Presseerklaerung vom 12. Dezember 1999

Atomausstieg vor dem Aus

Greenpeace fordert Abbruch der Verhandlungen ueber Restlaufzeiten

Hamburg, 12.12.1999: Die Umweltorganisation Greenpeace fordert die rot gruenen Regierungsparteien auf, die Verhandlungen ueber Restlaufzeiten von deutschen Atomkraftwerken sofort abzubrechen. "Mit dem Festlegen von Restlaufzeiten setzt sich die Bundesregierung ohne Not den unberechtigten Schadensersatzforderungen der Atomindustrie aus, bringt den Atomausstieg aber keinen Millimeter voran", sagt Veit Buerger, Energieexperte bei Greenpeace. "Ohnehin haben dreissig oder vierzig Jahre Gesamtlaufzeiten nichts mehr mit einem Atomausstieg zu tun und entsprechen allein den Wuenschen der Atomindustrie."

Darueber hinaus fordern die Umweltschuetzer von der Bundesregierung, die Bemuehungen um einen Konsens mit den Atomkraftwerksbetreibern einzustellen. Veit Buerger: "Der Konsens ist nichts als ein Klotz am Bein, macht die Bundesregierung handlungsunfaehig und verhindert somit eine neue Energiepolitik."

Statt um jeden Preis Reaktorlaufzeiten festzulegen, muss die Bundesregierung die ersten vier wichtigsten und rechtlich laengst geklaerten Sofortmassnahmen endlich umsetzen: Verbot der Wiederaufarbeitung von Atommuell, hoechste Sicherheitsanforderungen an bestehende Atomanlagen, unabhaengiges Verwalten der Entsorgungsrueckstellungen und eine ausreichende Haftpflichtversicherung fuer Atomkraftwerke. Allein durch diese Massnahmen wuerde das letzte Atomkraftwerk um ein Vielfaches frueher vom Netz gehen, als bei allen jetzt bekannten Vorschlaegen. Mit der Wiederaufarbeitung deutschen Atommuells in Frankreich und England duldet die Koalition weiterhin die radioaktive Verseuchung des Meeres und ganzer Landstriche. Noch in der Opposition hatten beide Regierungsparteien klipp und klar gesagt, dass die Wiederaufarbeitung keine schadlose Verwertung ist, wie sie vom Atomgesetz vorgeschrieben wird.

Bei den Atomanlagen in Deutschland akzeptiert die Bundesregierung zudem einen Sicherheitsstandard, der unter dem aktuellen Stand der Reaktorforschung liegt. So werden im Atomkraftwerk Biblis vor rund zehn Jahren angeordnete Nachruestungen aus Kostengruenden nicht durchgefuehrt. Darueber hinaus billigt Rot-Gruen Wettbewerbsvorteile der Atomenergie gegenueber sauberen und klimaschonenden Energieformen: Die Stromkonzerne missbrauchen ihre steuerfreien Milliardenrueckstellungen, die der Kunde fuer die Entsorgung von Atomkraftwerken bezahlt, fuer das Preisdumping ihrer Billigstromfirmen. Durch die Schaffung eines unabhaengigen Entsorgungsfonds koennte die Bundesregierung den Stromkonzernen die Verfuegungsgewalt ueber die rund 70 Milliarden Mark entziehen. Selbst die Europaeische Kommission stuft die Atomrueckstellungen als wettbewerbsverzerrend ein und fordert die Kontrolle ueber diese Gelder durch nationale Stellen. Muessten die Betreiber von Atomanlagen eine ausreichende Haftpflichtversicherung abschliessen, die den moeglichen Schaden eines Atomunfalls abdeckt, wuerde die Kilowattstunde Atomstrom laut der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, bei 3,50 DM liegen.

Veit Buerger: "Keine dieser Massnahmen hat die Bundesregierung bisher auch nur ansatzweise umgesetzt, sondern hat sich in der Frage der Reaktorlaufzeiten verrannt. Fast ein Drittel der rot-gruenen Regierungszeit ist verstrichen und noch immer ist das Atomgesetz der alten Kohlregierung in Kraft."
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