BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Rheinland-Pfalz
Beschluß des Landeshauptausschusses am 4.Dezember 1999 in Koblenz

Antragsteller: Landesvorstand

Ausstieg aus der Atomenergie

Der Ausstieg aus der Atomenergie, verbunden mit dem Einstieg in eine ökologische Energiewende, ist ein Kernstück der rot-grünen Koalitionsvereinbarung und ein wesentlicher Pfeiler grüner Programmatik. Als Regierungspartei haben BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN den Einstieg in die Energiewende geschafft. Das erste Jahr rot-grüner Bundesregierung hat jedoch deutlich gemacht, daß die Energiewirtschaft nicht bereit ist, freiwillig den Weg des Verzichts auf eine Technologie mit unvertretbaren Risiken mitzugehen. Allerdings hat auch die anhaltende Weigerung der SPD und des Kanzlers, eine gesetzliche Ausstiegslösung im Dissenz mit der Energiewirtschaft vorzulegen, mit dazu beigetragen, daß nach gut zwölf Monaten Rot-Grün in der Sache kein Fortschritt erreicht wurde.

Angesichts der laufenden öffentlichen Diskussionen zur Gestaltung des Atomausstieges bekräftigt der Landeshauptausschuß den Beschluß der Landesdelegiertenversammlung vom 23.10.1999.

Darüber hinaus stellt der Landeshauptausschuß fest:

Die sogenannte friedliche Nutzung der Atomenergie ist wegen der damit verbundenen enormen Risiken nicht verantwortbar. Deshalb ist es zwingend notwendig, aus dieser Technologie auszusteigen.

Als Teil einer Bewegung haben Grüne viele Jahre gegen die Nutzung der Atomkraft gekämpft. Aus der Opposition heraus haben wir mit anderen Gruppen den Bau mehrerer AKWs verhindern können, die Schließung einiger Kraftwerke durchgesetzt, den Einstieg in die Schnelle-Brüter-Technologie und in die Wiederaufarbeitung jedenfalls im eigenen Land verhindert, die Planung ökologisch unverantwortlicher Endlager zumindest gestoppt, durch aktiven Widerstand das System der Atomtransporte in Frage gestellt.

Wir sind der festen Überzeugung, daß ein Atomausstieg technisch, rechtlich und organisatorisch realisierbar ist und wegen der Gefahren für heutige und zukünftige Generationen dringend geboten ist.

Wir verkennen nicht, daß der eigentlich notwendige und geforderte Sofortausstieg aus juristischen Gründen entschädigungsfrei nicht möglich ist. Wir erwarten jedoch von der Bundesregierung, daß sie ein Ausstiegskonzept vorlegt, das den schnellstmöglichen Ausstieg verbindlich regelt. Wir gehen davon aus, dass die geforderte Übergangsfrist ab Übernahme der Regierung im Spätherbst 1998 zu rechnen ist.

Der Landeshauptausschuß fordert von der Bundesregierung, ein Atomausstiegskonzept bis Ende des Jahres vorzulegen. Wir unterstützen als wesentlichen Bestandteil dieses Konzeptes:

- Das Verbot der Wiederaufarbeitung ist gesetzlich festzuschreiben;
- Atomtransporte sind auf das abwicklungsbedingte Maß zu begrenzen. Die Verarbeitung von Plutonium zu MOX-Brennelementen und anderen, insbesondere kernwaffentauglichen Substanzen wird sofort gestoppt und gesetzlich verboten.
- Die Subventionierung der Atomenergiegewinnung ist aufzuheben, Uran ist entsprechend den fossilen Energiequellen zu besteuern.
- Die Haftpflichtgrenzen sollten stark erhöht werden.

Der Landeshauptausschuß fordert nachdrücklich von der Bundesregierung:
- In dieser Wahlperiode muß der Ausstieg mit dem Abschalten einiger (d.h. mehr als zwei) Atomkraftwerke sichtbar und erfahrbar werden.
- Die zeitlichen Perspektiven des Gesamtausstieges sind so festzulegen, daß klar wird, daß der Ausstieg deutlich über eine "administrative Sterbebegleitung" für Atommeiler hinaus geht. Daher muß das letzte Atomkraftwerk im Jahr 2014 abgeschaltet werden.

Die Genehmigung von neuen Atomtransporten vor einem verbindlich festgelegten Ausstiegskonzept ist für Grüne in Regierungsbeteiligung ausgeschlossen.

Für das weitere Ausstiegsszenario fordert der Landeshauptausschuß:

Alle Atomkraftwerke dürfen bis zu ihrer Stillegung nur unter strengsten Sicherheitsauflagen fortbetrieben werden. Der aktuelle Stand der Wissenschaft ist anzuwenden. Sicherheit hat absoluten Vorrang, Wirtschaftlichkeitsüberlegungen dürfen nicht auf Kosten der Sicherheit gehen.

Stillgelegte Atomkraftwerke werden sicher eingeschlossen, bis ein entsprechendes Endlager zur Verfügung steht und ein gesicherter Abriss unter Beachtung des Strahlenschutzes möglich ist.

Transporte von hochradioaktiven Brennelementen in Wiederaufarbeitungsanlagen und in die externen Zwischenlager Gorleben, Ahaus und Greifswald werden untersagt (Ausnahme: Rücktransporte deutschen Atommülls aus dem Ausland).

Die Entsorgung der atomaren Abfälle wird als nationale Aufgabe gesetzlich festgeschrieben, die Suche nach einem geeigneten Endlagerstandort für alle Arten von radioaktiven Abfällen mit klar definierten Kapazitätsgrenzen muss zügig vorangetrieben werden.
Schwach- und mittelradioaktive Abfälle werden an den jeweiligen Atomkraftwerken zwischengelagert, bis ein sicheres Endlager bereitsteht.

Der LHA ruft alle Kreisverbände dazu auf, über eigene Anträge die BDK im März zu einer Sonder-BDK zum Atomausstieg zu machen.

Die Ergänzung zu Mülheim-Kärlich liegt noch nicht vor.