Quelle: Berliner Zeitung vom 22.5.00

Grüne drohen Pazifisten mit Parteiausschluss
Verfahren gegen Ulrich Cremer stößt auf Protest

Von Ralf Beste


BERLIN, 22. Mai. Dem Hamburger Pazifisten Ulrich Cremer droht der
Ausschluss aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Auf Antrag von Cremers
Kreisverband Eimsbüttel wurde ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn
eingeleitet. Durch seine Mitgliedschaft in der Grünen-Abspaltung
"Regenbogen", die in der Hamburger Bürgerschaft vertreten ist, unterstütze
er eine "konkurrierende Organisation", argumentiert der Kreisverband.

Cremer, der zuletzt innerparteilich beim Widerstand gegen den Kosovo-Krieg
in Erscheinung trat, sprach dagegen von "Parteisäuberungen": "Es geht
darum, die pazifistischen Elemente zu säubern", sagte er. "Dann lässt es
sich gemütlicher diskutieren." Auch Angehörige des linken Parteiflügels
distanzierten sich. Der Berliner Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele
nannte das Ausschlussverfahren "denkbar ungrün" und sagte: "Das nährt den
Verdacht, dass es um die politische Richtung innerhalb der Grünen geht."
Die Hamburger Landesvorsitzende Kordula Leites sprach von "Entwicklungen
in Richtung Eskalation" in ihrem Landesverband. Die Begründung des
Antrages sei "problematisch, weil Cremer sich nie gegen seine Partei
gestellt hat".

Innerhalb der Grünen wird Cremer, der seit zehn Jahren Parteimitglied ist,
dem pazifistischen Flügel zugeordnet. Beim Magdeburger Parteitag 1998 noch
hatte er bei einer Abstimmung über die Haltung zum Bundeswehr-Einsatz in
Bosnien der Grünen-Führung eine empfindliche Niederlage beigebracht. 1999
in Bielefeld war der pazifistische Flügel dagegen unterlegen. Bei einer
Anhörung zum Kosovo-Konflikt hatte Cremer kürzlich Außenminister Joschka
Fischer den Rücktritt nahe gelegt. Artikel vom 23. Mai 2000