BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Landesverband Berlin
Abteilung Frieden/Internationales 06.07.1999

 


Presseerklärung

 

Ursula Hertel-Lenz, MdA,
erklärt für die Abteilung Frieden/ Internationales von Bündnis 90/Die Grünen Berlin:

Kein öffentliches Gelöbnis von Bundeswehrsoldaten in Berlin

Bundesverteidigungsminister Scharping plant für den 20. Juli 1999 am Bendlerblock in der
Stauffenbergstr. ein öffentliches Gelöbnis von Bundeswehrsoldaten. Die Abtei-lung Frieden/
Internationales von Bündnis 90/ Die Grünen Berlin lehnt die Milita-risierung des öffentlichen
Raumes der Stadt ab und ruft zu gewaltfreiem Protest gegen dieses feierliche Gelöbnis auf.

Der öffentliche Raum der Stadt muß zivil bleiben. Die starken Proteste gegen die öffentlichen
Gelöbnisse in Berlin - 1996 vor dem Schloß Charlottenburg und 1998 vor dem Roten Rathaus -
haben gezeigt, daß es in der Stadt erheblichen Wider-stand dagegen gibt, militärische
Zeremonien an öffentlichen Plätzen durchzuführen.

Wir protestieren dagegen, daß Bundesverteidigungsminister Scharping - wie die Kohl-Regierung
vor ihm - so hartnäckig an den Ritualen der öffentlichen Gelöbnisse festhält. Durch derartige
Rituale soll die Bevölkerung dafür gewonnen werden, mili-
tärisch gestützte Außenpolitik und Krieg als Fortsetzung der Politik zu akzeptieren. Gerade
nach dem Krieg in Jugoslawien müssen aber zivile Alternativen zu militäri-schen Einsätzen und
Konfrontationen entwickelt werden. Dafür müssen zusätzliche Haushaltsmittel bereitgestellt
werden.

Interessenausgleich und Konfliktlösung müssen in der neuen Hauptstadt Berlin im Mittelpunkt
der Politik stehen. Die Präsentation von Militär und von militärischem Zeremoniell ist dazu
gänzlich ungeeignet. Ein demokratischer Staat braucht keine militärischen Empfänge und
Paraden, keine Zapfenstreiche und öffentlichen Gelöb-nisse.


Öffentliche Gelöbnisse knüpfen an die antidemokratische Tradition des preußischen Militarismus
an. Sie dienen der Verherrlichung des Militärs und nicht - wie Verteidigungsminister Scharping
behauptet - der demokratischen Kontrolle der Bun-deswehr. Sie stellen militärischen Drill und
die Unterordnung des einzelnen unter das Prinzip von Befehl und Gehorsam zur Schau. Diese
Selbstinszenierung des Mil-itärs in einem quasi religiösen Rahmen - der u.a. durch das chorale
Nachsprechen der Gelöbnisformel entsteht - soll der Legitimation der Militärgewalt dienen,
die die Regeln der zivilen Gesellschaft außer Kraft setzt.

Diese antidemokratische Tradition wird nicht dadurch überwunden und das öffentli-che Gelöbnis
wird nicht dadurch demokratisiert, daß durch die Wahl des Datums und des Ortes eine Bezugnahme
auf das Attentat von Offizieren der Wehrmacht gegen Hitler erfolgt.

Die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Wehrmacht und mit dem Wider-stand gegen Hitler
und den Nationalsozialismus ist eine wichtige Aufgabe für die Bundeswehr. In diesem
Zusammenhang dürfen allerdings die Deserteure nicht übergangen werden. Diese
Auseinandersetzung kann und muß in der notwendigen Sachlichkeit und Differenziertheit im
Rahmen der politischen Bildungsarbeit geführt werden. Durch ein öffentliches Gelöbnis kann
dies nicht geschehen.

 

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Name: Hertel-Lenz
E-mail: ursula.hertel-lenz@gruene.parlament-berlin.de
Datum: 07/06/99
Uhrzeit: 12:31:30

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