitglieder sei jetzt die Zeit reif, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Überlegungen zur Organisationsform seien noch nicht abgeschlossen. Als Alternative zur Parteigründung sei auch eine Wählergemeinschaft oder Liste denkbar. An einer Satzung für die neue Gruppierung wird bereits
gearbeitet. Bei der schleswig-holsteinischen Landtagswahl am 27. Februar nächsten Jahres werde die neue Linke noch nicht kandidieren, kündigte die Abgeordnete an, mit Sicherheit werde man aber bei der Kommunalwahl 2002 antreten. Dann dürfte nachnordrhein-westfälischem Vorbild die Fünf-Prozent-Hürde nicht mehr
gelten, so Adelheid Winking-Nikolay.

Ein weiteres Thema des Lübecker Treffens betrifft die enge Zusammenarbeit unter den politisch Gleichgesinnten aus Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Schließlich geht es um die Zusammenarbeit mit Verbänden sowie die von der PDS signalisierten Wünsche nach Kooperation.

Die Ex-Grüne warf ihrer früheren Partei vor, unbequeme Mitglieder "abzuwürgen". Zugleich werde die Stammwählerschaft verprellt. Der auf die Mitte des politischen Spektrums zielende Kurs der Partei sei falsch. "Dort ist für die Grünen nichts zu holen."

 

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