Grüne gegen Rente ab 60

Schlauch hält Modell für ungerecht - Auch Riester sieht nur kleine Chance - Keine Berechnungen über Steuerausfälle

Berlin (AP) Das Modell Rente ab 60 entzweit die rot-grüne Koalition.
Während Arbeitsminister Walter Riester den Vorschlag am Freitag verteidigte, sagte Grünen-Fraktionschef Rezzo Schlauch: «Das kann ich nicht gutheißen.» Das Modell sei nicht gerecht gegenüber jungen Leuten,sagte Schlauch der «Stuttgarter Zeitung» (Samstagausgabe). Auch Union und FDP verurteilten das Modell als Irrweg. Bei drei von vier
Deutschen findet es hingegen laut einer Umfrage Zustimmung.

Der SPD-Politiker Riester lobte in Berlin den Vorschlag der IG Metall, dem er am Mittwoch überraschend seine Unterstützung zugesagt hatte. Dennoch halte er die Umsetzung für «sehr schwierig». Die Verhandlungen lägen allein in der Hand der Tarifparteien.

Die Gewerkschaft habe ihr Modell so erweitert, dass es die gesetzliche Rentenversicherung nicht belaste. Aus einem von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu finanzierenden Tariffonds sollen per Vorauszahlung die Beiträge beglichen werden, die der Rentenkasse durch vorzeitiges Ausscheiden der Beitragszahler verloren gehen. Die Kosten aus den Tariffonds wären laut Riester 40.000 bis 100.000 Mark pro Person. Betreffen könnte das Modell bis zu 1,2 Millionen Arbeitnehmer.

Nach Angaben des Finanzministeriums ist derzeit unklar, wie sich das Modell auf den Bundeshaushalt auswirkt. «Es gibt keine Berechnungen dazu», sagte eine Sprecherin auf Anfrage. «Dazu muss man das Modell erst genau kennen.» Man stehe im engen Kontakt zum Arbeitsministerium. Die Einzahlungen der Tarifpartner sollen steuerfrei sein, was Ausfälle für den Bundeshaushalt bedeuten könnte. Andererseits könnte es Steuereinnahmen durch neue Beschäftigte sowie Einsparungen bei den Zuschüssen für die Bundesanstalt für Arbeit und die Rentenversicherung geben, sagte die
Sprecherin.

Unabhängig davon lehnt Schlauch das Modell ab. «Vor allem die Jungen müssten für wenige ältere Jahrgänge Rentenabschläge ausgleichen, ohne selbst in den Genuss dieses Vorruhestandes zu kommen», sagte er. Zudem seien die arbeitsmarktpolitischen Wirkungen sehr fraglich. Er sei «eher skeptisch», dass der Vorschlag in der Grünen-Fraktion eine Mehrheit finde.

Merkel erwartet kaum neue Arbeitsplätze

Auch die CDU wandte ein, man könne kaum neue Einstellungen erwarten. Generalsekretärin Angela Merkel sprach in Berlin von einem «fundamentalen Irrweg». Riester wälze die Verantwortung auf die Tarifparteien ab. CSU-Sozialpolitiker Horst Seehofer betonte seinerseits den Verstoß gegen die Generationengerechtigkeit. FDP-Vizevorsitzender Rainer Brüderle nannte den Vorschlag unsinnig und beschäftigungspolitisch kontraproduktiv.

Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda, warb hingegen im Saarländischen Rundfunk dafür, das Modell angesichts von vier Millionen Arbeitslosen zumindest zu erwägen. Zudem befürworten nach einer Umfrage des Instituts Forsa drei Viertel der Bundesbürger den Plan. Auch die unter 30-Jährigen seien zu knapp 70 Prozent für die Rente ab 60, obwohl sie sie zum Großteil über Gehaltseinbußen finanzieren müssten, berichtete das Wirtschaftsmagazin «DM» aus der Studie mit 1.003 Teilnehmern.