Kommunales
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Programm-Beispiel : München Kommunalwahl 1996

Wohnen in München

Bauen ist gut, aber nicht alles

In München werden jedes Jahr 6.000 bis 7.000 Wohnungen gebaut, davon sind je 50 % Miet- und Eigentumswohnungen. München hat Ende 1994 im Vergleich zu 1970 etwa 20.000 Wohnungen mehr, bei fast gleich vielen EinwohnerInnen.  Die Zahl der Vormerkungen beim Wohnungsamt nimmt aber insgesamt nicht ab, weil der Flächenverbrauch pro Person gestiegen ist und weil die Anzahl der kleinen und  der Single-Haushalte erheblich gestiegen ist.

Sozialwohnungen bauen ist gut, aber auch nicht alles

München verliert stetig an Sozialwohnungsbeständen, weil die Sozialwohnungen nach und nach aus der Sozialbindung und damit unter die Gesetze des "freien Marktes" fallen. Während München 1982 noch über ca. 120.000 Sozialwohnungen verfügte, werden es, trotz des Neubaus von etwa 1.500 Wohnungen pro Jahr, Ende 1995 nur noch rund 61.000 Wohnungen sein. Es fallen pro Jahr mehr Wohnungen aus der Sozialbindung, als nachgebaut werden können. Hinzu kommt, daß BezieherInnen mittlerer Einkommen zwar über der Einkommensgrenze zur Berechtigung einer Sozialwohnung liegen, aber freifinanzierte Wohnungen kaum noch bezahlen können.
Sozialwohnungen werden in der BRD nach folgendem Schema finanziert: Privatunternehmer liefern 15 bis 20% des Kapitals als Eigenkapital, der Rest wird steuerbegünstigt als verbilligtes Darlehen abgegeben. Für die Inanspruchnahme dieser verbilligten Kredite verpflichtet sich der Bauherr, seine Wohnungen bis zur Rückzahlung, mindestens jedoch 8 Jahre, als Sozialwohnung zu vermieten. In der Regel ist das Darlehn nach 15 bis 30 Jahren zurückgezahlt und die Wohnung wird wie eine freifinanzierte Wohnung behandelt.

Kommunaler Wohnungsbau

Die zentrale Forderung ist nach wie vor, Wohnraum in München aus der Verfügungsgewalt des freien Kräftespiels des Marktes herauszunehmen. Bedürftigen Personen muß direkt Wohnraum zugewiesen und Mietpreise müssen für eine größere Zahl von Wohnungen stabil gehalten werden können.
Die Mittel, die im sozialen Wohnungsbau von Privatunternehmen aufgebracht werden, werden im kommunalen Wohnungsbau von der Stadt finanziert. Dabei sind folgende Schritte nötig:
  • Aufbau eines kommunalen Wohnungsbestands aus den Beständen der städtischen Wohnungsbaugesellschaften GEWOFAG, GWG und MGS. Diese Bestände werden in die Kommwog GmbH eingebracht.
  • Die Kommwog GmbH verwendet ihre Überschüsse aus den Mieteinnahmen für den Bau neuer kommunaler Wohnungen.
  • Die städtischen Mittel, die jetzt in den sozialen Wohnungsbau fließen, werden nur noch für den Bau von Wohnungen im kommunalen Wohnungsbau verwendet.
  • Eine gewisse Anzahl neuer Wohnungen wird durch die Stadt vorfinanziert.
  • Ein Immobilienfond, bestehend aus Mitteln der Kommwog GmbH, der Stadtsparkasse und privaten Investoren wird zur Finanzierung neuer Wohnungen eingerichtet. Künftige MieterInnen können sich ebenfalls mit Geld oder Eigenleistung daran beteiligen.

Förderung von Wohnungsbaugenossenschaften und alternativer Wohnprojekten

Auf dem Wohnungsmarkt in München gibt es eine ständig wachsende Gruppe von mittleren EinkommensbezieherInnen, die wegen der niedrigen Bemessungsgrenzen im sozialen Wohnungsbau keine Chance auf eine Wohnung haben. Sie können sich aber andererseits die Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt kaum leisten und fallen so durch die Maschen des wohnungspolitischen Netzes. Bündnis 90/DIE GRÜNEN sehen es als wesentliche Aufgabe an, für diese Bevölkerungsgruppe Alternativen zu entwickeln. In der Unterstützung neuer Wohnungsbaugenossenschaften sehen DIE GRÜNEN den sinnvollsten Ansatz, um selbstbestimmtes, sicheres und bezahlbares Wohnen in der Großstadt für alle Menschen zu ermöglichen. Dazu müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden. 
Wir setzen uns dafür ein, daß die Stadt
  • Grundstücke verbilligt bereitstellt
  • kostengünstige und soziale Bauweisen unterstützt und entwickelt, wie z.B. ökologische Siedlungsstrukturen, Holzsystembau mit variablen Grundrissen, wachsende und schrumpfende Häuser, sparsame Erschließungssysteme bis hin zum Wohnprojekt "Wohnen ohne Auto"
  • Fremdkapital kostengünstig anbietet
Genossenschaften sollen, über die Vorteile für die Anleger hinaus, selbstbestimmtes, auf die Gemeinschaft orientiertes Leben in der Stadt stärken und damit Zukunftsmodell für eine Stadtgesellschaft sein, in der Vereinzelung und Vereinsamung überwunden und ökologisch orientierte Haus- und Siedlungsformen möglich werden.
Bündnis 90/DIE GRÜNEN setzen sich dafür ein, daß neue Wohnungsbaugenossenschaften sich nach einem Modell entwickeln, das in Zürich bereits zukunftweisend erprobt wurde (WOGENO). Unter dem Dach einer Genossenschaft entsteht dabei ein Netz selbstverwalteter Haus- und Quartiersgemeinschaften in unterschiedlichen Haus- und Gruppenformen. Selbsthilfe und Selbstverwaltung sind die sozialen Ziele, Verminderung von Flächenverbrauch, Energiesparen und Abfallvermeidung die ökologischen Ziele solcher Wohngemeinschaften. Das Herausziehen von Wohnraum aus dem Kreislauf von wirtschaftlicher Verwertung und Spekulation und die dauerhafte Sicherung der Wohnung, das sind die ökonomischen Ziele von Genossenschaftsgründungen.
Genossenschaften auch für Sozialwohnungsberechtigte zu öffnen ist nötig, weil die Integration von Sozialmietern im Umfeld einer Genossenschaft viel besser gelingt als in einer anonymen Wohnbausiedlung. Aus dem städtischen Sanierungsträger MGS soll nach Ansicht der Grünen ein ökologisch und sozial ausgerichteter kleiner Bauträger entstehen, um solche kleine und mittleren Projekte zu realisieren.

Vorrang für ökologisches Bauen

Bündnis 90/DIE GRÜNEN setzen sich dafür ein, daß die Stadt München in allen Bebauungsplänen ökologische Standards festschreibt und die Bauträger verpflichtet, Siedlungen ausschließlich nach ökologischen Standards zu bauen.
Jede Bautätigkeit und die nachfolgende Nutzung der Gebäude belastet die Umwelt durch Energie- und Schadstoffumsätze. Durch umweltschonendes Bauen sollen diese Auswirkungen so gering wie möglich gehalten werden und zugleich gesunde Wohnbedingungen für die BewohnerInnen entstehen. Besonders in einem Verdichtungsraum wie München müssen alle Siedlungen, die verändert oder neu gebaut werden, nach ökologischen Grundsätzen gestaltet werden. Das gilt für die Wohnstadt Neu-Riem, die nach Grünen Zielen zum Pilotprojekt einer Ökostadt werden soll und für die Bebauung der Panzerwiese ebenso wie für die Nachverdichtung der aufgelassenen Kasernen.

Neue Wohnformen

Wohnungsbau muß folgende Anforderungen erfüllen:
  • Eine städtebauliche Planung mit kompakter Bauweise, naturnaher Gestaltung der Freiflächen, geringem Erschließungsaufwand, energiesparender Gebäudegestaltung und -orientierung (Wohnen nach Süden, Wintergarten), Dachneigung, geeignet für Solarenergiegewinnung.
  • Variable Wohngrundrisse, die sich den verändernden Lebensbedürfnissen von BewohnerInnen anpassen können.
  • Alten-, Behinderten- und Familiengerechte Wohnungen in ausreichender Zahl .
  • MitbürgerInnen, deren Wohnung z.B. aufgrund des Auszuge der Kinder deutlich zu groß geworden ist, sollte eine Umzugsbeihilfe oder eine Wohnung aus dem kommunalen Wohnungsbau angeboten werden, um den Umzug in eine kleinere Wohnung zu erleichtern.
  • Aktive Unterstützung unterschiedlicher Formen von Nachbarschafthilfe.
  • Zusammenhängende Freiflächen für die Gemeinschaft: lebendig, unverplant, mit der Möglichkeit zum Gestalten. 
  • Möglichst geringe Flächenversiegelung durch mehrgeschossige Bauweise (3-5 Stockwerke) und Reduzierung von Tiefgaragen.
  • Fassaden- und Dachbegrünung zur Verbesserung des Wohnklimas.
  • Errichtung von Mietergärten, Gemüsegärten, bis hin zur Kleintierhaltung in der Stadt.
  • Nur ein Mindestmaß an Straßen und Wegen für die Verkehrserschließung.
  • Wege mit Oberflächen, auf denen Regenwasser versickern kann. BewohnerInnen ihre Wege selbst suchen lassen: Trampelpfade als Erschließungsnetz.
  • Konsequente Abfalltrennung an verschiedenen Sammelstellen und Errichtung von Kompostieranlagen auf dem Siedlungsgelände.
  • Haustechnik mit sparsamsten Energieverbrauch, Brauchwasserwiederverwendung, Regenwassernutzung.
  • Verwendung möglichst umweltverträglicher Baustoffe und Baukonstruktionen, entsprechend dem seit 1994 bestehenden Kriterienkatalog der Stadt.
  • Verwendung von Holz (kein Tropenholz) als umweltverträglicher, intelligenter Baustoff.
Ökologisches Bauen ist längst nicht mehr Neuland oder Wagnis für städtische Bauträger. Durch geringere Betriebskosten und nicht entstehende Sanierungskosten sind ökologische Siedlungen dem konventionellen Wohnungsbau auf Dauer überlegen. Die Stadt hat bittere Erfahrungen mit giftigen Baustoffen machen müssen: Mit zweistelligen Millionenbeträgen muß sie Schulen und Kindergärten wegen Verseuchung durch Asbest, PCB und Formaldehyd sanieren. Nach Meinung von Fachleuten ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis der nächste chemische Baustoff als giftig oder krebserregend bekannt wird.

Wohnen ohne Auto

Immer mehr Menschen wollen bewußt ohne Auto leben. Daraus entsteht die Forderung nach neuen Siedlungsstrukturen, in denen die Utopie "Leben und Wohnen ohne Auto" Wirklichkeit werden kann.
Bündnis 90/DIE GRÜNEN setzen sich für die Verwirklichung des ersten Projekts dieser Art ein. Entsprechen dem Modell in Bremen soll in neuen Siedlungen, z.B. in Neu-Riem oder in Großhadern, ein Quartier mit 200-300 Wohnungen als autofreies Wohnland entstehen. PKW-Stellplätze werden nur in geringer Anzahl am Siedlungsrand errichtet, sie sind für Behinderte oder Car-Sharing reserviert. In der Siedlung entfällt ein großer Teil der Flächenversiegelung.
Autofreie Siedlungen sind wesentlich kostengünstiger zu bauen als konventionelle Wohngebiete. Der Aufwand für einen gebauten Parkplatz belastet die Wohnungsmiete normalerweise mit ca. DM 2/qm Wohnfläche zusätzlich. Menschen ohne Auto zahlen diese Kosten derzeit mit, weil das Gesetz für jede Wohnung einen Stellplatz verlangt. Dabei besitzen in München derzeit 40% aller Haushalte kein Auto.

Bekämpft die Obdachlosigkeit - und nicht die Obdachlosen

Unter Obdachlosen werden hier diejenigen verstanden, die aufgrund des Verlustes ihrer Wohnung von der Stadt München untergebracht werden müssen. In München sind dies derzeit ca. 6.600 Personen (oder 3.200 Haushalte). Nicht mitgerechnet werden hier die ca. 600 - 1.200 Wohnungslosen, die auf der Straße leben. Wer seine Wohnung nicht mehr halten kann, muß von der Stadt untergebracht werden. Zu diesem Zweck hat die Stadt mehr als ein Dutzend Obdachlosensiedlungen errichtet, weist Obdachlose in Pensionen ein oder bringt sie in Wohnheimen oder angemieteten Wohnungen unter. Für diese Art der Bekämpfung der Obdachlosigkeit gibt die Stadt München im Jahr ca. 28 bis 30 Millionen Mark aus. Wohlgemerkt: damit wird kein Wohnraum geschaffen. Es wird lediglich verhindert, daß die Menschen auf der Straße landen.
Obdachlosigkeit folgt einer eigenen Logik: Wer seine Wohnung aus eigener Kraft nicht mehr halten kann, soll "vorübergehend" untergebracht werden. So der offizielle Terminus. Nur können - wie an den Beispielen der Obdachlosensiedlungen deutlich wird - diese vorübergehenden Zeiten auch dreißig Jahre dauern: solange sind dort bereits die gleichen Obdachlosen untergebracht. Aber noch immer wird so getan, als ob die Kräfte des freien Marktes den Obdachlosen bald wieder den Einstieg in den "freien" Wohnungsmarkt ermöglichen würden. Mit dem Gesamtplan zur Sanierung der städtischen Notunterkünfte von 1979 hat die Stadt zwar einen Schritt in die richtige Richtung gemacht und im großen und ganzen die städtischen Obdachlosensiedlungen saniert: Mietverträge für die BewohnerInnen gibt es aber trotzdem noch immer keine.
Sicherlich ist das Sozialreferat bemüht, die Pensionen möglichst wenig in Anspruch zu nehmen. Angesichts der Obdachlosenzahlen aber ein fast sinnloses Unterfangen.
Die Mehrheit des Stadtrates hat - lediglich gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN - beschlossen, daß die Wartezeit bis zur Möglichkeit der Antragstellung für eine Sozialwohnung bis zu zehn Jahren betragen kann. Bis Anfang 1995 lag die Wartezeit bei drei Jahren. Mit andere Worten: die Verweildauer in den Unterkünften wird sich für viele mehr als verdreifachen. Von den sozialen Folgen ganz zu schweigen. Wir sehen darin den Aufbau sozialpolitischer Abschreckungsstrategien anstelle von sozialpolitischen Konzepten.
Nur Bündnis 90/DIE GRÜNEN fordern einen strukturell anderen Umgang mit der Obdachlosigkeit. Wir wollen weg von vom Mythos der vorübergehenden Obdachlosigkeit. Obdachlosigkeit wird produziert, solange Wohnen als Ware gehandelt wird, deren Preis sich nach Angebot und Nachfrage richtet. Dieses Marktprinzip werden Bündnis 90/DIE GRÜNEN in München nicht ändern können. Wir wissen aber, daß aufgrund der Vertreibungsmechanismen der Wohnungsnot die Obdachlosigkeit dauerhaft und strukturell zu bekämpfen ist. Deshalb treten wir seit zwölf Jahren für langfristige Konzepte ein, deren Notwendigkeit erst langsam in den etablierten Parteien und im Sozialreferat zur Kenntnis genommen wird.

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