Pressemitteilung

05.10.2000

Keine Atomlobbypolitik auf dem Rücken der Bevölkerung
Castortransporte nur bei minimalstem Risiko im Rahmen aller technischen Möglichkeiten

Die Aussage des Landesvorsitzenden der Grünen von Baden-Württemberg, Andreas Braun, welcher in einem Interview die geplanten Atommülltransporte nach Frankreich rechtfertigte und sich gegen die angekündigten Blockaden aussprach, kann nicht unwidersprochen bleiben.

Nicht die Konsensgegner bei den Grünen haben die "entscheidende Schwäche ..., dass sie keine Alternative aufzeigen können ". Sie hatten in Karlsruhe und Münster Szenarien entwickelt, die einen wesentlich schnelleren und vor allem erkennbaren Ausstieg ermöglicht hätten. Vielmehr ist es den Konsensbefürwortern bis heute nicht gelungen, den sogenannten "Ausstieg" glaubwürdig darzustellen. Die Experteneinschätzung, der Konsens sei dagegen eine Verbesserung für die AKW-Betreiber, konnte bisher nicht widerlegt werden. Immerhin haben die Grünen in der Konsensvereinbarung erstmalig in Deutschland zugesagt, "den ungestörten Betrieb der AKWs zu gewährleisten".
In dem Parteitagsbeschluss in Münster hiess es jedoch auch: "... Als Partei werden wir uns weiterhin für unsere Ziele auch außerparlamentarisch einsetzen und uns an den Protesten der Anti-AKW-Bewegung in Ahaus, Gorleben und anderswo beteiligen... Und: ... Die Sicherheitsphilosophie bei Anlagen zur Nutzung der Atomenergie orientiert sich weiterhin am jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik. Das bedeutet z. B., dass bei Vorliegen neuer Erkenntnisse auch heute gültige Vorschriften verschärft werden müssen..."

Diesen Parteitagsbeschluss kann Herr Braun nicht mit einem Zeitungsinterview wegwischen. Waren es nur leere Worthülsen oder wurden mit dieser Formulierung die Delegierten bewusst getäuscht, um die Zustimmung zum Konsens zu sichern? Glaubten sie doch, dass mit dem Beschluss weiterhin die Minimierung der gesundheitlichen Risiken nach dem Stand von Wissenschaft und Technik gewährleistet werden solle. Dies kann aber nur bedeuten, dass die grüne Partei weiter massiv ihre berechtigten Forderungen u.a. bzgl. der Sicherheit von Castortransporten vertritt. Solange diese nicht erfüllt sind, muss mit allen legalen Mitteln versucht werden, die Transporte zu verhindern. Dazu gehören neben der Einhaltung des gültigen Rechts durch die genehmigenden Stellen nach urgrünem Verständnis auch die Möglichkeiten des passiven Widerstandes. Das hat jedoch nichts mit der zitierten "Blockadepolitik" zu tun. Die Atomindustrie hat es selbst in der Hand mit den geforderten Realtests und der Aufklärung der Verstrahlung der Behälter die Probleme zu beseitigen.
Allerdings ist der Transport zur Wiederaufbereitung ohnehin keine Lösung, bleiben die strahlenden Materialien damit doch im Umlauf: Nach der langjährig gültigen Version des Atomgesetzes war der Betrieb von Atomkraftwerken nur zulässig, wenn eine dauerhafte "Entsorgung" gesichert war. Die seither betriebene Aufweichung (Regierung Kohl: "der Verbleib des Mülls braucht nur für 6 Jahre geklärt sein") muss nicht ausgerechnet von den Grünen explizit fortgeschrieben werden. Der Verfassungsgrundsatz des Schutzes von Leben und Gesundheit der Bevölkerung sollte mehr wiegen als die Interessen der Stromindustrie.

Gerade aber die Handhabung der Castor-Behälter sowie ihr Transport missachtet und verletzt die Sicherheitsphilosophie - so wie sie von den grünen Delegierten verstanden wird -, nach der die gesundheitlichen Risiken für die Bevölkerung zu minimieren sind, denn:
· Castoren (des Typs, der eben genau wegen dieser ungeklärten Probleme in den USA nur in Schrittgeschwindigkeit transportiert werden dürfen) z.B. mit Tempo 80 durch den maroden Kaiser-Wilhelm-Tunnel bei Cochem zu transportieren, ist extrem fahrlässig und gefährdet die Anlieger in unverantwortbarer Weise.
· Castoren, deren Ursache der massiven Verstrahlung bis heute nicht geklärt ist, von Hundertschaften von Polizisten bewacht und an Tausenden von (demokratisch legalisierten) Demonstranten vorbei zu schleusen, ohne dass sichergestellt ist, dass nicht erneut starke Strahlung freigesetzt wird, ist nicht akzeptabel.
· Bei der geplanten Verwendung von Castoren für eine mehrjährige Zwischenlagerung besteht aufgrund vorliegender Erkenntnis die reelle Gefahr, dass die Behälter dafür aufgrund von Korrosionsgefahr nicht geeignet sind und Radioaktivität freisetzen.

Wir fordern daher den Umweltminister auf, die erteilte Genehmigung zurückzuziehen, bis die oben stehenden Probleme gelöst sind.

Karl-W. Koch, 54576 Hillesheim, vor Kyllerhöhe 26
Felicitas Weck, Hannover
Karin Schmidt, Aachen
Mitglieder im SprecherInnenrat von BasisGrün