Kommunales
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Programm-Beispiel : München Kommunalwahl 1996

München braucht eine ökologische und soziale Stadtentwicklung

Eine Stadt, wie wir sie wollen, darf uns keinen Lebensstil vorschreiben. Stadt, das bedeutet immer auch ein Abbild der gesellschaftlichen Entwicklung. Für die Entwicklung von Zielvorstellungen einer ökologisch orientierten Stadtpolitik ist die historische Herausbildung der Stadt zu akzeptieren. Ökologische Erneuerung der Stadt kann nur heißen, auf dem erreichten Stand der Entwicklung durch eine behutsame, in Teilbereichen aber auch radikale Veränderung vorhandener Strukturen ein "Gleichgewicht" anzustreben.
Eine ökologische Entwicklung der Stadt opfert nicht die Stadt einzelnen Marktinteressen, sondern hat soziale, kulturelle, politische, räumliche und ökologische Strukturen zu schaffen und zu sichern.  Gleichzeitig muß sie eine soziale Organisation unterstützen, die eine Vielfalt von Meinungsäußerungen und die Durchsetzung von Alternativen ermöglicht.

München - Stadt der langen Wege

Zwischen 1970 und 1990 blieb Münchens Einwohnerzahl fast unverändert - und trotzdem hat die Stadt inzwischen viele ihrer grünen Ränder durch die Neuschaffung von Baurecht geschluckt. Seit 1970 sind 200 000 neue Wohnungen gebaut worden. Die durchschnitltliche Wohnfläche der MünchnerInnen stieg in diesem Zeitraum von 20 qm Wohnfläche  auf 35 qm im Jahre 1993.
Die Kehrseite der Medaille ist heute für viele MünchnerInnen: weitere Wege und eine Zunahme der Zwangsmobilität im Alltagsleben (Arbeiten, Einkaufen, Freizeit). Trotz Einwohner- und Arbeitsplatzzuwächse im Umland (seit 1970 sind immerhin 120.000 Arbeitsplätze in der Region entstanden) ist nach wie vor alles auf das Zentrum ausgerichtet. Die Münchner Innenstadt und ihre Randbereiche sind die Versorgungs-, Dienstleistungs- und Arbeitsplatzschwerpunkte für die ganze Region. Gewohnt wird aber zunehmend im Umland: In München gibt es 565.000 Erwerbstätige, aber fast 840.000 Arbeitsplätze. Die tägliche Pendlerlawine nach München ist Ausdruck dieser Schieflage.

Stadtentwicklung der Nähe

Bündnis 90/DIE GRÜNEN fordern gegen das weitere Anwachsen der Pendlerströme eine "Stadtentwicklung der Nähe". Die Funktionen Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Freizeit müssen stärker verzahnt werden. Zu einer Stadt der kurzen Wege gehören erreichbare dezentrale soziale Dienste, Möglichkeiten wohnungsnahen Einkaufens ohne Auto, aber auch dezentrale kulturelle Einrichtungen oder " Grüne Lungen. " Die Vernetzung von innenstadtnahen Wohngebieten und Arbeitsstätten darf nicht alleine dem KFZ überlassen werden. Ein wichtiges Ziel für die "Stadtentwicklung der Nähe" ist daher die Schaffung von Wohnraum im Stadtzentrum genauso wie auf Umstrukturierungsflächen. 
Dieser Weg wird nicht einfach sein. So gilt es zu entscheiden, ob in der Innenstadt die Grenzen des flächenbezogenen Wachstums im Sinne einer ökologisch und sozial verträglichen Entwicklung bereits erreicht sind oder ob die derzeit noch als Freiraum bedeutungsvollen Flächen (z.B. Freiham) für eine weitere Siedlungsentwicklung noch geeignet sind. Freiraumsicherung und Flächeninanspruchnahme müssen in Einklang  zueinander stehen, um zu einer Stadtentwicklung im Gleichgewicht zu gelangen.

Münchens Zentrum verändert sein Gesicht

Münchens Innenstadt hat in wenigen Jahrzehnten zwei Zerstörungen erlitten. Die erste, nahezu vollständige, durch die Bomben des 2. Weltkriegs, und die zweite, durch den Versuch, München zur autogerechten Stadt umzubauen.  Diese zweite Zerstörung konnte zu Beginn der siebziger Jahre durch den engagierten Widerstand der MünchnerInnen zum Teil noch verhindert werden. Die großzügigen Stadterweiterungen, etwa am Altstadtring, werden zur Zeit gerade mühevoll repariert. In aller Stille wird aber die dritte Zerstörung vorbereitet: 
Die Umwandlung der Innenstadt zur Glitzerwelt einer "Profitopolis"
Die bayerischen Banken und Verlage haben sich entschlossen, aus Repräsentationsgründen nur noch ihre Chefetagen im Zentrum zu erhalten. Auch die öffentlichen Dienstleister, Post und Bahn, sind nach ihrer Privatisierung auf den Geschmack fetter Gewinne durch Immoblienspekulation gekommen. Viele tausend Quadratmeter Büroflächen werden in den nächsten Jahren unter den Hammer kommen. 
Einige Investoren üben großen Druck auf die Stadt aus. Stellvertretend für diese Prestigeprojekte sei das Fiasko um das Bernheimer Palais genannt. Hier ließ sich eine Stadtratsmehrheit gegen die Stimmen der GRÜNEN zu weitreichenden Konzessionen gegenüber der Deutschen Bank hinreißen. Die stadteigene Beschränkungssatzung für Parkplätze in der Innenstadt wurde hier außer Kraft gesetzt, damit  der Bauherr seine Verwertungsabsichten realisieren kann. Damit wurde ein zentrales Instrument zur Steuerung der Innenstadtentwicklung entwertet.
Eine lebendige Stadt verändert sich. Bündnis 90/DIE GRÜNEN wollen keine Museumsstadt,  sondern den Erhalt der wertvollen gebauten Vielfalt im Stadtbild. Dadurch ist Münchens Innenstadt unverwechselbar geworden. Für Münchens Zentrum fordern wir: 

Erhalt der unverwechselbaren Stadt

Läden, Passagen, Straßenzüge und Häuser sollen die Vielfalt der Stadtgeschichte widerspiegeln. Dazu zählen die Reste des Jugendstils genauso wie die Moderne der neuen Passagensysteme in der Neuhauser Straße.
Die Architektur der fünfziger Jahr ist für ganze Straßenzüge bestimmend (z.B. die Theatiner Sraße). Diese Stilepoche ist im Stadtbild allen Baustilen gleichwertig und deshalb schützenswert. Die Umwandlung  von ganzen Häuserblöcken zu monotonen Dienstleistungs-tempeln, muß verhindert werden.
Das Angebot an vielfältigen Läden soll erhalten und geschützt werden. Der Trend zu Filialbetrieben und sogenannten "Schnelldreher-Geschäften" mit kurzer Lebensdauer  wird durch steigende Ladenmieten verursacht. So verlieren ganze Straßenzüge an Attraktivität. Hier muß die Stadt auf ein ausgewogenes Branchenmix  achten.

Befreiung von der Autoflut

Die Straßen der Innenstadt sind nach wie vor von Autoblech verstellt.  Die Autos müssen aus dem Stadtbild des Zentrums weichen. Parkhäuser sollen abgebrochen und durch Stadthäuser ersetzt werden. Nur noch der Wirtschaftsverkehr soll in der Stadtmitte Platz finden. Der Zustellungs-Service soll mehr Gewicht erhalten, denn nicht jeder Kunde muß die gekaufte Ware selbst nach Hause tragen, bzw. mit dem Auto transportieren. 

Straßen und Plätze als Lebensraum zurückgewinnen

Der Jakobsplatz soll für die MünchnerInnen umgestaltet werden, der Schrannenplatz mit dem Wiederaufbau der historischen Halle neu entstehen. Wir wollen keine Schickimicki-Halle, sondern eine Marktnutzung, die für jeden etwas bietet. Die Parkplatzwüsten auf historischen Plätzen müssen endlich der Vergangenheit angehören. 

Die Innenstadt muß wieder bewohnt werden

Weniger als 9.000 BewohnerInnen  zählt Münchens Altstadt noch. Die Leblosigkeit der Innenstadt nach Ladenschluß ist ein Ausdruck dieses seit Jahren anhaltenden Bevölkerungsverlustes. Das Herz der Stadt muß aber bewohnt bleiben! Bei allen Um- und Neubauten sind daher Wohnungen zu erhalten, bzw. neu zu schaffen. Altbauwohnungen sind vor Zweckentfremdung besonders zu schützen. Sie sind das verbliebene Reservoir für bezahlbaren Wohnraum in Münchens Mitte.

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