Kommunales
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Programm-Beispiel : München Kommunalwahl 1996

Frauenpolitik

Wir GRÜNEN wollen eine Gesellschaft, in der Frauen ihr Leben selbst  bestimmen und patriarchale Gesellschaftsstrukturen überwunden werden. Deshalb wollen wir Arbeit, Einkommen und Macht solange zugunsten von Frauen umverteilen, bis sie den gesellschaftlichen Stellenwert erreicht haben, auf den sie Anspruch haben.
Seit über 10 Jahren machen die GRÜNEN ernst mit der Gleichberechtigung. Auf unseren Wahllisten und in Parteiämtern sind Frauen zu mindestens 50 % vertreten. Die Münchner WählerInnnen gingen bei der Kommunalwahl 1990 sogar noch über die 50% Quotierung der GRÜNEN-Liste hinaus: 5 von 9 Mitgliedern der Fraktion waren (bzw. sind) Frauen. Wir konnten daher in der letzten Legislaturperiode deutliche Erfolge in der Frauenpolitik erzielen.
Die finanzielle Unterstützung vieler Münchner Frauen- und Mädchenprojekte konnte trotz angespannter finanzieller Haushaltslage durchgesetzt werden. Auch die Mädchenarbeit in den Schulen und Freizeitstätten wurde verstärkt, im Jugendamt wurde eine Stelle für eine Mädchenbeauftragte geschaffen.
Die Karrierechancen für Frauen in der Stadtverwaltung haben sich deutlich verbessert, auf Betreiben von Bündnis 90/DIE GRÜNEN wurde eine Frau als Planungsreferentin und eine Chefärztin gewählt. Im Programm der Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsoffensive ist nun die Förderung arbeitsloser Frauen verankert. Es wurde endlich ein Ambulatorium für Schwangerschaftsabbrüche eingerichtet.
Und last  but not least: Mit Sabine Csampai wurde erstmals in der 800jährigen Geschichte Münchens eine Frau zur Bürgermeisterin gewählt.

Frauen und Arbeit

Erwerbstätigkeit von Frauen ist charakterisiert durch einen verengten Zugang zum Arbeitsmarkt, unterprivilegierte Arbeitsfelder, geringe Qualifizierungs- und Aufstiegschancen, Lohndiskriminierung und ein erhöhtes Arbeitslosigkeitsrisiko.

Daher fordern wir:

  • Die bevorzugte Einstellung und Förderung von Frauen bei der Stadt München, bis sie auf allen Hierarchieebenen mindestens 50% der Stellen innehaben (Quotierung).
  • Betriebliche Frauenförderung muß bei der Vergabe von öffentlichen Ämtern, städtischen Zuschüssen und jedweder öffentlicher Förderung ein wesentliches Kriterium sein. Gleiches gilt für Zuschüsse an Verbände.
  • Die Abschaffung der Lohngruppen I und II sowie BAT 9 und 10 für städtische Angestellte. Uns ist nicht einsichtig warum eine Reinigungsfrau weniger verdienen soll als ein Straßenkehrer. 
  • Die Einrichtung sozial abgesicherter Arbeitsplätze statt 580.-DM Stellen.
  • Die Schaffung von qualifiziertenTeilzeitangebote für Frauen und Männer. 
  • Modelle zur Neuverteilung der Erwerbsarbeit im öffentlichen Dienst müssen sich an weiblichen Lebensläufen orientieren: Unterbrechung der beruflichen Laufbahn wegen Familienarbeit darf nicht  die Chancen zum Wiedereinstieg verbauen. 
  • Frauen, die sich selbständig machen wollen brauchen Rat und Hilfe. Entsprechende Projekte und Initiativen wollen wir fördern und unterstützen.

Frauen im Alter

Lebenslange ökonomische Diskriminierung führt zu niedrigen Renten. Altersarmut ist ein Frauenproblem, sie ist die Fortsetzung der lebenslangen Benachteiligung, der mangelnden Anerkennung der Kindererziehung, der Diskriminierung bei Ausbildung, Fortbildung und Beförderung. Ca. 8% aller Frauen über 65 Jahre nehmen Sozialhilfe in Anspruch. Der Anteil der Frauen, der aus Scham, Unkenntnis oder aus Angst, daß dann die Kinder bezahlen müßten, auf die ihnen zustehenden Ansprüche verzichtet, ist etwa gleich groß. Die Stadt kann diese Probleme zwar nicht abschaffen, aber mildern. 
Wir fordern daher:
  • Ausweitung der Beratungsangebote durch die Sozialdienste
  • Nachttaxis für einkommensschwache Rentnerinnen
  • Unterstützung altengerechter, selbstbestimmter Wohnprojekte für Frauen als Alternative zu Altenheimen 
  • Ausbau bezahlbarer Freizeitangebote, wie sie vor allem von Alten- und Servicezentren angeboten werden 

Alleinerziehende Frauen

Wachsendes Selbstbewußtsein und die steigende Tendenz zur Individualisierung haben zu veränderten Rollenverteilungen in unserer Gesellschaft geführt. Frauen haben neue Lebensentwürfe entwickelt und sich bewußt für das Alleinerziehen entschieden.
Doch für viele Frauen ist das Alleinerziehen ein Problem, Ausgrenzung und Verarmung kennzeichnen ihre Situation. Diesen Problemen wollen Bündnis 90/DIE GRÜNEN aktiv begegnen und mit präventiven Konzepten bzw. Programmen die Situation der alleinerziehenden Frauen verbessern.
Beispielhaft ist etwa die Ausbildungssituation: Wer Sozialhilfe bezieht, und das ist bei alleinerziehenden Frauen häufig der Fall, darf nur in extremen Ausnahmen eine Ausbildung beenden bzw. beginnen. Für alleinerziehende Frauen hängt aber die Existenzsicherung der ganzen Familie von ihrer beruflichen Qualifikation ab. Deshalb setzen wir uns für eine großzügigere Auslegung dieser Bestimmung zugunsten von alleinerziehenden Frauen ein. 

Die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf ist immer noch eine kräfte- und nervenverzehrende Aufgabe. Flächendeckende, flexible Kinderbetreuungseinrichtungen vom Kleinkind bis zum Ende des Schulalters sind Forderungen der Grünen. 
Bei der Vergabe von Sozialwohnungen müssen Modelle zur gegenseitigen Unterstützung durch Hausgemeinschaften gefördert werden.

Ausländerinnen

Immigrantinnen sind dreifach benachteiligt: Als Frau, als Ausländerin und als Arbeitnehmerin.
Ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht setzt sie der Willkür von Ehemännern und Vätern aus. Traditionelle Familienstrukturen und traditionelle Haushaltsführung belasten sie zusätzlich. Rassistische Diskriminierung und Überfälle stellen eine ständige Bedrohung da. Sie verrichten schlecht bezahlte Arbeiten und sind häufig besonderen gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt.  Das einzurichtende ethnomedizinische Zentrum (siehe auch Gesundheitsteil) braucht daher eine eigene Abteilung, die sich besonders um ihre Bedürfnisse kümmert.
Für ältere Einwanderinnen, die häufig isoliert leben, sollen Frauentreffs eingerichtet werden.
Für immigrierte Mädchen und ausländische Mädchen der zweiten und dritten Generation fordern wir den Ausbau der Ausbildungsprojekte für diejenigen, die aufgrund traditioneller Familienstrukturen, mangelnder Sprachkenntnisse, Flucht und deren psychosozialen Folgen u. a. keinen Zugang zum freien Ausbildungsmarkt finden.
Sozialhilfe darf kein Ausweisungsgrund sein, alte ausländische Frauen der ersten Generation, die verwitwet sind, werden oft ausgewiesen. Dies muß die Stadt im Rahmen des Ermessensspielraumes der Kommune nach Möglichkeit verhindern.

Mädchen und Junge Frauen

Mädchen und junge Frauen werden in vielen Bereichen ignoriert und als defizitär eingestuft. In der männlichen Sozialisation wird Gewaltabbau und das Lernen sozialer Fähigkeiten vernachlässigt. Mädchen und junge Frauen brauchen aber Raum zur Selbstentfaltung und zur Stärkung ihres Bewußtseins. Raum, der bis jetzt von männlicher Dominanz eingeschränkt wird. Wir verlangen die Förderung und Aufwertung der Stellung von Mädchen und jungen Frauen auf allen Ebenen. 
Darum fordern wir:
  • Die Fortbildung im Bereich feministischer Mädchenarbeit im Jugendamt und in den Beratungsstellen muß forciert werden.  
  • In den Freizeitheimen sollen Mädchen Räume angeboten werden, die sie nur für sich nutzen können. 
  • In den Schulen wird Selbstverteidigung und Selbstbehauptung als Unterrichtsbestandteil vorausgesetzt. 
  • An den städtischen Schulen soll eine Mädchenbeauftragte eingesetzt werden. 
  • Pädagogische und ökonomische Ressourcen in der Jugendarbeit werden endlich zu gleichen Teilen zwischen Mädchen und Jungen bereitgestellt. 
  • Gremien, in denen Mädchen und Jungen Mitwirkungsmöglichkeiten haben., sollen paritätisch besetzt werden. 
Soll die Situation für die Mädchen verbessert werden, reicht  es nicht , sich nur ihnen zuzuwenden. Eine engagierte "neue Jugendarbeit" mit reflektierender Sichtweise und eine Auseinandersetzung mit männlichen Rollenverständnis sowie alten und neuen "Mannsbildern" muß Einzug halten in die Jugendarbeit.
Wir fordern ein Mädchenhaus. Es soll Kernpunkt für eine eigenständige, selbstbestimmte Entwicklung von Mädchen und jungen Frauen sein, nicht Zufluchtsstätte vor der "feindlichen" Außenwelt. Das Haus soll von verschiedenen Trägern und der Stadt geführt werden. Die Angebote des Mädchenhauses sollen über die bloße Freizeitgestaltung hinausgehen: Hier soll den Mädchen Gelegenheit gegeben werden, betreute Ausbildungsplätze, Wohnmöglichkeiten und  Räume für sportliche und kulturelle Aktivitäten zu nutzen. Das Mädchenhaus soll der zentrale Treffpunkt sein, wo die Vernetzung mit den dezentralen Einrichtungen koordiniert wird. Wir erwarten jedoch weiterhin starkes Engagement in den dezentralen Jugendprojekten im Bereich Mädchenarbeit. Das Mädchenhaus ersetzt nicht Basisarbeit.
Bestehende Zufluchtsstätten für Mädchen, die vor mißhandelnden und schikanierenden Familienangehörigen oder, wie es manchmal bei ausländischen Mädchen vorkommt, vor Zwangsverheiratung fliehen wollen, müssen ausgeweitet werden.
Mädchen werden als eigener Schwerpunkt behandelt! Aus starken Mädchen werden starke Frauen!

Obdach- bzw. wohnungslose Frauen

Realistischen Schätzungen zufolge sind etwa 15 % der sog. alleinstehenden wohnungslosen Menschen Frauen, doch muß man gerade bei Ihnen von einer hohen Dunkelziffer ausgehen. Typisches Merkmal weiblicher Obdachlosigkeit ist nämlich die Tatsache , daß Frauen oft jahrelang in ihrer Wohnungslosigkeit ausharren, ohne daß diese sichtbar wird; sie "wohnen" im Firmenauto, in der Putzkammer der Firma, in der sie täglich arbeiten, bei Männern, die ihnen zweifelhaften Unterschlupf gewähren. Viele Frauen flüchten sich in die Anonymität aus Scham, aus Angst vor der Gewalt auf der Straße, um Mißhandlungen durch den Partner zu entgehen.
    Wir fordern daher:
  • daß die Ämter die Frauen über ihre Rechte und Möglichkeiten aufklären, denn darauf scheinen sie aus Sparsamkeitserwägungen meist zu verzichten.
  • daß materielle und betreuende Hilfe geleistet wird für die Unterbringung und die Hinführung zu einem eigenverantwortlichen Leben in eigener Wohnung.
  • daß wohnungslose Frauen, die in ihrer Not Zuflucht im warmen, belebten und damit halbwegs sicheren Bahnhof suchen, nicht kriminalisiert werden.
  • daß obdach- bzw. wohnungslose Frauen die Grüne Karte zur Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel erhalten.

Gewalt gegen Frauen

Physische und psychische Gewalt gegen Frauen ist in unserer Gesellschaft alltäglich; sie findet Ausdruck in dem Erhalt von ökonomischen Abhängigkeiten, in Gewalt in der Sprache, sexistischer Werbung, in sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und Vergewaltigung.
Wir fordern:
* den Ausbau und die städtische Regelförderung von Frauenhäusern
* ein Anrecht auf eine Sozialwohnung innerhalb von 6 Monaten für Frauen in Frauenhäusern

Wir fordern außerdem: EIN MÄNNERHAUS

Prügelnde Männer können bei der gerichtlichen Entscheidung über das Bleiberecht in der ehelichen Wohnung gegenüber den Richtern oft glaubhaft ihre drohende Obdachlosigkeit geltend machen. Sie geben sich reumütig, so daß vielfach zu ihren Gunsten entschieden wird. Da die Erfahrung aber zeigt, daß sich in den meisten Fällen die Mißhandlungen wiederholen, wird die Frau mit den Kindern in ein Frauenhaus flüchten müssen. Dies hat für die Kommune erhebliche finanzielle Auswirkungen. Auch für die Frauen und Kinder bringt diese Lösung nur Nachteile: Die sehr beengten Wohnverhältnisse, das soziale Umfeld, Schulwechsel für die Kinder usw. Deshalb wollen wir ein Haus für schlagende Männer, dessen Kosten zu ihren Lasten geht.

Lesben in München - am anderen Ufer der Isar 

Eine Lesbe sein bedeutet nicht einfach nur Frauen zu lieben, sondern durch die gesellschaftliche Ablehnung bedingt, eine ganz andere Lebensweise und andere Lebensbedingungen anzunehmen. Diese werden oft in der Öffentlichkeit verzerrt dargestellt, das Entstehen von Vorurteilen wird dadurch begünstigt. 
Bündnis 90/DIE GRÜNEN werden sich weiterhin für die finanzielle Unterstützung von Lesbenprojekten und- initiativen einsetzen und der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften entgegentreten. Die lesbische Lebensweise muß in der städtischen Öffentlichkeitsarbeit (z.B. im Kreisjugendplan) wertfrei dargestellt werden.

Frauengesundheitspolitik

Den frauenspezifischen Aspekten von Gesundheitsproblemen muß mehr als bisher Rechnung getragen werden. In allen städtischen Kliniken muß die Möglichkeit zu ambulanten Schwangerschaftsabbrüchen geschaffen werden. Wir wollen die Förderung von frauenspezifischen Gesundheitseinrichtungen; insbesondere des Frauengesundheitszentrums in der Güllstraße.

Die Last mit der Lust

Die Situation der Sexarbeiterinnen, d.h. der anschaffenden Frauen in München beschreibt einen Zustand, den wir bündnisgrüne Frauen nicht länger hinnehmen wollen. München ist ein einziger Sperrbezirk. Für die Frauen bleiben als Arbeitsgebiete nur kleine Areale, die sogenannten "Toleranz"-Zonen. Diese bieten Angriffsfläche für Schikane, Vertreibung und Kriminalisierung der Frauen. 
Wir fordern deshalb die Aufhebung der Sperrgebietsverordnung oder mindestens die Legalisierung der sogenannten "Toleranz-Zonen". 

Gleichstellung von Frauen

Nach 10 Jahren Gleichstellungsstelle müssen wir feststellen, daß Erwartungen, die wir mit der Einrichtung dieser Stelle verbunden haben, nicht erfüllt wurden. Obwohl die Frauenförderung in der Stadt vorangetrieben wurde, hat die Arbeit der Gleichstellungsstelle in der Öffentlichkeit kaum Resonanz gefunden. Die bündnisgrüne Forderung nach der Einstellung einer Frau aus den autonomen Frauenprojekten in der Gleichstellungsstelle ist bis heute nicht erfüllt. Die Gleichstellungsstelle wird in dieser Richtung personell aufgestockt und endlich mit den nötigen Finanzen und Kompetenzen ausgestattet. Um die städtische Gleichstellungspolitik durchzusetzen, sind in allen städtischen Referaten Frauenbeauftragte zu ernennen. Vor allen Dingen brauchen wir noch mehr Frauen in allen Referaten, auf allen Führungsebenen und als ReferentInnen.

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