BasisGrünes Treffen am 16.09.2000 in Frankfurt

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Einführung in die Diskussion am 16.9.2000

Wolfgang Strengmann

Zunächst einmal muss die Frage geklärt werden: was wollen wir eigentlich? Wir wollen eine andere Gesellschaft. Wir haben eine Utopie, eine Vision, einen Traum. Wir träumen von einer solidarischen Gesellschaft, von einer Gesellschaft, in der die Menschen solidarisch miteinander, aber auch solidarisch mit der Natur umgehen, von der wir Menschen ein Teil sind. Wir träumen davon, dass Männer und Frauen gleichberechtigt miteinander leben, wir träumen davon, dass es keine
Reichen und keine Armen in der Gesellschaft gibt, wir träumen davon, dass keine Gruppen der Gesellschaft diskriminiert werden, wir träumen von einer Gesellschaft ohne Hass und ohne Gewalt, wir träumen davon, dass sich alle an den Entscheidungen der Gesellschaft beteiligen können. Wir träumen auch von der Freiheit jeder und jedes Einzelnen. Eine Freiheit, die nur durch eine solidarische Gesellschaft möglich ist. Aus diesen Zielen leiten sich dann Grundsätze für die alltägliche Politik, die sich in den Schlagworten: sozial, ökologisch, basisdemokratisch, emanzipatorisch und gewaltfrei ausdrücken.

Bisher haben wir als BasisGrün hauptsächlich innerhalb der Grünen versucht politisch zu agieren. Mittlerweile hat sich aber die Führung der Partei von unseren Zielen und den genannten Grundsätzen verabschiedet. Und: die Mehrheit in der Partei trägt diesen Wandel mit. Mehr noch: durch diesen Politikwechsel an der Spitze sind viele mit unserer Meinung (so wie ich auch) ausgetreten, andere, für die die genannten Ziele keine Rolle mehr spielen, werden eintreten. Die Position der Partei Bündnis 90/ Die Grünen wird sich noch weiter verschieben. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung müssen wir nun überlegen, was wir in Zukunft machen. Als Ökonom wäge ich dabei zwischen dem Aufwand und dem erwarteten Ertrag ab. Der Aufwand, den wir- zumindest einzelne von uns - in den letzten Monaten betrieben haben, um innerhalb der Grünen etwas zu bewirken war hoch und überlagerte und verhinderte andere politische Aktivitäten.
Und der Ertrag? Bis zur BDK in Karlsruhe haben wir noch Erfolge erzielt. Die "Linke" innerhalb der Grünen arbeitete gut zusammen und erreichte zwar keine Mehrheiten, aber zumindest eine starke Minderheit hatte unsere Positionen. Bis zur BDK in Münster bröckelte diese Minderheit bis auf ein Viertel bis ein Drittel der Delegierten ab. Meine Prognose ist, dass es in Zukunft noch weniger werden.

Hinzu kommt, dass die verbliebene "Linke" innerhalb der Grünen nicht mehr so gut zusammengearbeitet hat, wie noch vor Karlsruhe. Sowohl bei den Personalentscheidungen als auch beim Widerstand gegen den Atomkonsens war die Unterstützung durch die Grünen Linken außerhalb von BasisGrün gering.
Sie haben sich im wesentlichen mit den Neuen Grünen arrangiert. Schließlich habe ich den Eindruck, dass sich die Mehrheit mittlerweile nur noch genervt fühlt von der Minderheit und Argumente deshalb ungehört verpuffen.

Was sind die Alternativen? Einige von uns sind mittlerweile in die PDS eingetreten oder arbeiten ohne Mitgliedschaft bei der PDS mit. Unbestritten ist, dass sich die PDS in den letzten Jahren programmatisch in unsere Richtung entwickelt hat - das gilt für die Friedenspolitik oder auch in zunehmendem Maße in der Sozialpolitik - und bei Wahlen zu einer Alternative geworden ist. Andererseits ist die PDS in vielen Punkte noch weit von unseren Vorstellungen entfernt. Dies gilt vor allem für Fragen der innerparteilichen Demokratie. Meine Einschätzung ist, dass BasisGrüne Positionen auch in der PDS in der Minderheit bleiben werden und BasisGrüne innerhalb der PDS eine ähnliche Position haben werden wie innerhalb von Bündnis 90. Hinzu kommt, dass es in Teilen der PDS eine zunehmende Sozialdemokratisierung - vor allem im Osten - gibt. Meine Einschätzung ist, dass sich die PDS im besten Fall zu einer linken sozialdemokratischen Partei entwickeln wird.

Eine andere Partei? Ich sehe zur Zeit für eine zusätzliche Partei keinen Platz im derzeitigen Parteienspektrum. Dazu ist erstens die 5%-Hürde zu hoch und eine zusätzliche Partei wäre gegenüber Bündnis 90 und PDS zu schwach. Aber ich finde, wir sollten uns auch nicht zu sehr auf Parteien konzentrieren. Die letzten zwei Jahre rot-grüner Bundesregierung haben drastisch gezeigt, dass die Macht der Parteien sehr beschränkt ist.
Gesellschaftliche Veränderungen wird es daher nur mit außerparlamentarischem Druck geben. Ein Punkt, der von den Grünen und auch von uns in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt wurde.

Nun sagen manche, dass es die außerparlamentarischen Initiativen und Bewegungen nicht mehr gibt. Richtig ist, dass sie seit den 70er/80er Jahren schwächer geworden sind - was auch eine Folge Grüner Politik ist - , verschwunden sind sie nicht. Es gibt genügend Initiativen und mein Eindruck ist, dass es in der letzten Zeit - auch aufgrund der Schwächen der rot-grünen Regierung - wieder etwas mehr Bewegungen gibt: BUND, Weed, Mehr Demokratie e.V., das Netzwerk zur Kontrolle der Finanzmärkte, die Friedensbewegung, Frauenorganisationen, soziale Initiativen um nur einige zu nennen. Selbst in den Gewerkschaften ist etwas mehr gesellschaftliche Bewegung zu erkennen. Alle diese Gruppierungen beschränken sich aber jeweils auf einen Politikbereich. Relevante allgemeinpolitische linke Gruppierungen neben den Parteien gibt es eigentlich nicht. Allerdings gibt es Vernetzungsbestrebungen. Das Netzwerk für eine andere Politik, das nächste Woche den Kongress in Berlin veranstaltet und an dem sich BasisGrün beteiligt, ist da ein interessanter und vielversprechender Ansatz.

Meine Schlussfolgerung ist, dass es sich für BasisGrün mehr lohnt, außerparlamentarisch gemeinsam mit anderen Initiativen und innerhalb von Netzwerken Druck zu machen, als innerhalb der Grünen, um gesellschaftliche Veränderungen zu erreichen. Um außerparlamentarisch handlungsfähig zu sein, bedarf es aber Strukturen und vor allem Leute, die mitmachen.

Was die Strukturen angeht, machen wir heute einen weiteren Schritt durch die Gründung des Vereins - was auch nochmal die Unabhängigkeit von Parteien dokumentiert. Außerdem haben wir eine gut funktionierende Internetstruktur. Das wird aber nicht reichen, um erstens handlungs- und kampagnenfähig zu sein und zweitens um mehr Leute in relevanter Zahl zu erreichen. Damit zusätzliche Leute mitmachen, muss es Strukturen vor Ort geben, zumindest auf Landesebene, in denen Menschen kontinuierlich und handfest, nicht nur virtuell mitmachen können. In einigen Ländern, Bayern, Niedersachsen und neuerdings NRW gibt es solche Strukturen, diese müssen ausgebaut werden und auch in anderen Ländern und Regionen aufgebaut werden. Hinzu muss der Aufbau von basisgrünen Basisgruppen auf kommunaler Ebene kommen. Allerdings: Die Strukturen alleine sorgen aber noch nicht dafür, dass Leute mitmachen. Dazu sind aus meiner Sicht weitere Punkte erforderlich.

Die oben angesprochene Utopie ist noch nicht sehr ausgefeilt und ausformuliert. Daran müssen wir weiter arbeiten. Wir müssen aber auch konkrete tagespolitische Diskussionen zu aktuellen Themen führen. Es müssen realpolitisch umsetzbare Konzepte erarbeitet werden, mit denen wir auf den politischen Markt gehen können und die Chancen haben, auch tatsächlich umgesetzt zu werden. Solche inhaltlichen Diskussionen sind eine Motivation für Leute, politisch aktiv zu werden. Darüber hinaus ist es notwendig politische Aktionen zu machen. Auch das macht uns für neue Leute attraktiv, insbesondere junge Leute. Schließlich kommen Menschen zu politischen Gruppierungen durch persönliche Kontakte. Je mehr wir werden, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit zusätzliche Leute zu bekommen. Wir müssen aber schon jetzt in unserem persönlichen und politischen Umfeld offensiv für BasisGrün werben. Dazu gehört auch, dass wir als BasisGrüne uns vor Ort in politischen Bewegungen, in Netzwerke engagieren oder solche ins Leben rufen. Offensiv Werben können wir aber nur, wenn wir was anzubieten haben. Das betont noch einmal die Notwendigkeit des Aufbaus von regionalen und kommunalen Strukturen und das Ausfüllen dieser Strukturen.

gibt es diese Strukturen nicht (von einigen Ausnahmen abgesehen), und für viele von uns bietet der Grüne Orts-, Kreis- oder Landesverband diese Strukturen, in denen wir uns bewegen und politisch aktiv sind. Solche Strukturen und die damit verbundenen Möglichkeiten sind eine wichtige Basis für das politische Handeln. Ein Ausstieg aus den Grünen ohne alternative Strukturen wäre daher ein großer Schritt. Das ist auch ein Grund, der andere Grüne, die noch nicht bei uns sind, (noch) davon abhält bei uns mitzumachen.

Zusammenfassung der wichtigsten Punkte:
1. Aufbau kommunaler und regionaler basisgrüner Strukturen
2. Weiterentwicklung unserer Grundsatzpositionen und Zielsetzungen
3. Diskussion aktueller politischer Themen und Entwicklung von konkreten umsetzbaren Konzepten
4. Durchführung und Planung von Aktionen
5. Kooperation mit anderen Gruppierungen und Aufbau von bzw. Mitarbeit in Netzwerken
6. Aktive Beteiligung als BasisGrüne an Initiativen und Bewegungen
7. Offensive Werbung im persönlichen und politischen Umfeld für BasisGrün

Jeder einzelne dieser Punkte ist meines Erachtens wichtig, damit BasisGrün eine relevante gesellschaftliche Gruppierung wird und Einfluss nehmen kann. Für einige von uns wird das parallel zur Mitarbeit in der Grünen Partei laufen, zumindest solange sich die Punkte im Aufbau befinden. Im Endeffekt lohnt sich das aber meines Erachtens mehr als innerhalb der Grünen auf Dauer eine Minderheitsposition, die nicht mehr gehört wird, zu vertreten und nur ab und zu einmal kleinere Punkte durchsetzen zu können.

Strengmann@BasisGruen.de