GENEHMIGUNG FÜR ZWISCHENLAGER NORD UNTERLÄUFT ATOMAUSSTIEG
UNMÖGLICHER AUFTRITT VON JÜRGEN TRITTIN

Am 05.11.1999 genehmigte die rotgrüne Bundesregierung ihre erste neue atomare Anlage, das Zwischenlager Nord für abgebrannte Brennelemente. Die Genehmigung wurde am 10.11.1999 vom eigens dazu aus Berlin angereisten bündnisgrünen Umweltminister Jürgen Trittin mit entsprechender Medienbegleitung an die Energiewerke Nord GmbH übergeben. Erst im Anschluss daran stand er der örtlichen Bürgerinitiative, die sich an diesem Standort für den Atomausstieg einsetzt, als Gesprächspartner zur Verfügung.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mecklenburg-Vorpommern lehnen die Genehmigung zur Einlagerung von Brennelementen in das Zwischenlager Nord ab. Sowohl der Inhalt als auch die Art und Weise der Genehmigungserteilung stehen für uns in klarem Widerspruch zu bündnisgrüner Politik.

Als Bündnisgrüne vertreten wir die Auffassung, dass der Atomausstieg machbar ist. Dieser Ausstieg ist die notwendige Voraussetzung zur Klärung des Entsorgungsproblems. Das bedeutet, dass zum jetzigen Zeitpunkt die Genehmigung eines atomaren Zwischenlagers nicht auf der Tagesordnung stehen kann. Auch der Umstand, dass wir es hier aufgrund der Stilllegung der AKWe Greifswald/Lubmin und Rheinsberg mit einer besonderen Situation zu tun haben, rechtfertigt diese Genehmigung nicht. Denn die Überdimensionierung des Zwischenlagers Nord deckt nicht nur die für die Stilllegung der ostdeutschen Anlagen notwendigen Kapazitäten ab, sondern steht potentiell auch für die Lösung von Entsorgungsengpässen anderer, noch laufender bundesdeutscher AKWe zur Verfügung. Das widerspricht der erklärten Politik der rotgrünen Bundesregierung, Zwischenlager grundsätzlich für den jeweiligen Standort zu errichten, um Atomtransporte quer durch Deutschland zu vermeiden. Die Genehmigung erscheint zudem vor dem Hintergrund der bekannten hydrologischen und geologischen Sicherheitsprobleme am Standort Greifswald/Lubmin fragwürdig. Auch die zum Einsatz kommende Technik (Ost-Castor) und fehlende Sicherheitseinrichtungen (heiße Zelle für einen Störfall) stellen die Genehmigung infrage.

Die Art und Weise der Genehmigung des ZLN durch den bündnisgrünen Bundesumweltminister zeugt von einem schlechten politischen Stil, den wir nach der Abwahl der alten Bundesregierung überwunden glaubten. "Grün ist der Wechsel" bedeutet eben auch einen Wandel der politischen Umgangsformen. Dazu gehört es, auf wiederholte Gesprächsangebote Betroffener, wie hier der Standort-Bürgerinitiative, im Vorfeld von politischen Entscheidungen einzugehen und sie nicht, wie hier statt dessen geschehen, vor vollendete Tatsachen zu stellen. Wenn es sich dabei noch um potentielle Verbündete für den Atomausstieg handelt, ist der so entstandene politische Flurschaden umso größer. Etwas mehr Interesse an der Problematik des Standortes hätte dem Minister eine weniger einseitige Beurteilung der Lage ermöglicht. Vielleicht hätte er so auch vermeiden können, sich allein auf die Argumentation der Anlagenbetreiber stützen zu müssen. In der Öffentlichkeit entstand so der Eindruck eines demonstrativen Schulterschlusses.

Durch die Genehmigung des ZLN droht uns jetzt der erste Castor-Transport von Rheinsberg nach Greifswald/Lubmin mit allen bekannten Sicherheitsrisiken. Der sogenannte Ost-Castor weist in wesentlichen Teilen eine völlig andere Konstruktion auf als die bisher benutzten Behälter. Seine Sicherheit (z. B. im Falltest oder bei hohen Temperaturen) wurde nie praktisch getestet, sondern mit einer theoretischen Zahlenkonstruktion vom West-Castor abgeleitet. Zudem hat er eine dünnere Außenhülle. Von seiten des Umweltministeriums wird zur Zeit mit Abwiegelung dieser Kritik der Transport schon argumentativ vorbereitet.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mecklenburg-Vorpommern fordern vom Bundesumweltministerium den Castor-Transport von Rheinsberg nach Greifswald/Lubmin wegen der fehlenden Sicherheit der Behälter nicht zu genehmigen.

Das AKW Greifswald/Lubmin ist das einzige bundesdeutsche AKW, das sich nicht im Eigentum privater Betreiber befindet. Es ist Eigentum der Bundesrepublik Deutschland, deren politische Führung, die rotgrüne Bundesregierung, sich den Atomausstieg zum Ziel gesetzt hat. In Greifswald ist kein Atomkonsens notwendig und es liegen keine Entschädigungsforderungen der Betreiber auf dem Tisch. (Wer entschädigt uns eigentlich uns für das Risiko eines Atomunfalls, für das keine Versicherung die Haftung übernimmt?)

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mecklenburg-Vorpommern fordern deshalb die rotgrüne Bundesregierung auf, die nach den bisherigen Fehlentscheidungen noch verbliebenen Möglichkeiten am AKW Standort Greifswald/Lubmin zu nutzen, den beschlossenen Atomausstieg unter höchsten Sicherheitsanforderungen zugunsten der Mitarbeiter, der umliegende Bevölkerung und der volkswirtschaftlichen Sachwerte und unter Beteiligung der Öffentlichkeit praktisch umzusetzen.